Ein altes Kraftwerk, eine Müllverbrennungsanlage, dazwischen weite Wiesen und Sumpfgebiete: Billbrook gilt als einer der weniger attraktiven Stadtteile in Hamburg-Mitte. Das soll sich nun ändern: StadtplanerInnen, KünstlerInnen und Kulturschaffende entdecken das ehemalige Arbeiterviertel neu und erarbeiten Nutzungskonzepte für die Zukunft.
Bunte Schrebergärten säumen das Ufer, auf dem Wasser treiben Hausboote, daneben haben AnwohnerInnen aus Holzlatten und alten Paletten kleine Stege gebaut. „Wer hier anlegt hat schon längst erkannt, wie schön der Stadtteil ist“, sagt Rolf Kellner beim Anblick der Szenerie am Billbrookkanal. Der Geschäftsführer des Stadtplanungsbüros „Über Normal Null“ kennt die Gegend gut: Als Kind habe er hier oft seinen Vater bei der Arbeit besucht, erzählt er. Damals wie heute wurde das Gelände überwiegend als Industrie- und Gewerbegebiet genutzt, auf sechs Quadratkilometern leben derzeit nur rund 1300 Menschen. Doch das Bild wandelt sich: „Viele der alten Fabriken sind heute geschlossen und die ländliche Idylle an der Bille kehrt zurück“, sagt Kellner. Um das große Potenzial des Stadtteils aufzuzeigen, hat der Stadtplaner Vertreter aus Kunst, Kultur, Medien und Wirtschaft zu einer gemeinsamen Barkassenfahrt eingeladen. Ihnen erklärt er nun die Vorzüge Billbrooks: Die zentrale und urbane Lage, das viele Wasser, die dörfliche Abgeschiedenheit. Der Kanal „Bille“ könne etwa wieder als Freizeitraum genutzt werden. In der Vor- und Nachkriegszeit hätten viele Hamburger das Gewässer zum Boot fahren und Angeln genutzt. „Der Ausblick auf die Billwerder Bucht kann mit dem Panorama an der Binnenalster locker mithalten“, so Kellner. Die vielen brachliegenden Flächen seien nun gerade vor dem Hintergrund der Wohnungsnot in Hamburg interessant: „Für eine wachsende Stadt muss neuer Wohnraum geschaffen werden – dafür bietet Billbrook gute Voraussetzungen“, sagt Kellner.
Dass die Gegend in der Hamburger Bevölkerung bisher einen eher negativen Ruf genießt, hat jedoch seine Gründe. Als großer Nachteil wird etwa die vergleichsweise schlechte Infrastruktur empfunden. So ist Billbrook zwar gut an das Autobahn-Netz angeschlossen, die Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr ist jedoch dürftig – nur wenige Buslinien durchziehen den Stadtteil und diese „fahren sehr unzuverlässig“, so Kellner. Um sich mit dem Nötigsten zu versorgen, müssen die Einwohner auf andere Stadtteile ausweichen. In ganz Billbrook gibt es keinen Supermarkt, Arzt oder Bäcker. Die große Isolation der Billbrooker kritisieren auch Kellner und sein Team – darüber hinaus fehle es an Kultur- und Freizeiteinrichtungen.
Die öffentliche Wahrnehmung des Stadtteils ist wohl auch auf Negativ-Schlagzeilen in der Lokalpresse zurückzuführen – insbesondere eine Asylbewerberunterkunft am Billstieg geriet dabei immer wieder in den Fokus. Rund 450 Menschen leben dort am Rande der Stadt unter tristen Bedingungen und außerhalb der Sichtweite der restlichen Nachbarschaft, ein Musterbeispiel missglückter Integration.
„Wohnen bleiben, das ist unsere Prämisse“, beschreibt Rolf Kellner die Intentionen der Stadtplaner. Zwar werde die geplante Aufwertung eines Stadtteils immer häufiger mit Begriffen wie Gentrifizierung und Verdrängung der ursprünglichen Einwohner verbunden – im Falle Billbrooks gehe es jedoch zunächst darum, dem Viertel eine Identität zurückzugeben und die Wohnqualität der bereits dort lebenden Menschen zu verbessern. Bisher wurden bereits einzelne Projektideen entwickelt, welches Modell schließlich umgesetzt werden kann, ist noch nicht sicher: Zunächst müssen Gespräche geführt werden, mit der Stadtentwicklungsbehörde, der Wirtschaftsbehörde, dem lokalen Gewerbeverein. Besonders die eigentliche Klientel soll nicht vergessen werden: „Der Austausch mit den Bewohnern ist uns wichtig – ohne echte Partizipation und Zustimmung der Bürger wollen wir keine Projekte umsetzen“, sagt Rolf Kellner.
Foto: flamenc (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Philipp Anz
23. Oktober 2013 at 14:55
Die Region Billbrook muss für als Wohnquartier erschlossen werden! – Dazu gehört auch an den Ufern der Bille abgeflachte Zonen f. Weichholzauen zu schaffen, die Bille generell zwischen Boberger Niederung und ihrer Mündung in die Elbe zu renaturieren, d. h. sie auch wieder richtig zum Fließen zu bringen, durch Entfernung von Schleusen, so dass auch der Wasserstand sinkt, dadurch Fläche f. eben Biotope, neue „Grüne Lungen“ für unser Hamburg entstehen können und so die Lebenqualität auch in Billbrook gesteigert wird! – Die alte AKN-Linie, mit z. B. Haltepunkt Billstedter Bahnhofsstieg/Rote Brücke, Boberg-Hawighorst nach Glinde wieder in Betrieb nehmen und ertüchtigen! – Um nur einige Beispiele zu nennen! –