Am Mittwoch tagte zum ersten Mal das Vergabegremium für die soziokulturellen Flächen der Rindermarkthalle auf St. Pauli. Das Gremium steht im Zentrum des Ende 2012 durch Hauptmieter EDEKA verkündeten Beteiligungsprozesses. Das Verfahren ist keine klassische Bürgerbeteiligung. Trotzdem geht EDEKA davon aus, im Stadtteil akzeptiert zu werden.
Die Vergabe der soziokulturellen Flächen durch die Vergabekommission ist der Höhepunkt der durch EDEKA-Nord und das Projektentwicklungsunternehmen Maßmann & Co geplanten Bürgerbeteiligung. Zu Beginn des Prozesses hatte Peter Maßmann angekündigt, dass die Bürgerinnen und Bürger die Planungen mitgestalten könnten (Mittendrin berichtete). Eine klassische Bürgerbeteiligung findet durch das Vergabegremium jedoch nicht statt. Ziel der Sitzungen ist es die zukünftigen Nutzer der zur Verfügung gestellten 840 Quadratmeter im ersten Stock der Markthalle aus insgesamt 20 Bewerbern auszuwählen. Vorschläge, die Entscheidungsbefugnisse des Gremiums zu erweitern, konnten sich am Mittwoch nicht durchsetzen. EDEKA und Projektentwickler Peter Maßmann werten das Verfahren dennoch als Erfolg.
Rund 30 Personen waren zu der Sitzung des Vergabegremiums in das Haus der Familie gekommen. Mehr als die Hälfte der Anwesenden sind selbst Bewerber auf eine der zu vergebenden Flächen. Ziel der ersten Sitzung sollte es sein, grundlegende Fragen über die Organisation des Gremiums und das weitere Verfahren zu beschließen. Obwohl der Kreis der Bewerber eigentlich kein Stimmrecht im Rahmen des Vergabeverfahrens haben soll, werden alle Anwesenden durch Michael Mathe vom Bezirksamt Hamburg-Mitte, der die Sitzung moderiert, dazu aufgefordert über strittige Punkte abzustimmen. Mehrheitlich beschließt das Gremium neben der Vergabe der Flächen keine weiteren Themenfelder zu bearbeiten. „Wenn wir uns jetzt selbst beschränken, bestätigen wir die Kritik der Initiativen, die sich entschieden haben heute nicht teilzunehmen“, sagt Andreas Gerhold. Der Fraktionsvorsitzende der Piraten hatte versucht auch Gastronomie, Außenflächen und Büroräume durch das Gremium beraten zu lassen, um weitere Einflussmöglichkeiten für das Gremium zu schaffen.
Zahlreiche Initiativen aus dem Stadtteil sowie die Stadtteilbeiräte Karolinenviertel und Sternschanze hatten beschlossen den Sitzungen des Gremiums fernzubleiben (Mittendrin berichtete). Das Vergabeverfahren wird von Kritikern nicht als echte Beteiligungsmöglichkeit wahrgenommen. Da die Mehrheit der Kritiker nicht erschienen ist, entscheiden am Mittwoch andere über den weiteren Prozess. In drei weiteren Sitzungen sollen Kriterien für die Vergabe der Flächen erarbeitet werden. Mit der Entscheidung über die zukünftigen Nutzer wird die Arbeit des Gremiums voraussichtlich im Mai enden. Weitere Fragen über die Gestaltung der Markthalle und des Umfeldes sollen im Ausschuss für Wohnen und soziale Stadtteilentwicklung besprochen werden. „Wir werden dort noch einmal unser Konzept präsentieren“, sagt Torsten Hönisch von Maßmann & Co.
Nach der politischen Sommerpause wird es bis zur Eröffnung im Frühjahr 2014 voraussichtlich ruhig werden um die Rindermarkthalle. „Wir sind sehr zufrieden und glauben, dass wir eine hohe Akzeptanz im Stadtteil haben“, sagt Peter Saur von EDEKA-Nord im Rahmen eines Planungsworkshops Anfang Februar. Das Unternehmen ist mit dem Versprechen einer Bürgerbeteiligung an den Stadtteil herangetreten, da die Stadt es versäumt hatte rechtzeitig die Bürgerinnen und Bürger in die Planungen über die Zukunft der Rindermarkthalle einzubinden. Heftige Proteste waren die Folge. EDEKA ist es auf diesem Weg gelungen das eigene Image zu heben und die Kritik zu mildern. Dass eine umfassende Bürgerbeteiligung nicht stattgefunden hat, ist dabei nicht von Bedeutung. Es gibt in der Privatwirtschaft keine politische Ethik mit dem demokratischen Ideal der Bürgerbeteiligung. „Bei der Bewertung kommt es darauf an, welche Maßstäbe man an Beteiligung anlegt. Da wir von Null kommen, ist das Verfahren für uns ein Erfolg“, sagt Peter Saur. Peter Maßmann findet klarere Worte: „Wir hatten von Anfang an keine klassische Bürgerbeteiligung im Sinn, sondern wollten interessierte Bürgerinnen und Bürger einbinden“. Viele der dabei geäußerten Ideen habe man auch umgesetzt, erläutert Maßmann auf dem Planungsworkshop.
Aktuell werden kritische Stimmen kaum noch wahrgenommen, da diese nicht an dem Vergabeverfahren teilnehmen. Nach der Eröffnung der Rindermarkthalle werden die Diskussionen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wahrscheinlich schnell in Vergessenheit geraten. Eine erneute Debatte über die zukünftige Nutzung der Rindermarkthalle wird es erst am Ende der geplanten Zwischennutzung von zehn Jahren geben – vorausgesetzt die EDEKA-Nord will ihre Millioneninvestition nicht doch länger behalten.
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