Bereits seit einigen Wochen ist die geplante öffentliche Unterbringung von Flüchtlingen in der alten Schule am Oststeinbeker Weg in Billstedt Streitthema. Insbesondere die SPD sprach sich im Hauptausschuss der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gegen eine weitere Unterbringung von Flüchtlingen in Billstedt aus. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration hält weiter an der geplanten Unterbringung fest.
„Der Bezirk Hamburg-Mitte steht mit allen seinen Möglichkeiten solidarisch zur gesamtstädtischen Aufgabe, allen hilfesuchenden Menschen eine menschenwürdige Unterkunft zu beschaffen“, heißt es in einer Stellungnahme der Bezirksversammlung vom 3. Dezember 2012. Damit reagierte der Bezirk auf die Pläne der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), die vorsehen in der alten Schule am Oststeinbeker Weg 29 in Billstedt eine Flüchtlingsunterbringung einzurichten.
Im Weiteren wird in der Stellungnahme betont, dass der Bezirk Hamburg-Mitte bereits mehr als 22 Prozent der gesamtstädtischen Platzzahl der öffentlichen Unterbringung in Hamburg zur Verfügung stelle. Insbesondere wird in der Stellungnahme darauf hingewiesen, dass gerade der Stadtteil Billstedt schon durch die Flüchtlingseinrichtungen am Mattkamp und am Billstieg mit insgesamt 837 Plätzen eine besondere Solidarität zeige. Die Fläche am Oststeinbeker Weg 29 werde überdies von der Bezirksversammlung weiterhin als eine für den Wohnungsbau vorgesehene Fläche angesehen. Das zentrale Argument von einer Unterbringung von Flüchtlingen in der Schule abzusehen wird wie folgt formuliert: „Die Lage des Schulgrundstücks im Stadtteil – unter anderem die sich dort unmittelbar befindende Einfamilienhausbebauung – lässt eine Unterbringung nicht zu.“
Auf diese Stellungnahme reagierte die BASFI noch vor dem Jahreswechsel. Die vom Bezirk vorgebrachten Argumente hält die Behörde nicht für auschlaggebend. Es werde weiterhin an der geplanten Unterbringung in Billstedt festgehalten. Insbesondere betonte Staatsrat Jan Pörksen, dass die Lage des Grundstücks kein Argument gegen die Unterbringung sein kann: „Auch kann die unmittelbare Nähe zur anschließenden Einfamilienhausbebauung kein Hinderungsgrund für die beabsichtigte übergangsweise Nutzung sein und stellt kein Ausschlusskriterium dar.“ Weiterhin sei eine Beeinträchtigung der angrenzenden Einfamilienhäuser über das Maß des vorherigen Schulbetriebs hinaus nicht zu erwarten. „Die zuständigen Behörden teilen durchaus die Zielsetzung eine möglichst ausgeglichene Unterbringung in unterschiedlichen Stadtteilen zu gewährleisten“, so Pörksen. Aufgrund der dringend benötigten Plätze sowie dem Mangel an angemessenen Flächen, sei es jedoch nicht möglich von der Unterbringung in Billstedt abzusehen.
Die SPD will im Regionalausschuss Billstedt am Dienstag die öffentliche Unterbringung erneut thematisieren. In dem Antrag „Öffentliche Unterbringung Oststeinbeker Weg sozialverträglich ausgestalten“ wird die Auswahl des Geländes wiederholt kritisiert: „Das Schulgelände am Oststeinbeker Weg, das jetzt für weitere Plätze vorgesehen ist, erscheint aus vielerlei Gründen, insbesondere wegen seiner Lage inmitten eines Einfamilienhausgebiets, der vorgesehenen Bebauung des Grundstücks und der jetzt noch dort ausgeübten sozialen Nutzungen alles andere als ideal für eine Unterbringung. Eine gleichermaßen verfügbare Alternativfläche wurde jedoch nicht gefunden“, sagt Kerstin Gröhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bezirksfraktion. Darüber hinaus fordert die SPD, dass auf dem Gelände vorrangig Familien und Kinder untergebracht werden sollen. Weiterhin dürfe der geplante Wohnungsbau auf dem Schulgrundstück durch die Flüchtlingsunterbringung nicht verzögert werden. Die BASFI soll dem Regionalausschuss Billstedt im Februar über die genauen Planungen hinsichtlich der Belegung und des Sozialkonzeptes berichten.
„Wir haben immer ein offenes Ohr für die schwächeren und Hilfsbedürftigen. Doch in diesem Fall ist der Stadtteil das Opfer. Wir haben unseren Beitrag für Asylsuchende und Flüchtlinge in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich geleistet. Es geht ums das Prinzip und um Solidarität“, so Murat Gözay, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen in Hamburg-Mitte. Carsten Rohde, Bezirksabgeordneter der CDU begründet die Ablehnung einer weiteren Unterbringung in Billstedt anders: „Wir haben uns in der Vergangenheit bereits intensiv mit den Zuständen in den Einrichtungen Mattkamp und Billstieg befasst. Der SPD-Senat ist hier nicht in der Lage, menschenwürdige Bedingungen zu schaffen. Ausgerechnet Billstedt soll nun noch weiter belastet werden. Wir fordern von dem Senat eine gerechtere Verteilung der Einrichtungen in der Stadt und eine Berücksichtigung der Sozialindikatoren der Stadtteile.“
Ganz anders beurteilt die Fraktion der Piraten die Situation: „Wir lehnen Massenunterbringung ab, weil sie menschenunwürdig ist. Das äußerste Extrem in Hamburg stellt das Isolationslager in Horst dar. Die Ablehnung von Unterbringungsstandorden ist von anderer Seite aber oft von fremdenfeindlichen Vorurteilen geprägt und folgt dem „Hauptsache nicht vor meiner Tür“-Prinzip“, so Michael Büker, Bezirksabgeordneter der Piraten. „Insbesondere sind Gebäude in bewohnten Gebieten immer abgelegenen Container- und Zeltstädten vorzuziehen“, so Büker weiter. Auch von anderen Stellen wird die dezentrale Unterbringung begrüßt. „Wir fordern die Abschaffung der Massenlager. Flüchtlinge sollen frei bestimmt mit uns wohnen. Dafür muss Hamburg dezentrale Unterbringungen umsetzen. Flüchtlinge dürfen nicht an den Rand von Städten verdrängt werden“, sagt Franz Forsmann, vom Flüchtlingsrat Hamburg bei einer Kundgebung gegen Winterabschiebungen am vergangenen Freitag am Hauptbahnhof. Anwesend waren auch zahlreiche Flüchtlinge, die Zustände im Lager Horst scharf kritisierten.
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