Stadtteilkultur ist gefragt in Hamburg. Veranstaltungen in den Kulturzentren der Stadtteile sind meist gut besucht. Trotzdem ist die Situation der Stadtteilkultur heikel.
Eigentlich sind sich ja alle einig: Stadtteilkultur ist wichtig für Hamburg. Sie ermöglicht kulturelle und auch demokratische Teilhabe für alle Bürger. Ausnahmslos. Veranstaltungen oder Workshops sind bezahlbar und Kultur findet direkt vor der Haustür statt.
Stadtteilkultur wird also hoch geschätzt in Hamburg, von Bürgern und Politikern gleichermaßen. Die Nachfrage nach kulturellen Angeboten in den Stadtteilen und auch der Wunsch, selbst mitzugestalten, sind groß. „Aber die Situation ist im Moment prekär“, sagt Corinne Eichner. „Die Arbeit funktioniert kaum noch.“ Eichner ist Geschäftsführerin des Vereins Stadtkultur Hamburg, einem Dachverband für lokale Kultur und kulturelle Bildung. Der evaluiert derzeit den Bedarf seiner Mitglieder. Befragt wurden bislang 22 Zentren der Hamburger Stadtteilkultur, sechs stehen noch aus. Nach derzeitigem Stand fehlen fünf Millionen Euro, damit die Zentren vernünftig weiterarbeiten können. Um mit den im Moment vorhandenen Mitteln überhaupt weitermachen zu können, muss an Gehältern eingespart werden, Stunden der Mitarbeiter werden gekürzt, es gibt keinen Tarifausgleich und oft müssen Eintrittspreise erhöht werden. Gerade das widerspricht aber der Idee von Stadtteilkultur.
Mindestens zehn Prozent mehr sind notwendig
Der Anteil des Kulturhaushaltes am Gesamthaushalt in Hamburg beträgt zwei Prozent. Auf die Stadtteilkultur fallen davon insgesamt 5,8 Millionen Euro als Rahmenzuweisung – für 28 Stadtteilkulturzentren und 13 Geschichtswerkstätten. Das mag nach viel klingen. Langfristig sind laut Stadtkultur Hamburg aber mindestens zehn Prozent mehr an institutioneller Förderung nötig. Die wurde seit 2010 kaum erhöht, die Kosten wie Mieten oder Betriebskosten allerdings sind fast überall angestiegen. Gelder für die Programmarbeit müssen deshalb anderweitig, über Eigen- oder Drittmittel beschafft werden. Neu entstehende Initiativen haben kaum eine Chance, sich zu etablieren.
Der Geldmangel wird in vielen Zentren nur durch das Engagement der Mitarbeiter ausgeglichen. Wobei es auch an Personal mangelt. „Um die Zentren am Laufen zu halten, arbeiten die Mitarbeiter dann oft bis zur Selbstausbeutung“, sagt Eichner.
Die Entscheidungen fallen in der Bürgerschaft
Der Bezirk hat letztlich wenig Gestaltungsspielraum. Die Bezirksversammlung verteilt zwar die Rahmenzuweisung nach eigenem Ermessen. Was die Höhe derselben betrifft, hat sie allerdings kein Mitspracherecht. Bezirkspolitiker beschweren sich deshalb immer wieder, den Buhmann spielen zu müssen, indem sie die knappen Ressourcen verteilen. Dass manche Einrichtungen dabei zu kurz kommen, wird auf sie zurückgeführt. Dabei fallen die Entscheidungen über die Höhe der Rahmenzuweisungen auf Bürgerschaftsebene.
„Dass im Kulturbereich Gelder fehlen, ist ja kein seltenes Phänomen“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Hamburger Kulturbehörde. Und beruft sich auf die Schuldenbremse. „Der Kulturbehörde sind da die Hände gebunden.“ Eichner will dieses Argument jedoch nicht gelten lassen. „Wenn man sich nur darauf bezieht, ist aber gar keine Politik mehr möglich“, meint sie.
Die Aufgaben wachsen
Hamburg hat eine hohe Zuwanderungsrate. Dadurch wachsen auch die Aufgaben der Stadtteilkultur. Je vielfältiger die Stadtteile in ihrer Kultur sind, desto mehr Engagement ist erforderlich, um wirklich allen eine kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Denn das ist das Ziel von Stadtteilkultur. „Kultur für alle von allen“, lautet das Motto. Bei vielen Projekten funktioniert das. Zum Beispiel bei 48h Wilhelmsburg. Bei dem Festival treten in diesem Jahr 162 verschiedene Musiker und Bands der unterschiedlichsten Genres und Kulturen auf. Der ganze Stadtteil wird dabei zur Bühne und ist offen für alle. Eben weil das so gut funktioniert, erhielt das Projekt am 27. Mai den Hamburger Stadtteilkulturpreis.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden