Am Donnerstag wurde in Wilhelmsburg im Beisein von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer der erste Spatenstich für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße gesetzt. Trotz eines laufenden Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht gegen das Bauvorhaben, will die Stadt zügig mit dem Bau beginnen. Im Vorfeld der Veranstaltung kam es erneut zu Protesten gegen das Verkehrsprojekt.
Kleines Loch, große Bedeutung für Wilhelmsburg. Am Donnerstag haben Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, Bürgermeister Olaf Scholz und Wirtschaftssenator Frank Horch den ersten Spatenstich für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße vollzogen. Vor der Geräuschkulisse vorbeiratternder Züge auf der nahen Bahnstrecke erläuterte Ramsauer die Bedeutung des Verkehrsprojektes. „Der Lärm hier gehört bald der Vergangenheit an und es wird viel leiser“, sagt Ramsauer. Das Bauvorhaben sei daher nicht nur geeignet den Verkehrsfluss zu steigern, sondern auch Bestandteil einer höheren Lebensqualität in Wilhelmsburg.
Die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße ist eines der umstrittensten Verkehrsprojekte in Hamburg. Der Verlauf der bisherigen Strecke, deren Zustand von der Stadt als nicht zumutbar beschrieben wird, soll zwischen den Anschlussstellen Georgswerder und Wilhelmsburg-Süd auf einer Länge von 4,6 Kilometern verlegt werden. Die Bundesstraße soll so zukünftig nicht länger den Stadtteil in zwei Hälften teilen. „Die Reichsstraße steht seit ihrem Bau dafür, dass getrenntes zusammenwächst. Dieses Versprechen lösen wir jetzt ein“, sagt Bürgermeister Olaf Scholz. Die Stadt beabsichtigt jedoch auch den neuen Streckenabschnitt etwa doppelt so breit zu bauen, wie die bisherige Straße. Kritiker fürchten, dass durch diese – in ihren Augen autobahnähnliche Straße -mitten im Stadtteil Lärm- und Schadstoffbelastung steigen.
Die Spatenstiche der Politiker am Donnerstag sind jedoch mehr als bloßes Symbol. Bereits in Kürze sollen die ersten Arbeiten an dem umstrittenen Verkehrsprojekt beginnen, obwohl vor dem Oberverwaltungsgericht noch eine Klage gegen den Bau in einem Eilverfahren läuft. Die Stadt hat jedoch in einem Sofortvollzugsverfahren die ersten Baumaßnahmen genehmigt. Die Arbeiten an den Lärmschutzwänden können daher noch vor den eigentlichen Straßenbauarbeiten beginnen. „Mit einem ständigen Nein ist kein Staat zu machen“, lobt Verkehrsminister Ramsauer das schnelle Vorgehen. Auch die Finanzierung des Projektes durch den Bund ist bereits beschlossen und ein Planfeststellungsbescheid des Bundesverkehrsministeriums liegt vor. Der Bau der neuen Reichsstraße könnte daher beginnen, sobald der Rechtsstreit entschieden ist. „Wir wissen, dass alle großen Projekte auch Gegner haben“, sagt Olaf Scholz. Der Klage sehe er daher gelassen entgegen.
Die Gegner des Projektes sind am Donnerstag ebenfalls mit Schaufeln bewaffnet vor Ort. Komplett in schwarz gekleidet halten vor der Veranstaltung rund 50 BürgerInnen Trauerreden, während die alte Reichstraße in einem Sarg symbolisch zu Grabe getragen wird. Aus Sicht der Initiative „Engagierte Wilhelmsburger“ stellt eine Sanierung der bestehenden Strecke eine günstigere Alternative zu der rund 200 Millionen Euro teuren Verlegung der Reichsstraße dar. Der südliche Teil der Bundestrasse sei für 6 Millionen Euro mit offenporigem Asphalt saniert und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Km/h eingeführt worden. Diese Maßnahmen hätten zu einer deutlichen Verminderung der Lärmbelastung beigetragen. „Stattdessen baut man jetzt für viel Geld Lärmschutzwände, die höher sind, als die Berliner Mauer“, sagt Manuel Humburg von den „Engagierten Wilhelmsburgern“. Lärmschutzmaßnahmen im Bereich der Bahngleise werden von der Initiative zwar unterstützt, die gleichzeitige Verlegung der Straße aber als unsinnig betrachtet. Durch die Kombination von Bahn- und Autoverkehr würde zunächst der Lärmpegel erhöht, um diesen dann mit Lärmschutzmaßnahmen zu bekämpfen. Gegen die zu erwartenden Schadstoffe seien aber auch Lärmschutzwände kein geeignetes Mittel.
„Gleichzeitig mit der alten Reichsstraße begraben wir heute jedoch auch die BürgerInnenbeteiligung“, sagt Michael Rothschuh von den „Engagierten Wilhelmsburgern“. Obwohl die Stadt während der jahrelangen Planungen für die Verlegung der Reichsstraße die BürgerInnenbeteiligung durch eigens hierzu geschaffene Gremien sicherstellen wollte, sind die Ergebnisse der Gespräche bis heute nicht in das Planungsverfahren der Behörde eingeflossen. „Das war die erste BürgerInnenbeteiligung, bei der die BürgerInnen nichts zu sagen hatten“, sagt Rothschuh. Während der Feier für den ersten Spatenstich werden die Politiker hingegen nicht müde die großartige Beteiligung der BürgerInnen an diesem Projekt zu feiern. „Leider konnten wir nicht alle Wünsche erfüllen“, sagt Wirtschaftssenator Frank Horch. „Wir werden die BürgerInnen jedoch wie bisher an der zukunftsweisenden Entwicklung von Wilhelmsburg beteiligen“, so Horch weiter.
Auch bei den demonstrierenden „Trauergästen“ hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Vielleicht gibt es für die BürgerInnenbeteiligung ja doch eine Auferstehung oder eine Wiedergeburt“, sagt Michael Rotschuh. Zunächst warten in Wilhelmsburg jedoch viele auf das Urteil des Verwaltungsgerichtes. Wann mit einer Entscheidung der Richter zu rechnen ist, ist derzeit nicht bekannt.
Beobachter
8. August 2013 at 22:20
Ich habe sie gezählt. Es waren keine 50 Gegendemonstranten, es waren gerade mal 20.
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