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Theater: „Der jüngste Tag“

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Zwischen Schuld und Unschuld, Lüge und Wahrheit, Selbstbetrug und Verrat. Wie sehr müssen wir uns selbst belügen um zu überleben? Wie weit können wir uns von uns selbst entfernen? Ist unser Ich böse oder gut? Es sind grundlegende Fragen des menschlichen Daseins, die „Der jüngste Tag“ von Ödon von Horvarth bei den Zuschauern des Theaterstücks hervorruft. Bühnenregisseur Lars Ceglecki inszeniert die Handlung des Stücks in einem spartanisch schlichten Bühnenbild, das zum Schwermut der gesamten Situation beiträgt. Es spielt die Hamburger Theatergruppe „Die Wolkenstürmer“.

Die Darsteller nehmen die Zuschauer mit auf eine Reise in ein beschaulich tristes Dorf. Klatsch und Tratsch verbreiten sich schnell. Vor allem über Frau Hudetz, die Gemahlin des pflichtbewussten Bahnhofsvorstehers. Ihre Eifersucht und Bösartigkeit sind in aller Munde. Doch die Gewöhnlichkeit des Dorflebens trügt. Thomas Hudetz, Bahnhofsvorsteher und gewissenhafter Beamter, wird zum Protagonisten eines tragischen Unglücks. Als die junge Anna mit dem Bahnbeamten flirtet, entlockt sie ihm nicht nur einen Kuss, sondern auch einen Moment der Unachtsamkeit. Hudetz vergisst ein Signal zu geben und löst damit ein Zugunglück aus – der Eilzug Nummer 405 entgleist. 18 Menschen kommen dabei ums Leben.  Hudetz beteuert seine Unschuld. Anna bezeugt, dass er das Signal gegeben hat. Tonnenschwer lastet die Schuld auf Hudetz und überträgt sich auf die Zuschauer. Das so offensichtliche Unrecht ist allgegenwärtig.

„Die Wolkenstürmer“ haben neun Monate unter der Anleitung von Lars Ceglecki an den Charakteren des Stücks gefeilt und geprobt. Im Minutentakt wechseln die Darsteller ihre Rollen. Dabei kommt in den kurzen Pausen zwischen den Szenen so mancher Darsteller ins Schwitzen. „Während des Stücks muss ich mich sechs Mal umziehen“, sagt Darsteller Kevin Hüet. Damit das reibungslos funktioniert müsse er gleich drei Kostüme übereinander tragen. Für den schnellsten Kostümwechsel ist weniger als eine Minute Zeit. Trotz der ständigen Rollenwechsel verlieren die Charaktere nicht an Tiefgang und Authentizität. Besonders Ralf Erfurth in der Rolle des Beamten Thomas Hudetz, transportiert die tiefgreifende Zerrissenheit des Charakters. Ein Stück, das jeden mit seinen eigenen Gedanken und der Frage „Wie hätte ich wohl gehandelt?“ zurücklässt.

Wie es mit Hudetz und Anna, seiner Schuld und den anderen Dorfbewohnern weiter geht, kann man noch am 17. und 24. November im Hamburger Sprechwerk erleben. Hier geht es zur Homepage der Wolkenstürmer.

Fotos: Jan Voß & Isabella David

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