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Busbeschleunigung: 1,3 Millionen für 2 Minuten

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Am Dienstagabend wurde in St. Georg das Busbeschleunigungsprogramm in der Langen Reihe vorgestellt. Die AnwohnerInnen kritisieren zahlreiche Einzelaspekte und stellen den Sinn der teuren Planungen in Frage, in denen nicht alle VerkehrsteilnehmerInnen gleichermaßen beachtet werden.

259 Millionen Euro stehen für die Umsetzung des Busbeschleunigungsprogramms in ganz Hamburg zur Verfügung. 14 Millionen davon wurden bereits für die Maßnahmen auf der Metrobuslinie 5 ausgegeben. Aus einer Kleinen Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion an den Senat geht hervor, dass die bisher durchgeführten Einzelmaßnahmen zwar zu „spürbaren“, zunächst aber nur „punktuellen“ Veränderungen geführt hätten. Eine nennenswerte Beschleunigung der Buslinie ist bisher nicht zu verzeichnen. Allein die Umsetzung der Maßnahmen in der Langen Reihe sollen 1,3 Millionen Euro kosten – für eine Beschleunigung von voraussichtlich 2 Minuten.

„Die Metrobuslinie 6 ist die nachfragestärkste, aber auch die langsamste Buslinie“, sagt Christian Prima, Projektleiter des Busbeschleunigungsprogramms bei der Hochbahn. In Spitzenverkehrszeiten kämen die Busse nur auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 Stundenkilometern.  Außerdem sei ein stetiger Zuwachs an Fahrgästen zu verzeichnen, der trotz 3 bis 4 Minuten Taktung der Busse in Hauptverkehrszeiten ohne Beschleunigung zukünftig nicht mehr zu bewältigen sei.„Die Lange Reihe stellt hierbei einen der Hauptstörungspunkte der Linie dar“, so Prima weiter. Durch falsch geschaltete Lichtsignalanlagen, Parken in der zweiten Reihe, Entladevorgänge und blockierte Haltebuchten käme es immer wieder dazu, dass zwei oder sogar drei Busse hintereinander in der Langen Reihe im Stau stünden.

Aufgrund dieser Erkenntnisse sieht das Busbeschleunigungsprogramm eine Reihe von Eingriffen in die Verkehrsführung der Langen Reihe vor: Die bisher bestehenden Ampeln an der Baumeisterstraße, der Danzigerstraße und der Lohmühlenstraße sollen aufgehoben werden. An dieser Stelle sollen Mittelinseln, auch „Sprunginseln“ genannt, entstehen. „Vor der Haspa an der Baumeisterstraße wird auch jetzt schon oft bei rot die Straße überquert. Die Inseln sind sicherer, da man als Fußgänger zunächst erst nur eine Fahrrichtung beobachten muss“, so Michael Meyn von der Lehne Ingenieurgesellschaft, die mit der technischen Planung des Busbeschleunigungsprogramms betraut worden ist. Darüber hinaus sollen die Haltebuchten der Busse verschwinden. Der Ein- und Ausstieg soll direkt am Straßenverlauf stattfinden. Darüber hinaus soll dem Parken in zweiter Reihe und dem Be- und Entladen auf der Straße mit der Schaffung von Ladezonen entgegengewirkt werden, in denen ansonsten ein Halteverbot gelten soll. Die Radfahrer sollen außerdem auf die Straße geleitet werden. An der Lohmühlenstraße soll ein Kreisel den Verkehr beschleunigen.

