Auch nach dem Ende der Internationalen Gartenschau will das Bezirksamt Mitte den Zaun um das ehemalige Ausstellungsgelände stehen lassen. Doch viele WilhelmsburgerInnen sehen in dieser Maßnahme eine Vertreibung aus dem öffentlichem Raum – und kritisieren die mangelnde Dialogbereitschaft der Politik.
Es ist eines der großen Streitthemen, die in Wilhelmsburg derzeit diskutiert werden: Die Zukunft des Inselparks. Nur noch während des Tages soll das weitläufige Wiesengelände offen zugänglich sein, in der Nacht schließen sich die Tore – zumindest wenn es nach den Plänen des Bezirksamts geht, denn dort liegt seit dem ersten Januar die Zuständigkeit für den Park. Am Dienstagabend sollte im Bürgerhaus Wilhelmsburg diskutiert werden: Verschiedene Stadtteilinitiativen riefen zum „Parkratschlag“ auf, um Wünsche und Ideen für die zukünftige Parkgestaltung auszutauschen – und nicht zuletzt auch, um das Bezirksamt Mitte zu konkreten Aussagen zu bewegen. Bisher konnte etwa über die nächtlichen Schließungszeiten nur spekuliert werden. Es sollte eine hitzige Debatte werden – wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Die Pläne des Bezirksamts
Zwei Varianten präsentierten die MitarbeiterInnen des „Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung“ für einen etwas reduzierten Zaun – der dabei jeweils an unterschiedlichen Orten geöffnet wäre, den Park jedoch weiterhin von der Umgebung deutlich abgrenzt.
Variante 1: Der Zaun wird zum bisherigen Haupteingang des Gartenschau-Geländes verlegt, dabei wäre die Fläche zwischen der „Welt der Kulturen“ und dem Kukucksteich und ein großer Teil des Kurt-Emmerich-Platzes, sowie die Straße Hauland frei zugänglich.
Variante 2: Diese Variante ähnelt der ersten, allerdings beinhaltet sie eine Ost-West-Verbindung Richtung Kirchdorf.
Die Kleingärten im Park sollten sollen 24 Stunden am Tag frei zugänglich bleiben. Im Zuschauersaal kam die Präsentation nicht gut an: „Wo ist die dritte Option – kein Zaun?“, lautete einer der ersten Zwischenrufe, dem viele weitere an diesem Abend folgen sollten. Die VertreterInnen des Bezirksamts nannten daraufhin Gründe, die für eine Umzäunung des Parks sprechen würden: Schon allein das „einmalige Sportangebot mit Schwimmanlage, Kletterhalle und Hochseilgarten“ müsse geschützt werden, sagt Claudia Wollny vom Fachamt und fügt hinzu: „Leider wissen viele Menschen nicht, wie sie sich im öffentlichen Raum zu verhalten haben.“
So seien in den vergangenen Monaten etliche Schäden durch Vandalismus im Park festgestellt worden – wie diese konkret aussehen, sollte den ZuschauerInnen im Folgenden durch Bilder veranschaulicht werden: Ein herausgerissener Mülleimer, Spermüll am Wegesrand, Graffiti auf einer Betonwand, verbogene Gitterstäbe des Parkzauns. „Der Inselpark ist ein Geschenk der Gartenschau an den Stadtteil“, sagt Bodo Hafke vom Bezirksamt Mitte. „Ziel ist es, neben dem Winterhuder Stadtpark und dem Altonaer Park einen dritten Volkspark zu erschaffen.“ Dabei orientiere man sich jedoch nicht an den – frei zugänglichen – genannten Parks, das Vorbild sei vielmehr der Park Planten un Blomen in der Innenstadt – auch dieser sei schließlich durch eine Gartenschau entstanden und anschließend geschlossen worden, so Hafke.
Die Kritik der WilhelmsburgerInnen
„Wir fühlen uns betrogen“
Mit diesem Vorwurf wurde das Bezirksamt an diesem Abend besonders oft konfrontiert: Die Politik habe ihr Versprechen gebrochen, den Park nach der Gartenschau wieder der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen – der Inselpark selbst sei schließlich kein reines Produkt der Gartenschau, sondern habe schon vorher bestanden. Auch der aktuelle Bebauunsplan für das Areal lege fest, dass der Park „allein vollständig und uneingeschränkt zur Verfügung gestellt“ werden solle. Andere BürgerInnen räumten ein, die Gartenschau im Stadtteil nur wegen der Aussicht auf einen freien Park im Anschluss akzeptiert zu haben. Shila Chakrabarti war Gästeführerin auf der Internationalen Gartenschau: „Tausenden Gästen habe ich dort Tag für Tag erzählt, dass dieser schöne Park anschließend wieder für die BürgerInnen geöffnet werde“, sagt sie und fügt hinzu: „Jetzt fühle ich mich benutzt.“
Vandalismus als General-Verdacht
Die Begründung, den Park vor Vandalismus schützen zu wollen, halten viele WilhelmsburgerInnen für nicht haltbar: „Das ist unser Park – die Schließung ist absolut inakzeptabel und mit dem Verweis auf Sachbeschädigung wird jede WilhelmsburgerIn als potenzieller Randalierer dargestellt – ich weigere mich diese Vorverurteilung zu akzeptieren“, sagt Claudia Rozsak vom Verein Zukunft Elbinsel e.V.
