Für wenige Minuten glauben die Fahrgäste wirklich zu schweben. Fast geräuschlos und bedächtig steigen die 35 Passagiere in Richtung Talstation. Unter ihnen fließt glucksend und gurgelnd der Fluss in Richtung Nordsee. Immer näher kommen die zahlreichen kleinen Boote, die sanft über die Wellen gleiten. Links und rechts der Gondel bietet sich den Seilbahnfahrern ein weiter Blick über die Altstadt, bis weit in das Hinterland. Sanft schlängelt sich der Fluss in der Ferne durch hügelige Wälder und entlang steiler Hänge. Weinberge und kleine Märchendörfer säumen das Ufer. Ein malerischer Ausblick unter den Augen des steinernen Kaisers am Ufer des Gewässers.
Auch Nichthanseaten wird aufgefallen sein, dass diese Szenerie unmöglich den Blick aus der derzeit heftig umstrittenen Seilbahn vom Heligengeistfeld zum Hafentheater vorwegnehmen kann. Auch wenn die Hansestadt selbst viele malerische Aussichtspunkte bietet, wird man von keinem erblicken können, dass die Elbe sich durch hügelige Wälder schlängelt. Die norddeutsche Landschaft macht dies unmöglich. Auch werden ortskundige bereits bemerkt haben, dass der einzige steinerne Fürst, der Gondelpassagiere grüßen könnte, Otto von Bismarck ist. Kaiser ist der nie gewesen. Der beschriebene Blick bietet sich schon heute Gästen der Stadt Koblenz, fünfhundert Kilometer südlich der Elbe am Rhein.
„Die Seilbahn wurde im Rahmen der Bundesgartenschau 2011 errichtet und läuft seitdem tadellos“, sagt Thomas Knaak, Sprecher der Stadt Koblenz. Die Seilbahn, die vom Deutschen Eck über den Rhein zur höher gelegenen Festung Ehrenbreitstein führt, ist für die rheinland-pfälzische Stadt ein echter Gewinn. „Die Anlage ist vor allem bei Touristen hoch im Kurs“, sagt Knaak. „Die Besucherzahlen der Festung haben sich seit Eröffnung der Seilbahn vervierfacht“. Auch für die Koblenzer sei die Bahn ein Gewinn, da diese eine schnelle Verbindung zwischen Altstadt und Oberstadt darstelle. Koblenz ist jetzt daran interessiert die Bahn auch über das geplante Rückbaudatum Ende 2013 weiter zu betreiben. „Auch wenn wir keine konkreten Zahlen haben, muss sich die Seilbahn auch für den privaten Betreiber lohnen, da dieser ebenfalls an einer Verlängerung interessiert ist“, erläutert Knaak. Gebaut hat die Seilbahn das Unternehmen Doppelmayr aus Österreich, das auch den Betrieb einer möglichen Seilbahn an der Elbe übernehmen will. „Es gibt derzeit zwar eine Bürgerinitiative, die sich gegen die Verlängerung ausspricht, aber unserer Einschätzung nach findet der Großteil der Koblenzer die Seilbahn gut“, sagt Knaak. Bevor die Stadt über eine mögliche Verlängerung entscheidet, solle dies im Rahmen einer Umfrage unter den Bürgern überprüft werden.
Auch in Hamburg formiert sich derzeit Protest gegen das geplante Seilbahnprojekt. Sorina Weiland vom Bezirksamt Hamburg-Mitte bestätigt, dass insbesondere die Anwohner Gegner des Bauvorhabens seien, da diese zusätzlichen Verkehr fürchten und überzeugt seien die Bahn würde dem Stadtbild schaden. Auch die Höhe der Fahrpreise sei ein wichtiges Thema. „Es ist klar, dass sich mit einer Seilbahn über die Elbe viele Touristen anziehen lassen, aber es darf sich nicht alles dem Tourismus unterordnen“, sagt Weiland. Bezirksamtsleiter Andy Grote hatte bereits deutlich gemacht, dass sich der Bezirk gegen das Projekt ausspricht. Auf der Gegenseite hatten Wirtschaftsunternehmen den Bau nachdrücklich befürwortet. „Der Senat bespricht derzeit mit den betroffenen Behörden und dem Bezirksamt das Für und Wider“, sagt Christoph Holstein, Sprecher des Hamburger Senats. „Natürlich ist der Tourismus ein Argument für den Bau, aber das Stadtteilbild und mögliche finanzielle Risiken müssen bei einer Entscheidung in jedem Fall mit bedacht werden“.
Derzeit ist noch unklar, wann eine endgütige Entscheidung gefällt werden soll. Das Koblenzer Modell hat gezeigt, dass eine Seilbahn als touristische Attraktion und Verkehrsmittel Akzeptanz in der Bevölkerung finden und ein Gewinn für die Stadt sein kann. Ein Vergleich sollte jedoch berücksichtigen, dass der Hamburger Hafen nicht die Koblenzer Altstadt ist und auch Aussichtspunkte über die Elbe und die Hamburger Innenstadt leicht mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können. Wer dennoch vergleichen will sollte sein Augenmerk vielleicht auf dem Umgang der Stadt Koblenz mit Bürgern und Projektgegnern richten.
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