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Euromayday: „Reif für die Insel“

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Foto: Jonas Walzberg EuromaydayKurz nach dem Beginn der traditionellen Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbunds zum 1. Mai startete am Spielbudenplatz auch der Euromayday 2013. Nach einem friedlichen Marsch durch St. Pauli und Wilhelmsburg mit mehreren Kundgebungen kam es vor dem Gelände der Internationalen Gartenschau zu Konfrontationen mit der Polizei.

 

Vor dem Eingang zur Internationalen Gartenschau (igs) sind bereits vor der Ankunft der DemonstratInnen viele Polizeibeamte in Stellung gegangen. Die Teilnehmer des Euromayday wollen hier gegen die hohen Eintrittspreise und die Eingriffe in die Natur durch die Gartenschau protestieren. Zunächst bleibt alles friedlich. Ein Zug aus bunt gekleideten DemonstrantInnen zieht vor das Tor zur igs. „Warum soll man jetzt hier nicht so reingehen können?“, rufen sie durch Megaphone im Chor. Ein Redner erläutert die Forderungen des Euromayday: „Wir finden als Hamburger BürgerInnen sollten wir freien Eintritt in diesen Park haben. Schließlich haben wir ihn mit bezahlt“. Plötzlich stürmen etwa 15 Polizisten seitlich in die Menge und versuchen die DemonstrantInnen abzudrängen. Ob die Beamten zuvor provoziert worden sind, ist nicht erkennbar. Die Stimmung kippt sofort. Eben waren noch Kinder und bunt kostümierte Männer und Frauen vor dem igs-Eingang versammelt. Diese drängen nun zurück. Andere in schwarz gekleidete Teilnehmer der Demonstration liefern sich Rangeleien mit der Polizei, die sofort Pfefferspray einsetzt. Auch Unbeteiligte werden von dem Reizgas zum Husten gebracht und weichen mit tränenden Augen weg vom Tor. „Wir sind friedlich und ihr nicht“ rufen andere DemonstrantInnen aus sicherer Entfernung. Die Polizisten ziehen sich schnell hinter das Tor zurück, als wütende Demonstrationsteilnehmer Blumen herausreißen und auf die Beamten werfen. Die DemonstrantInnen rütteln am Eisentor. Immer wieder setzt die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Nach und nach ziehen sich die DemonstrantInnen zurück. Die Versammlung löst sich auf. Das Ganze dauert etwa 20 Minuten.

Foto: Jonas Walzberg EuromaydayZuvor war die gesamte Veranstaltung überwiegend friedlich verlaufen: Um 12 Uhr versammeln sich etwa 200 Menschen am Spielbudenplatz. Nach einer kurzen Darbietung eines Megaphonchors als Protest für den Erhalt der Esso-Häuser setzt sich die Gruppe in Bewegung. Schon jetzt sind viele Menschen mit kleinen Kindern und bunt geschmückten Fahrrädern dabei. Die Demonstration ist eigentlich erst ab dem Millerntorplatz angemeldet, doch die Polizei reagiert schnell und sperrt ohne Zwischenfälle die Straße für die DemonstrantInnen. Hier sind noch keine Beamten mit Schutzkleidung und Helm zu sehen. Um 13 Uhr setzt sich dann ein auf rund 1000 Teilnehmer angewachsener Demonstrationszug in Richtung Landungsbrücken in Bewegung. Das Ziel ist das igs-Gelände in Wilhelmsburg. Die Veranstalter haben verschiedene Wege organisiert „kostenfrei“ das andere Elbufer zu erreichen. Mit Barkassen, Fahrrädern, einem Schulbus und den Zügen des HVV. „Wir arbeiten viel zu viel für Dinge die umsonst sein sollten, daher ist heute am Tag der Arbeit einmal alles kostenlos. Wir sind reif für die Insel und fahren deshalb auch auf die Elbinseln“, sagt einer der Veranstalter. Eine der Forderungen auf dem Euromayday ist die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs.

Der Euromayday findet in diesem Jahr zum neunten Mal in Hamburg statt. Die ursprüngliche Idee zu der Alternativveranstaltung zu den Demonstrationen der Gewerkschaften entstand 2001 in Mailand. Viele AktivistInnen sehen sich durch die traditionellen Arbeitervertretungen nicht mehr ausreichend repräsentiert. „Wir wollen auf Demonstrationen keine hohlen Parolen mehr skandieren, sondern aktiv für Themen eintreten, die uns alle bewegen“, sagt eine der Veranstalter. In diesem Jahr sind die Themen der Demonstration so bunt wie der Protestzug selbst. Neben der Kritik an igs, IBA und Gentrifizierung in vielen Stadtteilen, sind auch die Lage von Flüchtlingen und die Menschenrechte weltweit Thema auf dem Euromayday. Die Auswahl von Wilhelmsburg als Schwerpunkt der Veranstaltungen ist jedoch nicht zufällig. „Wilhelmsburg kann sich vor neoliberalen Umarmungen kaum retten. Wir sind Bürger einer Stadt in der für Kommerz wie Kirchentag, IBA, igs oder Hafengeburtstag zu viel Platz ist“, sagt einer der Veranstalter weiter.

Foto: Jonas Walzberg EuromaydayGegen 13:30 Uhr bewegen sich die DemonstrantInnen auf den unterschiedlichen Wegen in Richtung Elbinseln. Auf einer Barkasse berichtet eine Frau, warum sie am Euromayday teilnimmt: „Das Geld, das ich verdiene, geht nur dafür drauf hier leben zu können, also für Miete und Nahverkehr. Das will ich nicht länger akzeptieren“. Solche Gespräche finden jedoch nur am Rande statt. Während der Fahrt über die Elbe und dem anschließenden Spaziergang zum Stübenplatz in Wilhelmsburg vergessen viele fast, dass sie auf einer Demonstration sind. Auch auf dem Stübenplatz selbst ist die Stimmung sehr entspannt und harmonisch. Viele Menschen sonnen sich, essen Eis und lauschen der Musik, die aus Lautsprechern über den Platz schallt. Auch einige Polizisten stehen entspannt am Rand der Veranstaltung und genießen die Maisonne. Noch immer trägt keiner der Beamten Schutzkleidung.

Foto: Jonas Walzberg EuromaydayUm 16 Uhr setzt sich die Demonstration wieder in Bewegung in Richtung igs-Gelände, wo die Abschlusskundgebung stattfinden soll. Auf dem Weg wird noch einmal der geplante Bau des Opernfundus in Wilhelmsburg thematisiert. Sanne Neumuth aus den Zinnwerken am Veringhof kündigt an, dass ein Bürgerbegehren über den Bau des Opernfundus angestrebt werden soll. Gegen 16:30 Uhr erreicht die Demonstration das igs-Gelände. Erstmals sind nun Polizisten in Schutzkleidung zu erkennen, die sich entlang des Zauns der Gartenschau positioniert haben. Die Beamten schwitzen unter ihren Helmen. Einige reagieren gereitzt. Kurz vor dem Eingang zur igs kommt es bereits zu einer kleinen Rangelei zwischen DemontrantInnen und Polizisten. „Wir bitten auch die Polizei heute eine ruhige Kugel zu schieben, schließlich seid ihr genauso schlecht bezahlt wie wir“, rufen die Veranstalter den Beamten zu. Kurz nach Erreichen des igs-Geländes kommt es zur Konfrontation mit der Polizei. Nach Angaben des Veranstalters waren 2000 Menschen an der Demonstration beteiligt. Die Polizei zählte 1000 TeilnehmerInnen. Insgesamt waren in Hamburg am 1.Mai 1600 Beamte im Einsatz.

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