Am Dienstag hat der Bezirk ein umfassendes Beteiligungsverfahren für das Esso-Häuser Grundstück vorgestellt. Die BewohnerInnen des Stadtteils sollen mitbestimmen, was auf dem Esso-Areal entsteht.
Nach dem Abriss der Esso-Häuser auf St. Pauli hat der Bezirk am Dienstag ein umfassendes Beteiligungsverfahren für die Neubauplanung der 6. 190 Quadratmeter großen Fläche am Spielbudenplatz vorgestellt. Die „Planbude Gbr“ sowie das Büro „Urbanista“ wurden vom Bezirk damit beauftragt, für die Neugestaltung der Fläche ein intensives und niedrigschwelliges Bürgerbeteiligungsverfahren durchzuführen. Bevor in einem städtebaulichen Wettbewerb konkrete Entwürfe für das Esso-Areal erarbeitet werden, soll der Stadtteil in maßgeblich die Basis für die Gestaltung der Fläche legen.
Eine neue Qualität der Beteiligung
„An dieser Stelle entscheidet sich, ob St. Pauli sein Gesicht behalten kann“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). Es sei entscheidend für den Stadtteil, was auf dieser Fläche passiert. „Abriss und Neubau stellen einen erheblichen Eingriff in die Stadtteilstruktur von St. Pauli dar, gerade deshalb haben auch wir als Bezirk einen hohen Anspruch an die Entwicklung dieser Fläche“, so Grote weiter.
Es müsse ein neues Stück St. Pauli auf dem Grundstück der Esso-Häuser entstehen, dass auch die besonders enge Nachbarschaft von Wohnen und Gewerbe sowie die soziale Vielfalt des Stadtteils widerspiegelt. „Aus unserer Sicht ist dafür ein üblicher Planungsprozess nicht ausreichend. Die Menschen, die auf St. Pauli leben müssen besonders intensiv beteiligt werden“, erläutert Andy Grote. Das Beteiligungsverfahren sei in dieser Art in der Stadt einzigartig und experimentell. „Eine vergleichbar frühzeitige, umfassende und eng am Stadtteil ausgerichtete Beteiligung hat es bisher in Hamburg nicht gegeben“, so der Bezirksamtsleiter.
Den „St.Pauli-Code“ knacken
Die „PlanBude“ soll innerhalb der nächsten sechs Monate voraussichtlich das Planungsverfahren durchführen. Die gesammelten Ideen und Vorschläge sollen dann in das Wettbewerbsverfahren für das Esso-Areal einfließen. „Viele Neubauten der vergangenen Jahre werden von den Bewohnern des Stadtteils als Fremdkörper wahrgenommen. Deshalb muss gefragt werden: Was ist St. Pauli spezifisch?“, sagt Bodo Hafke, Planungsdezernent des Bezirksamts Hamburg-Mitte. Die wesentlichen Gestaltungsmerkmale für ein neues Stück St. Pauli sollen über das Beteiligungsverfahren ermittelt werden. „Die große Angst ist, dass hier etwas ohne die Anschlussfähigkeit an die Logik St. Paulis entsteht. Die Aufgabe lautet deshalb: Knack den St. Pauli-Code“, sagt Christoph Schäfer von der „PlanBude“. Durch die Versendung von Fragebögen, Veranstaltungen, Workshops und Gespräche soll ein möglichst breites und vielfältiges Bild davon entstehen, welche Vorstellungen die AnwohnerInnen, die ehemaligen BewohnerInnen der Esso-Häuser sowie die Gewerbetreibenden von der Neugestaltung der Fläche haben.
Zusätzlich zur „Planbude Gbr“ hat der Bezirk das Büro „Urbanista“ von Julian Petrin beauftragt. Petrin soll im Prozess vor allem beratende, moderiernde Aufgaben wahrnehmen sowie das den prozessbegleitenden Gremium organisieren. Dieses soll sich aus VertreterInnen des Bezirkspolitik, des Bezirksamts, der Bayerischen Hausbau sowie Stadtteilinitiativen zusammensetzen.
