Am Donnerstag hat die Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ sich in einem offenen Brief an den Senat gewandt. In dem Schreiben schlagen die Flüchtlinge, die seit Mitte April auf der Straße leben müssen, dem Senat vor ihren Aufenthalt aus humanitären Gründen zu erlauben. Rechtlich ist dies möglich – einzig der politische Wille ist für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch nötig.
Der 20. Juni ist seit dem Jahr 2000 offiziell der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen. Vor diesem Hintergrund wenden sich am Donnerstag die Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ erneut an die Öffentlichkeit. In einer Schweigeminute wird allen Menschen gedacht, die als Flüchtlinge vor Unterdrückung und Verfolgung oder auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen umgekommen sind. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Jahr 2012 alleine an den Außengrenzen der Europäischen Union, die von der Grenzschutzagentur FRONTEX streng überwacht werden, 180 Menschen ums Leben gekommen sind. Die tatsächliche Zahl der Toten liegt jedoch wahrscheinlich wesentlich höher. Die Flüchtlinge, die seit Mitte April in Hamburg auf der Straße leben müssen, haben es jedoch geschafft die Flucht zu überleben. Seit Wochen machen sie mit zahlreichen Protestaktionen auf ihre Lage aufmerksam, da ihnen die Ausweisung zurück in das Erstaufnahmeland Italien droht. Ein Gutachten der Organisation „borderline-europe“ kommt jedoch zu dem Schluss, dass Italien derzeit die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge nicht garantieren kann.
„Die Verhältnisse für Flüchtlinge in Italien sind dramatisch“, sagt Rechtsanwältin Daniela Hödl. „Deutsche Gerichte untersagen inzwischen die Rücküberstellung von Flüchtlingen nach Italien, da die europäischen Standards für Flüchtlinge dort nicht gewährleistet werden können“, so Hödl weiter. Der Senat hatte bisher stets auf die geltende Rechtslage verwiesen und eine Rückführung der Flüchtlinge gemäß der europäischen Vereinbarung Dublin-II gefordert. Aufgrund der Zustände in Italien sieht die Anwältin die Möglichkeit der Flüchtlingsgruppe auf Grundlage des Paragraph 23 Aufenthaltsgesetz zu gestatten in Hamburg zu bleiben. Dort heißt sinngemäß, dass der Senat aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen kann. „Der Verbleib der Flüchtlinge in Hamburg ist eine rein politische Entscheidung. Rein rechtlich ist eine Aufenthaltsgenehmigung möglich, da der Flüchtlingsschutz in Italien derzeit nicht gegeben ist“, sagt Hödl. Ralf Lourenco von der Flüchtlingsinitiative Karawane ergänzt: „Der Senat kann jetzt handeln und zwar so, wie es die Hamburger BürgerInnen und Bürger wollen“.
Den Flüchtlingen in ihrem Infozelt am Steindamm sieht man die Strapazen der vergangenen Wochen an. „Wir sind normale Menschen und wollen einfach nur ein normales Leben führen können“, sagt Affo Tchassei, Sprecher der Flüchtlingsgruppe. „Es ist heuchlerisch von der Politik, ständig von Menschenrechten zu reden und diese den Flüchtlingen hier dann zu verweigern“, so Tchassei weiter. Ein Sprecher der zuständigen Behörde oder des Senats war am Donnerstag nicht für einen Kommentar zu erreichen. Es bleibt daher abzuwarten, ob die regierende SPD den Vorschlag der Flüchtlinge aufgreifen wird. „Nicht die BürgerInnen dieser Stadt verwehren uns unsere Rechte, sondern die Politiker. Die Welt schaut inzwischen auf Hamburg. Der Senat kann sich daher nicht länger seiner Verantwortung entziehen und muss eine Lösung finden, die uns ein Leben in Würde ermöglicht“, sagt Asuquo Udo von der Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“.
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