Andere sehen die Schäden im Stadtteil durchaus, etwa Kleingärtner Rejmanowski: „Es hat auch seine Vorteile, wenn der Park nachts geschlossen bleibt“, sagt er. Immer wieder sei zu beobachten, dass Sperrmüll an der Straße abgelegt werde. Er plädiert für eine „intelligente Lösung“ und hält viele der an diesem Abend geäußerten Meinungen für „weltfremd und idealistisch“. Doch viele DiskutantInnen sehen in einem Zaun nicht das geeignete Mittel, um Vandalismus zu verhindern: „Vandalismus taucht überall auf, nicht nur im Inselpark“, sagt Lutz Cassel, Vorsitzender des Stadtteilbeirates Wilhelmsburg.
Kostenvergleiche
Immer wieder wurde in der Präsentation des Bezirksamts auf die hohen Kosten verwiesen, die zur Beseitigung der Sachbeschädigungen im Park entstehen würden. Anwohner Jan Hoppe ließ dieses Argument nicht gelten: „Was kostet es denn so im Vergleich, jeden Tag einen Sicherheitsdienst zu bezahlen?“, fragt er. Diese Personalkosten könnten ebenso gut in die monatliche Beseitigung von Schäden im Park fließen.
„Das war schon immer unser Park“
Viele BürgerInnen kritisieren immer wieder Äußerungen des Bezirksamtsleiters Andy Grote, der in einem Interview mit dem Lokalmagazin Wilhelmsburg Online sagte, dass es den Inselpark „in dieser Gesamtheit und in dieser Qualität“ vorher nicht gegeben habe. „Dann frage ich mich, wo ich jahrelang jeden Tag spazieren gegangen bin“, sagt eine Wilhelmsburgerin und verweist auf den alten Mengepark, der nun auch ein Teil des eingezäunten Geländes sei. Die nächtliche Schließung des Geländes entspreche nicht der Lebensrealtität vieler BürgerInnen, so Renate Hercher-Reis, Bezirksabgeordnete der Linken. Viele AnwohnerInnen nutzten das Gelände als Arbeitsweg und gerade in den Sommermonaten werde der Park auch noch in den späten Abendstunden frequentiert.
Vertreibung aus dem öffentlichen Raum
Neben den praktischen Einwänden sehen die WilhelmsburgerInnen die nächtliche Schließung als Zeichen einer größeren gesellschaftlichen Entwicklung: „Das ist eine unehrliche Debatte“, sagt Manuel Humburg vom Verein Zukunft Elbinsel. „Eigentlich geht es um eine wirtschaftliche Aufwertung des Parks und die Vertreibung der BürgerInnen aus öffentlichen Raum – dabei ist der Park ein wichtiger Ort des Austausches und des Zusammenkommens in diesem Stadtteil.“ Helga Arb wohnt im Reiherstiegviertel: „An einem Zaun zu leben ist ein völlig anderes Lebensgefühl, ich fühle mich eingesperrt.“ Sie verweist dabei auf den nun frei zugänglichen Deich an der Harburger Chaussee, auf dem einst ein Zaun stand, nun jedoch flaniert werden kann: „Die AnwohnerInnen im Viertel erleben nun eine ganz neue Freiheit.“
„Sport muss frei sein“
Jost Hüttenhain betreibt die Kletterhalle „Nordwandhalle“, die mitten im Inselpark gelegen ist: „Wir stehen für einen offenen Park, der das was geschaffen wurde, nachhaltig nutzbar macht – da die Kletterhalle bis 23 Uhr geöffnet ist, sind die Schließzeiten des Parks ohnehin nicht umsetzbar.“ Als Vertreter der Interessengemeinschaft Wilhelmsburger Inselpark e.V. wies er jedoch darauf hin, dass innerhalb des Vereins kein einheitliches Meinungsbild herrsche.
Volker Lux vom Skatepark betont die Bedeutung der freien Zugänglichkeit von Sportanlagen: „Viele SportlerInnen schätzen gerade, dass der Skatepark auch in der Nacht genutzt werden kann – es gibt im direkten Umfeld keine AnwohnerInnen die sich über den Lärm beschweren könnten, außerdem ist der Park auch im Dunkeln durch Flutlicht beleuchtet, was in der internationalen Szene anerkannt und beliebt ist.“ Darüber hinaus sei Sport ein wichtiges Mittel für den Frustabbau, viele Berufstätige kämen erst in den Abendstunden dazu, Sport zu treiben. Dies sei ihnen durch eine nächtliche Schließung jedoch nicht mehr möglich.
