Flüchtlinge in Hamburg-Mitte: Die Fakten

Foto: Henry Lührs
Politik

In der ganzen Stadt entstehen neue Flüchtlingsunterkünfte. Während in anderen Bezirken Bürger klagen, zeigen sich die Menschen in Mitte bisher solidarisch. Mittendrin hat die Fakten gesammelt: Wo entstehen neue Plätze – und wie beteiligt sich der Bezirk Mitte? Nach einem Klick auf die Fragen wisst ihr mehr.

Wie viele Flüchtlinge kommen nach Hamburg?
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, steigt seit 2008. In diesem Jahr wird mit 200.000 neuen Asylanträgen gerechnet, dabei übernimmt Hamburg nach einem Verteilungsschlüssel 2,5 Prozent. Bis Ende August 2014 kamen nach Auskunft der Innenbehörde bereits 3.566 Asylbewerber in die Hansestadt – einer Prognose zufolge soll bis Jahresende die Marke von 5.000 Asylbewerbern überschritten werden. Derzeit kommen monatlich rund 600 Flüchtlinge nach Hamburg. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr wurden Hamburg rund 3.600 Asylbewerber zugewiesen.
Wo sind Flüchtlinge in Hamburg-Mitte untergebracht - und wo sollen neue Unterkünfte entstehen?
Im Bezirk Hamburg Mitte leben aktuell etwa 2000 Menschen in öffentlich-rechtlichen Unterbringungen und in den Zentralen Erstaufnahmestellen. Im Vergleich zu anderen Bezirken nehmen nur Hamburg-Nord und Wandsbek ähnlich viele Flüchtlinge auf.  Dabei ist kein Verteilungsschlüssel entscheidend, in einer Lenkungsgruppe wird ausgehandelt, wo die Flüchtlinge in der Stadt untergebracht werden.

Auf dieser Karte sind die bestehenden (grün) und neu geplanten Unterkünfte (rot) markiert – beim Klick auf die einzelnen Punkte folgen Informationen zu Kapazität und Art der Unterbringung.

Wer ist für den Betrieb der Unterkünfte zuständig?
Zuständig für die Unterbringung in den Zentralen Erstaufnahmestellen ist die Innenbehörde. Sie untersucht, ob die Flüchtlinge in Hamburg bleiben können oder im Rahmen eines bundesweiten Verteilerschlüssels („Königsberger Schlüssel“) einem anderen Bundesland zugewiesen werden. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) organisiert dann die Unterbringung der Flüchtlinge in den öffentlich-rechtlichen Folgeunterkünften.

Die beiden Behörden arbeiten zusammen mit dem städtischen Betrieb Fördern und Wohnen, der mit dem Betrieb der Unterkünfte beauftragt wurde und eigene Sozialarbeiter beschäftigt. Für die Aufsicht heuert Fördern und Wohnen auch externe Sicherheitsdienste an.

Aufgrund der besonderen Notlage wird in Mitte nun erstmals ein weiterer Betreiber eingesetzt:  Ab dem 1. November wird das Deutsche Rote Kreuz  den Betrieb der Zentralen Erstaufnahme am Karl-Arnold-Ring in Kirchdorf-Süd übernehmen.

Warum werden plötzlich so viele Unterkünfte in Hamburg benötigt - und warum wurde nicht früher gehandelt?
Hamburg hat seit dem Ende der 90er-Jahre die Zahl der Flüchtlingsunterkünfte verringert, da der Bedarf gesunken war. In diesem Jahr stieg die Zahl der Asylbewerber jedoch wieder an. Auf diese Entwicklung konnte sich die Stadt kaum vorbereiten, da die Verwaltung mit den Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge arbeitet: Innerhalb weniger Monate hat die Behörde die Zahlen mehrfach nach oben korrigiert.

Politische Krisen und die wirtschaftliche Not in vielen Entwicklungsländern sind die häufigsten Fluchtmotive. Weil die Zentrale Erstaufnahme in Hamburg überfüllt ist und derzeit rund 300 Menschen in Zelten untergebracht sind, hat der Senat ein Sofortprogramm beschlossen, dass schnell zusätzliche Unterkünfte etwa in Wilhelmsburg oder Billstedt schaffen soll. Vermieden werden soll insbesondere, dass Menschen in den kalten Wintermonaten in Zelten schlafen. Den Etat für die Flüchtlingsunterkünfte hatte die Bürgerschaft bereits Anfang September um knapp 148 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro erhöht, aktuell beläuft sich das städtische Budget auf 400 Millionen Euro. 

In den vergangenen Wochen wurde Kritik laut an der Lage in Flüchtlingsunterkünften - worum ging es?

Die Überfüllung der Unterkünfte bringt Konflikte mit sich: Bewohner klagen über schlechte Hygieneverhältnisse, so gebe es etwa nicht genug Toiletten. Auch über Konflikte zwischen Bewohnern, zum Teil religiös geprägt, wurde berichtet.

Kritisiert wird auch, dass zu wenig Sozialarbeiter in den Unterkünften vor Ort seien. In der Erstaufnahme Schnaackenburgallee im Stadtteil Stellingen etwa arbeiten Medienberichten zufolge fünf bis sechs Mitarbeiter in der Einrichtung, die 1200 Menschen beherbergt. Dort sagten außerdem mehrere Flüchtlinge aus, sie seien von Sicherheitsleuten misshandelt worden. Das berichtete unter anderem das „Hamburg Journal“ des NDR. Die Beamten hätten sie getreten und über den Boden geschleift, sagten die Flüchtlinge. Bewiesen werden konnte jedoch nichts, die Polizei widersprach dieser Behauptung.

Zwar peilt das Unternehmen Fördern und Wohnen in den Zentralen Erstaufnahmestellen in Hamburg-Mitte einen Betreuungsschlüssel von 1:80 Personen, bzw. in den Folgeunterkünften von 1:60 Personen an. Das sind jedoch noch „Zielvorstellungen“, wie zwei Mitarbeiterinnen von F&W auf einer Informationsveranstaltung am Montagabend in Wilhelmsburg sagten.

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Chris

    24. Oktober 2014 at 06:09

    Liest man selten: Ein Artikel, der nur recherchierte Fakten enthält und auf Polemik verzichtet.
    Finde ich gut.Weiter so!

  2. Jan

    26. Oktober 2014 at 12:17

    Schöner Übersichtsartikel!

    Ich fände es super, wenn in der Karte noch zu den einzelnen Unterkünften Ansprechpartner angegeben wäre (sofern vorhanden). Also z.B. vielleicht eine Kirchengemeinde vor Ort oder eine Anwohnerinitiative, die sich um die Flüchtlinge kümmert. Dann könnte man direkt sehen, wen man ansprechen könnte, falls man sich auch engagieren möchte.

  3. Jutta

    19. November 2014 at 23:34

    wenn es sich um Wilhelmsburg handelt, dann kann man sich gut über facebook https://www.facebook.com/groups/dieinselspendet/
    informieren aber auch nachfragen. In Wilhelmsburg gibt es viel Hilfsbereitschaft und den lockeren Zusammenschluss die Insel spendet. Zzt. sucht Barbara vom Freizeithaus Kirchdorf Süd Wolle, für einen Handarbeitskurs den sie jeden Donnerstag durchführt.

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