Die Bürger haben sich gegen den Bau einer Seilbahn entschieden. Das ist ein wichtiges politisches Signal für Hamburg, findet Dominik Brück.
Die Idee einer Seilbahn von St. Pauli bis zum Musical-Theater im Hafen ist vom Tisch. Das haben die Bürger in Hamburg-Mitte mehrheitlich entschieden. Zum Thema selbst ist in den vergangenen Wochen viel gesagt worden, dass man jetzt nicht mehr wiederholen muss. Auch über das Ergebnis kann man sich nun freuen, oder sich halt darüber ärgern. Da möge jeder nach seiner Fasson selig werden, wie es so schön heißt. Das Bemerkenswerte an dem Bürgerentscheid zur Elbseilbahn ist aber die Signalwirkung, die von dem Verlauf des Verfahrens für Hamburg ausgehen könnte – eine Stärkung der Bezirkspolitik und der direkten Demokratie in der Hansestadt.
Macht die Bezirke stark
Die monatelange Debatte um das Für und Wider der Seilbahn hat deutlich gemacht, welche Bedeutung die Bezirke in Hamburg tatsächlich haben. Besonders die Rolle der Bezirkspolitik mit ihren Gremien ist vor dieser Diskussion immer wieder kleingeredet worden. Der Bürgerentscheid hat gezeigt, dass die ehrenamtlichen Bezirkspolitiker im Gegensatz zur vielfachen Wahrnehmung mehr leisten müssen, als über Kleingartenvereine und Schlaglöcher zu diskutieren. Die Kontroverse um die Seilbahn erregte in den vergangenen Wochen sogar in der überregionalen Presse Aufmerksamkeit und wurde auch außerhalb von Hamburg-Mitte heftig diskutiert. Das ist nicht neu: Auch andere Themen im Bezirk, wie der Abriss der Esso-Häuser und das Gefahrengebiet auf St. Pauli, wurden über die Grenzen der Hansestadt hinaus wahrgenommen. Was die Seilbahn-Entscheidung besonders macht, ist, dass das Verfahren im Gegensatz zu anderen viel beachteten Konflikten vollständig beim Bezirk und den Gremien der Bezirkspolitik lag.
Kurz gesagt: Ehrenamtliche Hobby-Politiker mussten über eine Frage entscheiden, die über Hamburg hinaus Bedeutung hat. Die Bezirksabgeordneten haben dabei bewiesen, dass sie solchen Aufgaben mehr als gewachsen sind. Die Chancen und Risiken des Seilbahn-Projektes wurden in der Bezirksversammlung und den Ausschüssen gründlich diskutiert, Alternativen aufgezeigt und nicht umsetzbare Pläne verworfen. Die Abgeordneten zeigten dabei in ihrer Freizeit nicht nur ein hohes Maß an Engagement, sondern auch eine große Fachkenntnis und Sachlichkeit in den Debatten. Schließlich sprach sich die Mehrheit der Politiker gegen das Vorhaben aus und informierte mit verschiedenen Kampagnen während des Bürgerentscheids über Argumente gegen die Seilbahn.
All das hat deutlich gemacht, dass die Bezirke und insbesondere die Bezirkspolitik in Hamburg einen hohen Stellenwert haben und hier Entscheidungen getroffen werden müssen, die mindestens eine stadtweite Bedeutung haben. Dass die Fähigkeiten vorhanden sind das demokratisch und mit viel Sachverstand umzusetzen, haben die Abgeordneten spätestens mit der Seilbahn-Debatte gezeigt. Die Konsequenz daraus kann nur lauten: Macht die Bezirke stark und gebt den Bezirksversammlungen die Kompetenzen vollwertiger Kommunalparlamente, über die das Gremium derzeit nicht verfügt. Mehr Unabhängigkeit der bezirklichen Entscheidungen vom Senat wäre ein großer Schritt die Demokratie vor Ort zu stärken und Politik in den Bezirken für die Bürger attraktiver zu machen – ein Gewinn für die Demokratie in Hamburg insgesamt.