Ideen und Anregungen
Wie könnte der Park in Zukunft in seiner Gesamtheit geschützt und dabei dennoch den BürgerInnen als „freier Park“ erhalten bleiben? Viele WilhelmsburgerInnen scheuten sich nicht, konkrete Gestaltungsvorschläge in die Debatte einzubringen: „Es ist wichtig, die wertvollen Blumen in den Gärten zu erhalten – dafür müssen ohnehin Gärtner eingestellt werden. Diese könnten auch über den Park wachen und Vandalismus verhindern. Sicherheitspersonal brauchen wir nicht“, sagt Anwohnerin Lisa Zahn. Renate Hercher-Reis schlug vor, die Ursachen von Vandalismus „an der Wurzel zu packen“: „Pädagogisches Personal auf den Sport- und Spielanlagen könnte Kinder und Jugendliche zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Park erziehen.“ Claudia Roszak kann sich so genannte „Park-Patenschaften“ vorstellen, welche den BürgerInnen ihre persönliche Verantwortung für den Erhalt des Parks deutlich machen könnten: „Den Menschen muss klar gemacht werden, dass dies ihr Park ist, den sie frei nutzen können, aber auch schützen müssen.“ Eine soziale Kontrolle von Seiten der BürgerInnen, ergänzt durch professionell geschultes Personal – diese Idee brachten gleich mehrere RednerInnen in die Diskussion ein. Arne Böttger wohnt noch nicht lange in Wilhelmsburg. Sein Vorschlag ist simpel und direkt: „Warum wagen wir nicht ein Experiment und versuchen es erst einmal ganz ohne Zaun – und dann gucken wir mal, was passiert“, sagt er.
… und jetzt?
Viele Meinungen, Argumente und Ideen wurden an jenem Abend im Bürgerhaus vorgetragen. Am Ende war es am Bezirksamt, Stellung zu beziehen. Doch Bodo Hafke gab sich bedeckt: Das Ergebnis werde er „mitnehmen und in die Diskussion einbringen“, sagt der Dezernatsleiter. Nun werde er sich mit weiteren AnwohnerInnen, dem Stadtteilbeirat und dem Regionalausschuss zusammen setzen und austauschen, hieß es weiter. Entschieden sei noch nichts.
Ob das Bezirksamt angesichts dieser massiven Kritik aus dem Stadtteil nun einen Kurswechsel einleitet, bezweifeln viele Wilhelmsburgerinnen. Für Klaus und Silke Muhlack von den „Engagierten Wilhelmsburgern“ war der Abend jedenfalls eine Enttäuschung: „Bürgerbeteiligung in Wilhelmsburg ist eine Farce – das erleben wir immer wieder. Heute wurde deutlich, dass viele AnwohnerInnen gegen eine Schließung des Parks sind, aber scheinbar ist das schon beschlossene Sache. Am Ende wird sowieso über unseren Kopf hinweg entschieden“, sagen sie.
Manuel
16. Februar 2014 at 09:00
Danke für diesen ausführlichen Bericht!
Stimmung und Argumente im großen Saal des Wilhelmsburger Bürgerhauses waren eindeutig: Die große Mehrzahl der zahlreichen Diskutanten forderten die Verwaltung auf, das Versprechen für einen uneingeschränkt offenen Volkspark jetzt einzulösen.
Weitere Dokumente der Veranstaltung,
wie ein Ton-Mitschnitt, Auszüge aus den Redebeiträgenund ein Videofilm findet ihr hier:
http://zukunft-elbinsel.de/volkspark-ohne-zaun-klare-ansage-park-ratschlag/
Wer sich genauer mit dem Thema befassen möchte, findet einen Info-Pool mit zahlreichen Dokumenten hier:
http://zukunft-elbinsel.de/park-ratschlag-11-2-2014-was-mensch-wissen-sollte/
darin:
# Das „Der-Zaun-kommt-weg“-Versprechen
# Die Pläne der Bezirkswaltung – soweit öffentlich
# 50 Jahre Wilhelmsburger Stadtpark
# Thesen zu „Stadt für Alle“
# Der öffentliche Raum in den gültigen Bebauungsplänen
# Die Auseinandersetzungen um den offenen Park in Norderstedt
Die Vorträge des Bezirksamtes mit den beiden Varianten für die künftige Einzäunung des Parkes wurden – trotz mehrfacher Bitten – bisher leider nicht zur Verfügung gestellt.
Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg
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