Kultur

Gestern und heute: Erinnerungen an die Bücherverbrennungen in Hamburg

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Carolin Wendt

Redakteurin | Dipl.-Psychologin | wendt@hh-mittendrin.de | blog: http://lexy04.wordpress.com/

Wo heute Jung und Alt im größten Schwimmbad Hamburgs ihre Bahnen ziehen, verbrannten am 30. Mai 1933 Mitglieder der SS, der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel Werke ihnen unliebsamer Autoren.

Im Rahmen der Aktion „Wider den Undeutschen Geist“ wurde zuvor am 10. Mai auf dem Berliner Opernplatz und in fast allen Universitätsstädten des Dritten Reiches die Vernichtung von Werken jüdischer, marxistischer oder pazifistischer Autoren öffentlich inszeniert. Auf der „schwarzen Liste“ standen 131 Autoren wie Erich Kästner, Sigmund Freud und Karl Marx.

„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“

Weil die neu formierte Bürgerschaft in Hamburg am 10. Mai ins Amt eingeführt wurde, wurde die Verbrennung um fünf Tage verschoben. Am 15. Mai warfen dann am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel rund eintausend Studenten des SA-Sturmes 6/76, Angehörige schlagender Verbindungen und der Hochschulgruppe des Frontkämpferbundes Stahlhelm Bücher auf den Scheiterhaufen. Um 23 Uhr wurde der Scheiterhaufen angesteckt und über zweitausend Bücher verbrannten in seinen Flammen. Organisiert und geplant wurde die Aktion in Hamburg wie im gesamten Dritten Reich von der „Deutschen Studentenschaft“.

Da die erste Verbrennung zügig und mit wenig Publikum stattfand, beschloss die NSDAP-Führung, eine weitere in Hamburg-Mitte stattfinden zu lassen. Für deren Organisation und Durchführung war vor allem die Hitlerjugend verantwortlich. Die Aktion wurde am 30. Mai durchgeführt und begann mit einem Marsch über den Rathausmarkt, der damals Adolf-Hitler-Platz hieß, über Mönckebergstraße und Steindamm zum Lübeckertorfeld in St. Georg/Hohenfelde. Der Gauwirtschaftsberater Gustav Schlotterer hielt dort eine Rede, bevor die Bücher vor den Augen von über zweitausend Angehörigen der SS, Hitlerjungend und des Bund Deutscher Mädel in Anwesenheit von Partei-Prominenz ins Feuer geworfen wurden. Propagandaparolen wie „Gegen Frechheit und Anmaßung! Für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky!“ erfüllten an diesem Tag das Lübeckertorfeld in Hamburg-Mitte.

Heute schwimmen wir da, wo vor 81 Jahren Bücher brannten

Heute erinnert am ehemaligen Lübeckertorfeld nichts mehr an die Akteure und Geschehnisse vor 81 Jahren. Dort befinden sich die Alsterschwimmhalle und eine der verkehrsreichsten Kreuzungen in Hamburg. Der Platz am Kaiser-Friedrich-Ufer des Isebekkanals, an dem die erste Verbrennung stattfand, trägt den Namen “Platz der Bücherverbrennung”. Hinter einem Spielplatz befindet sich dort seit 1985 eine Mahnmalanlage mit vier Gendenktafeln. „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ steht auf einer dieser Tafeln. Es ist ein Zitat aus Heinrich Heines Tragödie „Almansor“ von 1821. Auf den anderen Mahntafeln befinden sich die Namen von Hamburger AutorInnen und deren Bücher. Der Herausgeber der „Weltbühne“, Carl von Ossietzky, ist einer von ihnen. Die meisten der Hamburger Autoren und ihre bis dahin erfolgreichen Werke aber verschwanden mit dem Beginn der Verbrennungen meist bis heute aus dem öffentlichen Bewusstsein in Deutschland. So zum Beispiel die der emigrierten Hamburger Juden Hans Reyersbach oder Grete Berges.

Veranstaltungen zum Gedenken an die Bücherverbrennungen in Hamburg

In diesem Jahr wird mit einer Marathonlesung am Donnerstag, 15. Mai, am Kaiser-Friedrich-Ufer in Eimsbüttel dem 81. Jahrestag der Bücherverbrennung gedacht. Organisiert wird die Veranstaltung jährlich vom Arbeitskreis „Bücherverbrennung – nie wieder!“. Jeder ist willkommen, Passagen aus selbst mitgebrachten oder aus vor Ort bereit liegenden Büchern, die auf der „schwarzen Liste“ von 1933 standen, vorzulesen.

Am Samstag, 10. Mai, findet ab 13 Uhr am Dammtor eine weitere Veranstaltung statt, die sowohl den verfolgten AutorInnen als auch den in Hamburg hingerichteten Wehrmachtsdeserteure gedenkt. Mit „Tanz den Klotz“ wird mit Musik, Kunst und Literatur für ein Deserteursdenkmal geworben. Unter anderem werden gegen 17 Uhr Autorinnen der Hamburger Gruppe der GEDOK (Gemeinschaft für Künstlerinnen und Kulturfreunde e.V.) aus Büchern, die auch in Hamburg verbrannt wurden, lesen.

Foto: Staro1 at the German language Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

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