Am Montag veröffentlichte die „Initiative Esso-Häuser“ ein Manifest, in dem der Erhalt der vom Abriss bedrohten Gebäude auf St. Pauli gefordert wird. Bereits 125 prominente VertreterInnen aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft haben das Dokument unterzeichnet.
Zu den ErstunterzeichnerInnen gehören neben den Musikern Udo Lindenberg und Jan Delay auch die Professorin Ingrid Breckner, Stadtsoziologin an der HafenCity-Universität und Muck Petzet, Generalkommissar für den deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale 2012. Die Autoren des Manifests gehen davon aus, dass bald weitere UnterstützerInnen folgen werden. Auf der heute gestarteten Homepage der Aktion kann das Manifest unterzeichnet werden. „Das Manifest soll die politischen Kosten eines Abrisses in die Höhe treiben“, sagt Christoph Twickel vom Netzwerk Recht auf Stadt.
Der Eigentümer der 1961 erbauten Esso-Häuser, die Bayrische Hausbau, plant die Gebäude abzureißen und durch einen profitableren Neubau zu ersetzen. Die MieterInnen befürchten sich die neuen Wohnungen nicht mehr leisten zu können. Die Sanierung der Gebäude war durch den Eigentümer jahrelang vernachlässigt worden. „Das Unternehmen ist zur Instandhaltung verpflichtet, tut jedoch alles um den Abriss zu erreichen“, sagt Andreas Hofstetter, der seit 25 Jahren in den Esso-Häusern lebt. Letztlich ist die Entscheidung über Erhalt oder Abriss der Esso-Häuser eine politische. Für den geplanten Neubau müsste der aktuelle Bebauungsplan geändert werden. „Die Politik muss hier aktiv zustimmen, damit die Pläne der Bayrischen Hausbau umgesetzt werden können“, sagt Steffen Jörg von der GWA St. Pauli. Das Manifest nennt das klare Ziel die Gebäude im Sinne der BewohnerInnen zu sanieren. Dies sei nicht nur sozial, sondern auch aus Sicht der Klimabilanz verträglicher als ein Neubau, dessen Energieverbrauch durch Abriss und Entsorgung wesentlich höher läge als bei einer Sanierung. Die Sanierungsabsichten orientieren sich dabei an der Tour Bois le Prêtre im Norden von Paris, der mit den Esso-Häusern vergleichbar sei. „Bei der mit der Bewohnerschaft abgestimmten Sanierung hat man dort für den Preis einer neuen Wohnung drei alte technisch und energetisch auf den heutigen Stand gebracht“, schreiben die Verfasser des Manifestes. Dies sei möglich gewesen ohne dass eine Person umziehen musste.
Ein Abriss würde auch das Ende für berühmte Kiez-Clubs, wie Molotow und Planet Pauli bedeuten. „Mit dem Abriss wäre ein Stück architektonischer und sozialer Kiez-Identität Geschichte“, heißt es in dem Manifest. „Hier ist viel erfunden worden, das Hamburg als Musikstadt groß gemacht hat“, sagt Christoph Twickel. So wurde das Molotow erst kürzlich zu Hamburgs bestem Live-Musikclub gekürt. Architektin und Unterzeichnerin Hille Krause ist überzeugt, dass die Identität St. Paulis erhalten werden kann und muss. „Die Stadtteile sollen nicht gesichtslos und gewachsene Nachbarschaften nicht zerstört werden“, sagt Krause. In dem Manifest wird besonders die einzigartige Verbindung von günstigem Wohnraum mit Läden und Kneipen in direkter Umgebung als Nachbarschaftskonzept hervorgehoben, das für die BewohnerInnen der Esso-Häuser heute besser denn je funktioniere. „Hinter der Fassade verbirgt sich ein maßgeschneidertes Konzept. Es muss in einer Großstadt nicht alles gleich aussehen“, sagt die Bewohnerin Nabila Attar.
Ende der Woche soll ein vom Bezirk Hamburg-Mitte in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht werden, das prüft, ob ein Erhalt der Esso-Häuser möglich ist. Mit dem Ergebnis geht der seit 2009 andauernde Kampf um das Kiez-Ensemble dann in die nächste Runde.
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