Überfüllte Hörsäle, marode Gebäude: Die Hamburger Hochschulen klagen über Kürzungen an allen Ecken und Enden. Nun machen Studierende gegen die Sparpolitik mobil – und fordern auch eine Demokratisierung der Unis.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Bildung klaut!“: Im Sommer 2009 hallte dieser Slogan während der großen Bildungsstreik-Proteste durch die Hamburger Innenstadt. Ein Spruch, der offenbar bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat: Etwa 4000 Menschen haben am Dienstagnachmittag gegen die geplanten Kürzungen der Uni-Etats demonstriert. Studierende waren gemeinsam mit Lehr- und Verwaltungskräften zum „Sternmarsch“ unterwegs – und auch Vertreter der Hochschulleitungen selbst reihten sich in den Protestzug ein.
Finanznot: Eine halbe Milliarde für Campus-Sanierung
Bereits zu Beginn des Wintersemesters im Oktober hatten Studierende einen „heißen Herbst“ ausgerufen und – unter anderem unterstützt vom Universitäts-Präsidenten Dieter Lenzen – mit Protestmärschen und Infoveranstaltungen auf die prekäre Lage der Unis aufmerksam gemacht. Die oberste Forderung der Studierenden liest sich simpel: Mehr Geld.
Tatsächlich hatte die Stadt den Hochschulen im Doppelhaushalt 2015/2016 eine Erhöhung von 0,88 Prozent für ihren Etat zugesagt – doch inflationsbereinigt und angesichts zusätzlicher Ausgaben wegen steigender Energiekosten und Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst heißt das: Kürzung der Mittel. Die Wissenschaftsbehörde ist sich dieser Zahlenspielerei zwar bewusst, mit zusätzlichen Mitteln können die Hamburger Unis in den nächsten beiden Jahren trotzdem nicht rechnen. Einsparungen an verschiedenen Stellen scheinen so unvermeidlich – dabei bräuchte es allein eine halbe Milliarde Euro, um die maroden Gebäude auf dem Campus der Uni Hamburg zu sanieren, rechnet Präsident Dieter Lenzen vor. Er fordert daher, die Hochschulvereinbarung zwischen Stadt und Hochschulen neu zu verhandeln.
Studierende fordern: Bildung statt Ausbildung
Den Studierenden geht es nicht nur um marode Gebäude, wie beim „Sternmarsch“ deutlich wurde: Sie warnen vor einer „unternehmerischen Hochschule“, die nicht mehr demokratisch organisiert sei – sondern vielmehr wirtschaftlichen Interessen folge. Erkennbar sei dies etwa an der Zunahme der Drittmittelforschung an den Universitäten. Damit schade die „Politik des Kürzungswahns, in einer der reichsten Städte der Welt, der Bildung und der Wissenschaft“: Deutliche Worte der Asta-Vorsitzenden Franziska Hildebrandt. Dies gehe zulasten aller Menschen, „denn die Politik schränkt die Hamburger Hochschulen darin ein, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, durch Bildung, Wissenschaft und Kultur einer positiven Entwicklung der Gesellschaft zu dienen.“ Humanistisches Bildungsideal kontra wirtschaftliche Ausrichtung – ein Gegensatz, der die Diskussion unter den Studierenden bestimmt. „Bildung statt Ausbildung“: Solche und ähnliche Forderungen waren auch auf Schildern und Spruchbändern während des „Sternmarsches“ zu lesen.
Mit ihrer Kritik stehen die Studierenden nicht allein: „Studienplatzabbau und Stellenstreichungen sind die Konsequenz der verfehlten SPD-Politik. Allein die Universität streicht 54 Professorenstellen bis 2016 und 700 Studienplätze bis 2018. Das auch noch die BAföG-Millionen den Hochschulen vorenthalten werden, bringt das Fass zum Überlaufen. Hamburg braucht endlich ein Umsteuern in der Hochschulpolitik und das heißt: mehr Geld für Forschung und Lehre“, sagt etwa Katharina Fegebank, sozialpolitische Sprecherin der Grünen. Die Wissenschaftsbehörde beschwichtigt hingegen: Gebäude-Sanierungen seien vorgesehen, eine Neuverhandlung der Hochschulverträge möglich – allerdings erst im nächsten Haushaltsbeschluss. Das erklärte Phillipp-Sebastian Kühn (SPD) kürzlich im ausführlichen Mittendrin-Interview.
Derzeit scheint vor allem eines sicher: Eine einmalige Protestaktion war der „Sternmarsch“ am Dienstagnachmittag nicht. Der Streit um die Hochschulfinanzierung wird weitergehen – ebenso wie der Unibetrieb. Ob sich die Protestwelle auch ins neue Jahr tragen lässt, bleibt abzuwarten, denn im Januar beginnt für viele Studierende die nächste Klausurenphase.
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