Lange stand die ehemalige Gehörlosenschule im Münzviertel leer, heute haben Stadtteilaktivisten den Raum für sich erkämpft: Doch wie lange das „Kollektive Zentrum“ noch bestehen bleibt, ist ungewiss.
Die Zwischennutzung leerstehender städtischer Gebäude sorgt in Hamburg immer wieder für Zündstoff – so auch im Fall des rund 8000 Quadratmeter großen Geländes im Münzviertel, in dessen Gebäude früher eine Gehörlosenschule und eine Kita zu finden waren. Nach langem und erfolglosem Ringen um eine vertraglich geregelte Zwischennutzung besetzten Aktivisten das Gebäude Nummer 65 an der Norderstraße. Zwar mussten sie nur wenige Stunden später ihre Stellung wieder räumen, kurz darauf konnte dann aber doch eine Einigung erzielt werden. Nun hängt am Eingang der Schriftzug „Kollektives Zentrum“ (kurz: koZe). Hier wird diskutiert, Fußball geschaut und gemeinsam gekocht, während nebenan in der „Radküche“ Fahrräder repariert werden.
Die Aktivisten haben sich gut eingerichtet – doch wie lange das Kollektive Zentrum in dieser Form noch existieren wird, ist ungewiss. So wurde auch beim großen „Happening“, das Ende Januar vom Aktionsbündnis „Solidarische Raumnahme“ ausgerichtet wurde, eifrig diskutiert: Über den Umgang der Hamburger Politik mit dem Thema Zwischennutzung, über die Zukunft des koZe und die Rolle des zuständigen Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) und der Hanseatische Bau Konzept GmbH (HBK).
Die Aktivisten befürchten, übergangen zu werden
Die HBK ist im Falle des Geländes im hauptbahnhofnahen Münzviertel der Investor – und hat seit dem ersten Februar auch die Schlüsselgewalt darüber. Denn die Anhandgabe ist abgeschlossen, der HBK gehören nun 20 Prozent der Anteile des in vier Grundstücke aufgeteilten Areals. Die Aktivisten sind nicht gut auf den Investor zu sprechen, da dieser ihrer Meinung nach zu wenig auf ihre Anregungen für eine zukünftige Nutzung des Geländes eingeht. Dahinter liegt die Befürchtung, dass es kommen wird wie so oft: dass die Interessen der Bürger an der Stadtteilgestaltung übergangen werden und wirtschaftliche Perspektiven Vorrang haben.
Anlass zu dieser Befürchtung gibt den Aktivisten das bisherige Vorgehen der Beteiligten. „Von der Anhandgabe und den Verhandlungen über das Gelände erfuhren wir erst im Dezember“, erzählt Ingo. Was ihn und seine Mitstreiter ärgert: Damals war diese Information schon mehr als ein halbes Jahr alt. „Wir wurden in Unkenntnis gehalten, damit wir uns nicht einmischen, wenn es darum geht, was hier entstehen soll“, ist sich Ingo sicher. Zwar komme die städtische Verwaltung den Aktivisten mehr entgegen als der Investor. „So richtig ernst genommen und respektiert fühlen wir uns allerdings leider nach wie vor noch nicht.“
Polizeiaufgebot soll nicht einschüchtern, sondern schützen
Dabei wird den Stadtteilaktivisten im Münzviertel gar nicht so wenig Aufmerksamkeit zuteil. Das wird auch während des „Raumnahme-Happenings“ deutlich: Während sich 70 Menschen im koZe versammeln, tun sie dies unter den wachsamen Augen der Polizei. Vor dem Gelände drehen Polizeiwagen ununterbrochen eine Runde nach der anderen um den Block. Auf einem Innenhof des Areals steht ein Streifenwagen und an mehreren Ecken stehen kleine Grüppchen von Polizisten, vorwiegend in Einsatzmontur, zusammen. Das auf dem Spielplatz im Hof aufgeführte Theaterstück sehen sich die Ordnungshüter von der anderen Seite des Zaunes mit an. Was ist der Grund für diesen Polizeieinsatz? „Wir begleiten die Veranstaltung, sind sozusagen zu ihrem Schutz da“, sagt einer der Ordnungshüter auf Nachfrage von Mittendrin. Darauf angesprochen, dass sich bei den Menschen, die sich im koZe versammelt haben, vermutlich eher der gegenteilige Eindruck festsetzt, weiß der Beamte nichts zu entgegnen – vielleicht ist es ihm aber auch egal.
4 Wochen Kündigungsfrist
Die Menschen, die sich im koZe versammelt haben, sind solche Situationen gewöhnt und bleiben gelassen. Ohnehin beschäftigen sie sich mehr mit der Frage, wie es mit dem koZe weitergehen soll: Die HBK kann ihnen jederzeit mit einer vierwöchigen Frist kündigen. „Dass wir hier irgendwann raus müssen, war ja von vornherein klar. Doch auch, wenn die Stadt davon ausgeht, dass vor 2016 keine Bagger rollen, werden wir wohl schon sehr viel früher gekündigt“, sagt Ingo. Solange das koZe im Gebäude ist, werde die HBK es schwer haben, Interessenten für ihr Projekt zu finden – so die einhellige Meinung der Aktivisten. Ob ihnen schließlich doch Mitgestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden und am Ende ein Neubau mit Sozialverträglichkeit im Münzviertel entsteht, wird sich zeigen.
kollektives Zentrum
13. Februar 2015 at 15:37
Das kollektive Zentrum im Netz: http://www.koze.in / twitter.com/kozehh