Von Sprung- und Rettungsinseln

Die AnwohnerInnen kritisieren die Abschaffung der Fußgängerampeln an der Baumeisterstraße und der Danzigerstraße. Viele sind nicht davon überzeugt, dass die Inseln ein adäquater Ersatz für die Straßenüberquerung an einer Ampel sein können. Besonders die Sicherheit einer solchen Lösung für Kinder, ältere AnwohnerInnen und Menschen im Rollstuhl wird angezweifelt. „Ich bin nicht davon überzeugt,  dass es sicher ist, wenn meine Mutter im Rollator oder Rollstuhl an einer solchen Sprunginsel die Straße überqueren soll“, sagt Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung. Die St. GeorgerInnen verweisen auf die zahlreichen Einrichtungen für ältere Menschen, aber auch auf die Schulen und die vielen Familien im Stadtteil. „Das sind keine Sprung-, sondern vielmehr Rettungsinseln“, macht ein Anwohner deutlich. Auf den Vorschlag statt Mittelinseln an diesen Stellen doch einen Zebrastreifen einzurichten, gehen die Planer nicht konkret ein. „Umwege von ein paar hundert Metern müssen im Zweifel in Kauf genommen werden“, meint Michael Meyn. Auch die Sicherheit der Fahrradfahrer, die auf der Straße fahren sollen ist aus Sicht vieler AnwohnerInnen gefährdet, „Ich möchte nicht von der Metrobuslinie durch die Lange Reihe getrieben werden“, sagt ein Radfahrer.

 

Ein Stauprogramm für die Lange Reihe?

Nicht nur der Sicherheitsaspekt steht im Zentrum der Kritik: Auch fürchten die AnwohnerInnen, dass es sich eher um ein Stau- als um ein Beschleunigungsprogramm handelt. Oftmals stehen schon mehrere Busse hintereinander, bevor sie in die Lange Reihe einfahren, merken viele AnwohnerInnen an. Wenn die Fahrradfahrer auf der Straße fahren, sorge dies für einen weiteren Rückstau der Busse. „Seit langem versuchen wir die Lange Reihe zu entschleunigen. Wenn wir hier den öffentlichen Nahverkehr beschleunigen wollen, warum dann nicht raus mit dem Durchgangsverkehr aus der Langen Reihe?“, sagt Farid Müller, Bürgerschaftsabgeordneter der Grünen. Wenn kein Bus in der Nähe sei, würde das Programm automatisch auch den Autoverkehr beschleunigen und somit zum Rasen auf der Langen Reihe führen, kritisiert der Politiker weiter. Viele Anwesende befürchten einen Dauerstau auf der Langen Reihe, der zu zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen führt. Es sei an der Zeit endlich ernsthaft über die Einführung von Tempo 30 in der Langen Reihe zu sprechen, meint Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bezirksversammlung.

Die Gesamtplanungen des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) sowie der Hochbahn stoßen auf breite Kritik im Stadtteil. Sowohl der Einwohner- als auch der Bürgerverein St. Georg haben ihre umfassenden Anmerkungen in Stellungnahmen zusammengefasst. „Das hier ist Verkehrspolitik der 1970er Jahre, die nur die motorisierten Verkehrsteilnehmer im Blick hat, nicht aber alle beteiligten Akteure miteinschließt“, kritisiert ein Anwohner. Viele Bewohnerinnen St. Georgs und Mitglieder des Stadtteilbeirates ziehen außerdem in Zweifel, dass ihre Einwände nun noch in die Planungen mit einfließen. „Diese Anhörung hätte schon am 16. September 2013 im Stadtteilbeirat stattfinden sollen, nun werden wir erst im Januar über die Planungen informiert“, kritisiert Michael Schwarz, Mitglied des Einwohnervereins. Auch Helmut Voigtland, ehemaliger Vorsitzender des Bürgervereins St. Georg hinterfragt den Sinn der öffentlichen Anhörung: „Welchen Einfluss haben unsere Einwände überhaupt noch auf die Planungen oder ist das hier eine Alibiveranstaltung?“

„Wenn wir sagen, ’so geht das gar nicht‘, dann gehe ich davon aus, dass die Planungen so auch nicht umgesetzt werden“, ist sich Michael Ranft, Bezirksabgeordneter der SPD-Fraktion sicher. Die anwesenden Mitglieder des Verkehrsausschusses der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte würden die geäußerten Einwände mitnehmen und bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Tatsächlich soll die Beschleunigung der Metrobuslinie 6 jedoch schnell voranschreiten: „Die bisher angedachten Maßnahmen des Busbeschleunigungsprogramms sollen bis 2016 umgesetzt werden. Der Beginn der Umbaumaßnahmen in der Langen Reihe ist schon für 2014 vorgesehen“, sagt Roland Hansen, Projektleiter des Busbeschleunigungsprogramms beim LSBG. Am kommenden Montag befasst sich der Verkehrsausschuss erneut mit der Busbeschleunigung in der Langen Reihe und wird mit Hilfe der gesammelten Argumente der BewohnerInnen St. Georgs ein Votum über die Pläne abgeben. Hier in St. Georg ist das Stimmungsbild auch ohne eine Abstimmung eindeutig – eine vermeintliche Busbeschleunigung auf Kosten der Sicherheit will hier niemand.

