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Mit(t)geschrieben: „Für Kritik ist an anderer Stelle Zeit“

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Sonnabend redete Verteidigungsminister Thomas de Maiziére anlässlich des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentages im Hamburger Michel. Während der Rede kam es zu zahlreichen Protestaktionen. Die Veranstalter des Kirchentages versuchten jedoch diese zu unterbinden. Mittendrin-Redakteur Dominik Brück hat mit(t)geschrieben und sich seine Gedanken gemacht.

Der Auftritt von Verteidigungsminister Thomas de Maiziére auf dem 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag am vergangenen Sonnabend ist gut besucht. Trotz der frühen Uhrzeit bleiben nur wenige Plätze auf den Kirchenbänken im Hamburger Michel unbesetzt. Nicht jeder Besucher ist gekommen, um im Rahmen der angekündigten Bibelarbeit die Interpretation der „Speisung der 5000“ des Verteidigungsministers zu hören. Einige haben sich eingefunden, um ihrem Protest gegen die Militärpolitik von Thomas de Maiziére Ausdruck zu verleihen. Bereits vor dem Einlass hat sich eine kleine Gruppe vor der Kirche versammelt. „Militärseelsorge abschaffen“ steht auf einem Transparent, dass sie in die Höhe halten. Aus Sicht der „Ökumenischen Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“ stellt der Einsatz von Geistlichen in der Bundeswehr eine moralische Legitimation von Kriegseinsätzen durch die Kirche dar. Gegen diesen „Segen für das Militär“ wenden sich die Angehörigen der Initiative und fordern ein klares Bekenntnis der Kirche zu Frieden und Gewaltverzicht. „Wir wissen nicht, ob wir heute mit unserem Transparent teilnehmen können. Das müssen wir erst klären“, sagt ein Mitglied der Initiative. Nach dem Beginn der Veranstaltung ist das Transparent nicht mehr zu sehen. Dafür entrollen, gleich nachdem der Verteidigungsminister zu sprechen begonnen hat, andere AktivistInnen Transparente, Fahnen und Plakate. „Bundeswehr abschaffen“ oder „Pace“ (Frieden) ist auf diesen zu lesen. Nach wenigen Worten des Ministers erheben sich einige AktivistInnen von Occupy Hamburg. Gemeinsam stimmen sie ein selbst geschriebenes Lied gegen den Einsatz von bewaffneten Drohnen durch die Bundeswehr an. Verteidigungsminister de Maiziére spricht sich ausdrücklich für die Anschaffung von Kampfdrohnen aus. Die unbemannten Fluggeräte können mit Luft-Boden Raketen ausgestattet werden. Aus hunderten Kilometer Entfernung kann dann der Abschuss der tödlichen Fracht ausgelöst werden, ohne dass der Bediener selbst gefährdet wird. Das Töten von Menschen erfordert so nicht mehr als einen Knopfdruck. Beim Einsatz von Drohnen ist es bereits mehrfach zu irrtümlichem Beschuss von Zivilisten gekommen, da der bedienende Soldat sein Ziel nur durch Kamerabilder sieht.

 

Mit lauter Stimme singen die AktivistInnen ihr Lied „Herr der Drohnen“ von „Halleluja“. Flugblätter werden von der Empore geworfen. Den Veranstaltern des Kirchentages passt das nicht. Der Gesang wird unterbrochen. Pfadfinder geleiten zunächst die singenden Occupy-AktivistInnen, dann jeden der ein kritisches Plakat hält aus der Kirche. Dabei werden die AktivistInnen durch die Pfadfinder auch an den Armen festgehalten. Eine Pressesprecherin des Kirchentages erklärt später: „Es wurden einzelne Störer hinaus diskutiert“. Auch im Hamburger Michel wendet sich ein Vertreter des Kirchentages gegen die Protestaktionen: „Heute wollen wir eine Bibelarbeit machen. Für ihre Kritik ist an anderer Stelle Zeit“. So einfach ist der Sachverhalt allerdings nicht. Es stimmt, dass die Veranstaltung als Bibelarbeit angekündigt wurde. Thomas de Maiziére redet dann auch eine gute Stunde über seine Interpretation einer Geschichte aus dem Neuen Testament. Dennoch ist der Auftritt des Verteidigungsministers hochpolitisch. De Maiziére ist Berufspolitiker und Minister der Regierung. Eine Trennung in den politischen und den privaten Menschen ist bei Auftritten in der Öffentlichkeit nicht möglich. Hier redet somit nicht der gläubige Christ Thomas de Maiziére über seine liebste Bibelstelle. Stattdessen sendet der Verteidigungsminister und CDU-Politiker Thomas de Maiziére eine Botschaft an seine WählerInnen. Zum einen will der Minister sein konservativ-christliches Wählerklientel von seiner Bibelfestigkeit überzeugen. Die Rede von de Maiziére ist darauf ausgerichtet an vielen Stellen das fundierte und umfassende Bibelwissen des Ministers zu belegen. Zum anderen enthält die Bibelinterpretation des Verteidigungsministers verschiedene Vergleiche mit aktuellen politischen Themen, unter anderem der Wirtschafts- und Finanzkrise und der Entwicklungspolitik. Hier wird eine klare politische Botschaft vermittelt. Kritik kann und darf daher nicht unter dem Deckmantel einer Bibelarbeit des Kirchentages ausgeschlossen werden. Kritik ist umso wichtiger, da hier der Verteidigungsminister zu einer Zeit spricht, in der das westliche Engagement in Afghanistan bereits über 3000 Tote Soldaten gefordert hat. Die Zahl der zivilen Opfer und der Widerstandskämpfer kann nicht genau beziffert werden. Gerade vor dem Hintergrund des geplanten Drohnenkaufes müssen kritische Stimmen sichtbar und hörbar sein. Den Organisatoren des Kirchentages scheint diese Kritik jedoch ein Dorn im Auge zu sein. Die Gründe hierfür mögen in der Mitgliedschaft des Verteidigungsministers im Präsidium des Kirchentages liegen.

 

Zum Abschluss der Veranstaltung stimmt de Maiziére das Lied „Dona nobis pacem“ (Schenke uns Frieden) an. Als Zeichen des Protestes hatte ein Aktivist dieses die gesamte Rede über leise auf dem Boden sitzend gesungen, da die Veranstalter ihm zuvor seinen Stuhl weggenommen hatten. Der Minister will mit dem Lied scheinbar ausdrücken, dass er den Protest während der Veranstaltung ernst nimmt und darauf eingeht. Als die Klänge des Liedes durch den Michel schallen, ist dies jedoch ein kleiner Sieg für alle AktivistInnen, die zuvor hinausgeleitet worden waren. Nichts anderes als den Frieden hatten sie mit ihrem Protest gefordert.

Anmerkung: Der Autor war neun Jahre Offizier der Bundeswehr. 2012 verweigerte er aus Gewissensgründen den Kriegsdienst vor Ende seiner Verpflichtungszeit.

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Eva Politt

    8. Mai 2013 at 22:44

    Danke, Dominik, für deinen tollen Bericht!
    Das tut sehr gut, von diesen Protesten so ausführlich zu erfahren.
    Schon sehr denkwürdig, dass die Kirche Menschen aus der Kirche entfernen lässt, die “dona nobis pacem„ singen!

  2. Pingback: Friedens-Newsletter Hannover Juni 2013 | Friedensbüro Hannover

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