Macht die Bürger stark
Von der Entscheidung über die Seilbahn kann auch noch ein zweites Signal ausgehen: Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind eine Bereicherung und keine Gefahr für den politischen Prozess. Befürchtungen der Bürgerentscheid könnte als „Konzernbegehren“ die Demokratie beschädigen, haben sich nicht bewahrheitet. Obwohl die Initiatoren des Bürgerentscheides fast 20.000 Euro investiert haben, um davon unter anderem die Unterschriftensammlung und Werbemittel zu finanzieren, und Bürger und Bezirk mit Freikarten und Spenden geködert werden sollten, haben sich die Wähler davon nicht beeinflussen lassen. Es ist der direkte Beweis, dass in einer Demokratie Geld eben doch nicht die Welt regiert. Die Bürger sind demnach nicht, wie Gegner einer starken direkten Demokratie behaupten, eine wankelmütige, emotionale und egoistische Masse, sondern wägen sehr wohl bei ihren Entscheidungen das Für und Wider ab. Das zeigt sich nicht zuletzt an dem großen Engagement, das eine Bürgerinitiative aufgebracht hat, um den Seilbahnbau zu verhindern. Der Bürgerentscheid ist daher auch eine Chance die Rolle der Bürgerbeteiligung durch direktdemokratische Verfahren in Hamburg neu zu diskutieren. Deshalb: Macht die Bürger stark.
Ein Wermutstropfen aber bleibt: Auch der viel diskutierte Bürgerentscheid konnte nur rund 24 Prozent der Wahlberechtigten zum Abstimmen bewegen. Hieran zeigt sich, dass in der Bevölkerung vielerorts noch Desinteresse oder mangelnde Information bei politischen Themen vorherrscht. Ein Problem, das durch starke Signale im Nachspiel der Seilbahn-Entscheidung angegangen werden kann.
Amrey
27. August 2014 at 16:28
Bei einem so großen Bezirk und einem so lokal verorteten Thema sind 24 Prozent gar nicht mal so schlecht. Da müssen ganz schön viele St. Paulianer_innen und Wilhelmsburger_innen den Arsch hoch bekommen haben! Ich finde es auch gut, viel in den Bezirken entscheiden zu lassen und dabei die Einwohner zu beteiligen. Das ist anstrengend aber Demokratie fördernd.
Angie
27. August 2014 at 17:49
wenn man bedenkt, welche Stadtteile alle zu Hamburg-Mitte gehören, nämlich Billbrook, Billstedt, Borgfelde, Finkenwerder, HafenCity, Hamburg-Altstadt, Hamm, Hammerbrook, Horn, Kleiner Grasbrook, Neustadt, Neuwerk (drei Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn vor Cuxhaven), Rothenburgsort, St. Georg, St. Pauli, Steinwerder, Veddel, Waltershof und Wilhelmsburg, finde ich die Beteiligung auch absolut enttäuschend. man musste echt nur einen Brief öffnen, ein Kreuz machen und einen portobefreiten Umschlag in den Kasten werfen, aber gut, das Ergebnis gefällt mir.
Chris
27. August 2014 at 18:48
Es ist nicht in Ordnung, Demokratie so zu missbrauchen. Der Versuch allein war brandgefährlich. Die Unternehmen dürfen einfach nicht hoffen, Bürgerentscheid für die Durchsetzung des eigenen Interessen instrumentalisieren zu können. Der Behördengang lässt sich einfach nicht vermeiden.
Gerd
27. August 2014 at 20:09
Sehr richtig!
Jutta
27. August 2014 at 22:59
Wenn man bedenkt, dass dies der erste Bürgerentscheid in Mitte war, und wenn man die leider sehr niedrige Wahlbeteiligung in Mitte kennt, dann sind die fast 25 % Beteiligung ganz so schlecht nicht. Vielleicht kann dieser Erfolg der Bürgerinnen ja dazu führen, dass sich zukünftig mehr an Wahlen und Bürgerbegehren / Bürgerentscheiden beteiligen. Zumindest diejenigen die gegen den Bau der Seilbahn gewesen sind haben erlebt, dass man gemeinsam etwas erreichen kann, auch wenn die Gegenseite finanziell sehr viel besser ausgerüstet ist und von einflussreichen Institutionen wie Handelskammer etc. un terstützt wird. In diesem Zusammenhang möchte ich doch den Chef von Hamburg Tourismus, Dietrich von Albedyll, zitieren: „Die Tourismusentwicklung muss immer in den Einklang mit den Interessen der Bürger gebracht werden.“ (HA 27.8.2014) Die Umsetzung dieser Erkenntnis, die in der Tourismusbranche für Hamburg doch eher neu ist, sollte zukünftig von den Bewohnerinnen des Bezirks, von allen Institutionen die mit Tourismus befasst sind, nachdrücklich eingefordert werden.