Schaufenster des Beteiligungsprozesses
Zentraler Anlaufpunkt für den Beteiligungsprozess sollen die Planungscontainer sein, die voraussichtlich in den kommenden zwei Wochen aufgestellt werden sollen. Die Container sollen eine permanente Anlaufstelle für die Entwicklung des Esso-Areals darstellen. Mit einer möglichst offenen und transparenten Gestaltung will die „PlanBude“ ein niedrigschwelliges Angebot zur Beteiligung schaffen. Eine begehbare Dachterrasse soll einen Perspektivwechsel ermöglichen. Die Fragebögen und Zeichnungen sollen hier gesammelt werden. Außerdem bieten die Container Raum für Workshops und Vorträge. Ende August soll das Verfahren mit einem Auftaktfest offiziell starten.
Bayerische Hausbau gespannt auf Kreativität
„Wir betreten gemeinsam mit dem Bezirk, der Planbude und der Stadtteilgesellschaft Neuland. Als Eigentümerin des Areals akzeptieren wir, dass der Prozess der vorgezogenen Bürgerbeteiligung einer Projektgruppe anvertraut wird, die sich ganz wesentlich aus Akteuren der Stadtteilinitiativen zusammensetzt, die unseren Vorstellungen für die Zukunft des Areals ablehnend gegenüberstehen. Dieser Weg birgt zweifelsfrei Risiken, vor allem dann, wenn er nicht neutral, sondern parteiisch durchgeführt wird. Wir aber glauben an die Chancen.“, so Bernhard Taubenberger, Leiter „Kommunikation und Marketing“ der Bayerischen Hausbau.
Auch von der Bezirkspolitik wird das Planungsverfahren als große Chance für St. Pauli begriffen. „Die SPD wird das Planverfahren positiv begleiten“, sagt Bezirksabgeordnete Henriette von Enckevort. Möglichst viele Menschen aus dem Stadtteil müssten dabei mitgenommen werden. „Die heute vorgestellten Strukturen bieten größtmögliche Offenheit und die Chance für eine stadtteilverträgliche Planung“, so von Enckevort weiter. Alle, die an dieser Stelle beteiligt werden wollen, sollen dazu die Gelegenheit bekommen. Im Weiteren hält die SPD-Bezirksfraktion an den in der Bezirksversammlung beschlossenen Forderungen weiter fest. Dazu gehört auch: Mindestens 50 Prozent sozialer Wohnungsbau in einem Neubau auf dem Esso-Areal.
Keine Beteiligungsshow
„Das vorgestellte Beteiligungsverfahren ist ein großer Erfolg, der auch der langjährigen Arbeit der Initiativen im Stadtteil geschuldet ist“, sagt Steffen Jörg von der GWA St. Pauli. Das Planungsverfahren erwecke den Eindruck, tatsächlich Beteiligung zu ermöglichen. „Ich habe großes Vertrauen in die Zusammensetzung der PlanBude, entscheidend ist jedoch, wie verbindlich die Ideen aus dem Stadtteil dann in das Wettbewerbsverfahren einfließen und tatsächlich umgesetzt werden“, so Jörg weiter. Dieser Prozess werde insbesondere von der Initiative Esso-Häuser auch kritisch begleitet.
Der an das auf sechs Monate angelegte Beteiligungsverfahren anschließende städtebauliche Wettbewerb wird voraussichtlich ebenfalls ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Auf Grundlage der Wettbewerbsergebnisse soll dann ein neuer Bebauungsplan für die Fläche aufgestellt werden. Mit der Realisierung der Neubebauung könnte realistisch ab 2017 begonnen werden.
Titelbild: Tobias Johanning, Bild im Text: Foto: http://fotos.nocke.de
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