Jorim Gerrard forscht im Süden Afrikas mit Freunden und stellt sich die Frage: „Wo kommen die Flüchtlinge her?“ Ein Thema, das sich vom Kap der guten Hoffnung bis nach St. Pauli zieht.
Die Vorgeschichte ist wie ein aufregender Film: Da reist jemand mit seiner Familie im Jahre 2008 nach Südafrika, um dort zu arbeiten – in diesem Land, dass nach der Apartheit aufblüht. Der Hamburger Dieter Lünse leitet das Institut für Konfliktaustragung und Mediation, das auch in St. Georg zahlreiche Projekte angestoßen hat. Tausende Schüler hat er zu Streitschlichtern gecoacht und will im Land der ‚Versöhnung nach der Rassentrennung’ lernen, lehren und forschen.
Doch es kommt anders: In den bitterarmen Slums brechen im Jahre 2008 rassistische Unruhen aus. Einheimische Südafrikaner greifen Flüchtlinge an, die aus noch ärmeren oder von Krieg gezeichneten Nachbarländern wie Mosambik und Simbabwe kommen. Ein Schock für viele.
Eine Idee wird prominent
Wir sind im Jahre 2014: Der Sohn von Dieter Lünse, Jorim, ist inzwischen 20 Jahre alt und hat in Hamburg sein Abitur gemacht. Wie sein Vater war er seit August 2012 ein Jahr lang in Südafrika. Entsendet vom Zentrum für Mission und Ökumene hat er in Durban in einem Kindergarten gearbeitet, wo viele Flüchtlingskinder betreut werden. In der Lutherkirche vor Ort gibt es das „Refugee Migrant Ministry“ (Referat für Flüchtlinge und Migranten), dass helfen will, das Phänomen Fremdenfeindlichkeit zu begrenzen und zu überwinden. In diesem Referat baute Jorim mit dem Pastor Georg Meyer und dem Diakon Lungelo Msimang die Jugendarbeit auf, die sich seither regelmäßig trifft und Ideen zur Friedensbildung entwickelt und umsetzt.
Zwischen Südafrikanern und Flüchtlingen werden Diskussionen um dieses düstere Kapitel der Landesgeschichte und Fremdenangst im Allgemeinen organisiert. Dabei wurde die Idee geboren, die Jorim seitdem befeuert: den Weg der vielen Flüchtlinge zurückverfolgen, die sich nach Südafrika aufgemacht haben. Das für die Einheimischen unangenehme Thema wird so erfolgreich bearbeitet, dass das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die Jugendlichen ihre Vorträge und Workshops zum Anlass des internationalen Flüchtlingstags in Durban präsentieren lässt.
Gefunden: Weltbürger!
Nach Abschluss seiner Arbeit in Südafrika ist es dann soweit. Jorim reist mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter nach Johannesburg, Simbabwe, Mosambik und Malawi, um Stationen der innerafrikanischen Flüchtlingsbewegungen zu besuchen. Die Reise bringt schmerzhafte Erfahrungen, zeigt wie in Flüchtlingslagern Menschen von der Umwelt isoliert auf eine unsichere Zukunft warten müssen. Häufig treffen sie dennoch auf freundlich gesinnte Menschen, die sich freuen, dass man sich für sie interessiert. Besonders, da die kleine Gruppe sogar mit ihnen überlegt, wie Flüchtlinge mit ihren Fähigkeiten besser in die Gastgesellschaften integriert werden könnten. Als Ergebnis wollen sich die Reisenden fortan als Weltbürger verstehen, als Brüder und Schwestern derer, die weltweit auf der Flucht sind.
Ein Beispiel auf St. Pauli
Jorim Gerrard ist wieder in Hamburg, ebenso Refiloe Nyathikazis aus der Luthergemeinde in Durban, der hier in der Gemeinde St. Gertrud arbeiten will. Beide kennen sich und staunen gemeinsam darüber, was in Hamburg in der Kirche in St. Pauli passiert – eine Gemeinde und viele Nachbarn engagieren sich energisch und unorthodox für Flüchtlinge aus Lampedusa. Sie verstehen das jenseits parteipolitischer Standortbestimmung hauptsächlich als Bestätigung dafür, dass Menschen vielfach mutig und zuversichtlich solidarisch sein wollen und dass Angstdebatten angesichts tatsächlicher Flüchtlingszahlen in Deutschland eher unangebracht sind. Wie das Projekt in Afrika zeigt, können Menschen überall auf der Welt zueinanderfinden. In Mosambik, Südafrika und auch in Hamburg.
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