Politik

„Fünf nach zwölf“ für die medizinische Versorgung in Mümmelmannsberg

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Donnerstag wurde dem Sanierungsbeirat Mümmelmannsberg von einer möglichen Schließung der stationären Behandlungsmöglichkeiten in der Praxisklinik des Stadtteils berichtet. Aus Sicht von vor Ort ansässigen Medizinern ist hiermit die medizinische Versorgung des Stadtteils gefährdet.

Mit Entsetzen haben am Donnerstag die Mitglieder des Sanierungsbeirates Mümmelmannsberg die Nachricht von der drohenden Schließung eines Teils der Praxisklinik im Stadtteil aufgenommen. Dr. Gerd Fass, der mit seiner chirurgischen Praxis seit acht Jahren in der Klinik ansässig ist, berichtete dem Beirat von dem bevorstehenden Aus für die stationäre Behandlung auf der Bettenstation des lokalen Krankenhauses. „Für die medizinische Versorgung in Mümmelmannsberg ist es bereits fünf nach zwölf“, prognostiziert Dr. Fass die Folgen der möglichen Einsparmaßnahmen durch den Betreiber, die Klinikgruppe Dr. Guth. Höchstens bis September 2014 soll die Station nach Informationen von Dr. Fass noch geöffnet bleiben. Aus Sicht des Mediziners könnte eine Schließung jedoch bereits im März 2014 erfolgen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Praxisklinik für den Stadtteil sprach sich der Sanierungsbeirat in einer sofortigen Empfehlung an die Bezirksversammlung und die Senatskommission für einen Erhalt der Klinik in ihrer bisherigen Form aus.

Die Praxisklinik stellt seit rund 35 Jahren die medizinische Versorgung für die Bevölkerung von Mümmelmannsberg und des gesamten Stadtteils Billstedt sicher. Insgesamt leben im Einzugsgebiet des Krankenhauses rund 70. 000 Menschen. Die Patienten profitieren dabei von der besonderen Organisationsform der medizinischen Einrichtung. Fast alle ärztlichen Fachrichtungen sind vor Ort vertreten. Von der Chirurgie bis zur Radiologie kann die Behandlung der Patienten in ein und demselben Gebäude erfolgen. Die Ärzte sind dabei keine Angestellten des Krankenhauses, sondern haben ihre Räumlichkeiten von der Klinikgruppe, die Eigentümer der Immobilie ist, gemietet und kooperieren bei der Versorgung der Patienten. Auch die Bettenstation wird von allen Ärzten genutzt, um ihre Patienten unterzubringen. „Ich halte die Praxisklinik für ein geniales Konzept, das unbedingt erhalten werden sollte“, sagt Dr. Fass. Der Mediziner sieht die geplante Schließung der Bettenstation als Bedrohung der medizinischen Versorgung des Stadtteils. Derzeit können in der Klinik 30 Patienten stationär behandelt werden. Dies schließt auch die Nachsorge im Anschluss an Operationen ein, die derzeit in der Klinik durchgeführt werden können. „Ich bin Chirurg und daher darauf angewiesen operieren zu können“, sagt Dr. Fass. Er und andere Ärzte der Klinik fürchten, dass viele Praxen nach einer Schließung der Bettenstation ihren Betrieb nicht länger aufrecht erhalten können und den Stadtteil verlassen müssen. „Wir könnten höchstens noch die Diagnose stellen und müssten dann viele Patienten in andere Krankenhäuser zur Weiterbehandlung schicken. Das ist eine medizinische Katastrophe“, sagt Dr. Fass. Für die Mediziner bedeutet dies auch eine zusätzliche finanzielle Unsicherheit. „Als Arzt ist man auch nicht so wohlhabend, wie viele immer denken. Ohne die Bettenstation wird es schwierig dort zu überleben“, sagt Dr. Fass.

Auch für das Pflegepersonal der Bettenstation steigt mit der drohenden Schließung die berufliche und finanzielle Unsicherheit. Die Wenigsten haben einen Vertrag, der eine soziale Absicherung bietet und stehen nach der Schließung ihrer Station vor der Arbeitslosigkeit. „Fast täglich habe ich weinende MitarbeiterInnen in meiner Praxis“, sagt Dr. Fass. Für die Klinikgruppe seien ökonomische Beweggründe der Grund für die Schließung. „Hier werden finanzielle Gesichtspunkte vor das Wohl der Patienten gestellt“, sagt Dr. Fass weiter. Die Gesundheitsbehörde sieht die geplante Schließung der Station als unproblematisch an. „Hier entsteht kein Versorgungsproblem, da andere Krankenhäuser in der Nähe liegen“, sagt Rico Schmidt, Pressesprecher der Gesundheitsbehörde. Die Bettenzahl der Station sei zu gering, um einen Versorgungsengpass zu erzeugen. Auch das Schicksal der ÄrztInnen in Mümmelmannsberg ist für die Behörde kein Thema. „Die Situation ist für die Ärzte zwar unglücklich, jedoch müssen sie mit der Klinikgruppe sprechen und nicht mit der Behörde“, sagt Schmidt.

Für die AnwohnerInnen in Mümmelmannsberg würden die Schließung der Bettenstation und der mögliche Wegzug vieler Fachärzte große Auswirkungen haben. Der gesamte Stadtteil profitiert derzeit von der guten Versorgung in unmittelbarer Nachbarschaft. Die Schulen, Kindertagesstätten und Altenpflegeeinrichtungen im Stadtteil schätzen die schnelle Hilfe in Notfällen durch die nahe Klinik. Zukünftig müssen die AnwohnerInnen dann längere Fahrten bei Notfällen und bei Facharztbesuchen oder längeren Krankenhausaufenthalten in Kauf nehmen. Die nächsten Krankenhäuser in Marienthal und Bergedorf sind jeweils rund 10 Kilometer entfernt. Dieser Umstand ist nicht nur für ältere Menschen eine zusätzliche Belastung, auch die SchülerInnen im Stadtteil müssten bei großen und kleinen Unfällen mit dem Krankenwagen in die weiter entfernten Kliniken transportiert werden. Zudem bedeutet der mögliche Wegzug vieler ÄrztInnen den Verlust von langjährigen Vertrauensbeziehungen zwischen Arzt und Patienten.

Die Klinikgruppe Dr. Guth wollte eine bevorstehende Schließung der Bettenstation gegenüber Mittendrin nicht bestätigen. „Wir befassen uns derzeit mit dieser Angelegenheit und sind noch zu keiner Entscheidung gekommen“, sagt Denise Kley, Leiterin Marketing und PR bei der Klinikgruppe.

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