Titelbild: Hamburger Verkehrsverbund

Kommentare anzeigen (4)

4 Kommentare

  1. Karsten

    15. Januar 2014 at 16:51

    Grundsätzlich sind Radler auf den Fahrbahnen deutlich sicherer unterwegs, als auf Radwegen. Aber gerade in engen Straßen, wie der Langen Reihe, besteht ein Dauerkonflikt mit Stadtbusslinien. Innerhalb von Ortskernen erreichen Radfahrer ungefähr die gleichen DURCHSCHNITTS-Geschwindigkeiten wie Stadtbusse. Nur setzten sich diese Durchschnittstempi unterschiedlich zusammen. Beim Bus sind da die Haltezeiten mit drin. Beim Fahren ist der Bus etwa doppelt so schnell, wie der Radler.
    Das heißt, daß der Bus denselben Radler unweigerlich mehrfach überholen muß, während der Radler mehrfach am haltenden Bus vorbeifährt.
    Gerade wenn auch der Radverkehrsanteil erhöht werden soll, müssen die Planer sich für für diesen Konflikt Lösungen einfallen lassen!

    • Michael

      16. Januar 2014 at 14:26

      Auch jetzt schon kann man sich als Radler vom Bus getrieben fühlen. Das wird durch die Planung nicht schlimmer, aber auch nicht besser. Da können sich die Planer nichts einfallen lassen. Die Lange Reihe ist nur so breit wie sie ist.
      Neu ist, dass der Radler nicht mehr am haltenden Bus (Gurlittstraße) vorbeifahren kann. Er muss jetzt wie die Autos stehen bleiben und warten bis alle aus- und eingestiegen sind. Das kennen alle Menschen aus den anderen Innenstädten mit Straßenbahnen und finden es völlig normal. Ich finde das ist den Hamburgern an e_i_n_e_r Stelle in St. Georg auch mal zuzumuten. Ich jedenfalls finde die Abschaffung der Haltebucht an dieser Stelle sehr sinnvoll. In der Logik der Planer ist es auch nachvollziehbar, dass dadurch nicht mehr Stau entsteht (wie in der Veranstaltung s.o.) von einigen befürchtet wurde sondern weniger. Der einzige notwendige Halt des Verkehrs zwischen Schmilinskystr. und Ernst-Merck-Str. ist im Plan der Bushalt an der Gurlittstr. Das ist sicherlich flüssiger als bisher. Das dadurch mehr Stau entstehen könne erscheint mir unlogisch.
      Anders ist ist die Frage der Sicherheit beim Überqueren der Langen Reihe zu beurteilen. Wenn man alle Ampeln lässt, sind es natürlich mehr Unterbrechungen für den Bus und den Verkehr. Die sollen mal wirklich prüfen, ob das nicht elektronisch so geregelt werden kann, dass die Ampel dem Bus immer Vorrang gibt. Mindestens müssten Zebrastreifen an geeigneten Stellen vorgesehen werden.

  2. Frank

    16. Januar 2014 at 12:09

    Danke Karsten. Das wollte ich auch gerade schreiben.

    Da gibt es für die Lange Reihe meiner Meinung nach nur die Lösung „Shared Space“ evtl. mit einer zusätzlichen Ampellösung für Kinder, alte Menschen und Geh- und Sehbehinderte. Auf jeden Fall braucht die Lange Reihe aber Tempo 30. Dadurch werden die Busse natürlich nicht schneller, sondern eher langsamer.

    Am besten wäre die lange Reihe allerdings Autofrei mit einer Straßenbahn.

  3. Pingback: Verkehrsausschuss: Freie Fahrt für die Busbeschleunigung in St. Georg | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

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