Ein interner Bericht der Schulbehörde belegt: An einigen Hamburger Schulen gibt es ein Problem mit islamischen Fundamentalisten. Die Behörde sucht nach Lösungen – besonders um nicht pauschal jeden Muslim unter Verdacht zu stellen.
Von Steffi Hentschke und Maria Caroline Wölfle – zuerst erschienen in der taz vom 24.02.2014
Ties Rabe bemühte sich um Sachlichkeit. Der Schulsenator hatte am vergangenen Freitag zu einem Pressegespräch geladen, um über ein Thema aufzuklären, das seit Tagen in der Lokalpresse kursiert: Hamburger Schulen haben ein Problem mit muslimischen Fundamentalisten.
Auslöser war ein interner Bericht der Schulbehörde, den die Hamburger Morgenpost am Dienstag publik gemacht hatte. Wie ernst die Situation tatsächlich ist, wollte Rabe nun am Freitag erklären. Eine ausgearbeitete Strategie allerdings, das wurde schnell deutlich, gibt es bisher nicht. Rabe gestand: „Ich kenne auch nicht alle Begriffe.“
Lehrer sind verunsichert
„Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen“, heißt das Papier, das Rabe verteilt und in dem von „organisierten islamistischen Aktivitäten“ die Rede ist. Es geht um „aggressive verbale Konfrontationen“ gegenüber Lehrern und Mitschülern, um Eltern, die andere dazu auffordern, auf den Kleidungsstil der Töchter zu achten. Auf knapp fünf Seiten offenbart das Dokument, wie heikel die Situation auf Pausenhöfen und in Klassenzimmern ist.
Oft wüssten die Pädagogen nicht, wie sie mit dem „täglichen Kleinkrieg“ umgehen sollen, ohne dabei die Grenze der Religionsfreiheit zu überschreiten. Es sei einfach „unglaublich anstrengend“, wird eine Lehrerin zitiert. Fünf bis zehn Schulen sollen betroffen sein, am stärksten eine Stadtteilschule im Ortsteil Mümmelmannsberg.
Der Stadtteil liegt im Osten Hamburgs. Das Herz des Viertels ist die Ganztags-Stadtteilschule, ein riesiger orangefarbener Klotz, in dem 1.300 Schüler aus unterschiedlichsten Kulturen miteinander klarkommen müssen. Eine Herausforderung für die Lehrer. Der Schulleiter will sich zum Thema Islamisten nicht äußern.
Betroffene halten sich zurück
Die Betroffenen halten sich allgemein zurück. Auch die Leiterin eines Jugendzentrums im Viertel möchte lieber nichts sagen. Zu groß ist ihre Sorge, dass die Stimmung weiter angeheizt wird und Jugendliche sich provoziert fühlen.
Dass es viel Unsicherheit bei Lehrern und Sozialarbeitern gibt, ist auch Bernd Schmidt bewusst. Schmidt ist im Bezirksamt Hamburg-Mitte für die Jugendhilfe zuständig. Er hat einen engen Draht zu den Menschen vor Ort, auch zu denen in Mümmelmannsberg. Bereits seit einem Jahr gebe es entsprechende Rückmeldungen, sagt Schmidt. Eine Arbeitsgruppe versuche derzeit, Maßnahmen zu entwickeln. Wie soll etwa mit dem Wunsch nach einem Gebetsraum umgegangen werden? Wie mit einer Schülerin, die partout nicht ihren Gesichtsschleier abnehmen will? Diese Fragen gelte es zu klären. „Wir haben bisher noch keine kluge Antwort, wollen aber auch nicht vorschnell eine falsche liefern.“
Kein pauschaler Verdacht gegen Muslime
Tatsächlich ist bislang nicht einmal klar, welche Gruppen hinter den Aktionen stecken. In der Pressekonferenz am Freitag heißt es, dass es – anders als in dem internen Bericht der Behörde geschildert – nicht zwingend Salafisten sein müssten. Diese interpretieren die Regeln des Islam besonders streng, mit weitreichenden Bekleidungsregeln und strikter Geschlechtertrennung. Sie sind der Überzeugung, die „Ungläubigen“ missionieren zu müssen. Der Verfassungsschutz schätzt, dass es allein in Hamburg rund 200 Salafisten gibt.
Die Entwicklung ist nicht auf Hamburg beschränkt. Deshalb stehen Politik und Experten im Austausch mit anderen Bundesländern und suchen nach einer differenzierten Bewertung. Denn so ernst die Lage ist, ein pauschaler Verdacht gegen die Muslime in der Stadt soll vermieden werden. Das macht auch Schulsenator Rabe deutlich. Er sei stolz darauf, dass Schüler unterschiedlicher Kulturkreise zusammen lernen. „Das wird auch so bleiben.“
Foto: Jonas Walzberg
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