Franz
28. August 2014 at 14:14
@ Jutta: „Vielleicht kann dieser Erfolg der Bürgerinnen ja dazu führen, dass sich zukünftig mehr an Wahlen und Bürgerbegehren / Bürgerentscheiden beteiligen.“ –
Dazu würde ich einfach mal behaupten: Die Wahlbeteiligung wäre sicherlich höher gewesen, wenn die Parteien sich vollen Herzens bemüht und mehr im öffentlichen Raum plakatiert hätten mit eben dem Hinweis, dass da ein Bürgerentscheid läuft. – Nicht alle menschen konsumieren Medien und es waren auch noch Sommerferien bis zum 20. Ausgust 2014! Es ist schon ein großes Fragezeichen, warum die SPD nur in ein paar ganz wenigen Ortsteilen innerhalb von HH-Mitte natürlich medienwirksam ihre tasächlich winzigen Stellwände (mit der Kernaussage für den flüchtigen Betrachter: „Stop“, da gibt es eine „Seilbahn über die Elbe“ und die „SPD soll gewählt werden“… ) aufgestellt hat. Von den Grünen und die Linke gar keine Plakate.
Ein großes Lob an die Piraten, ohne deren sehr großen, ansprechenden und auch einleuchtend informativen Plakaten mit einer klaren Kernbotschaft hat in den vergangenen drei bis vier Wochen eigentlich kein Bürgerentscheid auf der Straße stattgefunden.
Gerd
31. August 2014 at 15:24
Das hat der smarte Herr Albedyll aber auch nur gesagt, als ihm bereits dämmerte, dass die INI PRO verlieren würde!
Hinrich
2. September 2014 at 18:10
Sicherlich, ein schöner Erfolg, allerdings finde ich die Sichtweise von Herrn Brueck dann doch etwas naiv. Wer in der Bezirkspolitik schon mal mitgemacht hat, weiß dass dort auch jede Menge unfähige Volltrottel rumlaufen, die sich selber gerne reden hören. Mal abgesehen davon werden wir in Deutschland komplett überwacht. Wie kann man da ernsthaft von Demokratie sprechen? Wir leben in keiner Demokratie. Wir leben in einem Staat, in dem faschistische Mörderbanden von den hiesigen und vermutlich auch ausländischen Geheimdiensten gesponsert werden – also mit Steuergeld. Schon vergessen? Wäre es anders, würde die Demokratie nicht durch einen vergleichsweise unwichtigen Volksentscheid gerettet. 20.000 Euro sind dann wohl einfach etwas wenig Geld gewesen, um sich diese Entscheidung auf diesem Wege zu kaufen, auch wenn ich diese Zahl kaum glauben kann, weil ich weiß was man normaler Weise für so eine Kampagne ausgeben muss. Und natürlich sind politische Entscheidungen in Deutschland käuflich. Allerdings haben Rüstungskonzene, Energieoligopolisten und Banken es gar nicht nötig, sich Volksentscheide zu kaufen, denn sie haben ja schon die Parteien in der Tasche.
Einwohner
15. September 2014 at 03:38
@Hinrich. Guter Kommentar. Das mit den Volltrotteln kann ich absolut bestätigen!!!!!! Solche Leute stimmen auch darüber ab, wer als Kandidat für die Bürgerschaft aufgestellt wird! Kaum ein Hamburger ahnt, welche Mauscheleien da abgehen!
Peter
18. September 2014 at 21:26
Schade, wäre bestimmt lustig gewesen!