Am Donnerstag eröffnete die Ausstellung „Weder schwarz noch weiß“ in der Stern-Wiwyol Galerie. Die Berliner Künstlerin Maike Gräf (36) zeigt hier ihre zeitgenössischen Skulpturen, mit denen sie alte Themen neu beleben möchte.
Es ist ihre erste große Einzelausstellung in Norddeutschland. Viele andere Großstädte und andere Länder durften ihre Werke bereits bewundern. Durch ihre beständige Präsenz auf Kunstmessen und Ausstellungen hat sie sich einen Namen gemacht und jetzt durch den Kontakt zu Unternehmer Volkmar Wywiol auch die Hansestadt für sich entdeckt. Wywiol ist Initiator der noch sehr jungen Stern-Wywiol Galerie an der Binnenalster, einem Zentrum für zeitgenössische Bildhauerei. Er selbst hielt die Eröffnungsrede zur Ausstellung und lobte darin immer wieder die große Aussagekraft von Maike Gräfs Werken. Ihre hölzernen Skulpturen strotzen vor Lebenlust, Freude, manchmal auch Schmerz, und zwingen den Betrachter zur direkten Auseinandersetzung. „Kunst will das Leben begreifbar machen, es in Formen fassen“, führt Volkmar Wywiol in seiner Rede ein und verdeutlicht dann die Wichtigkeit der individuellen Wahrnehmung der einzelnen Werke – etwas, worauf auch die Künstlerin besonderen Wert legt.
Maike Gräf bearbeitet ihre Stücke aus Birke, Pappel, Linde, Ahorn, Eiche oder Zypresse zunächst mit einer Kettensäge. Die letzten Feinheiten erledigt sie mit Messer und Schleifpapier und setzt dann Kontraste mit schwarzem oder weißem Lack sowie hölzernen, freigelassenen Stellen. Diese Zeichenhaftigkeit erinnert an Comics und Pop-Art. Durch den Lack wird das Material unkenntlich, sodass ihre Skulpturen ohne den tastenden Kontakt leicht und keineswegs hölzern wirken. Ein Prinzip der Täuschung, womit laut Christina Dickel (künstlerische Leitung der Galerie) die Tradition des britischen Bildhauers Anthony Caro fortgesetzt wird. Er selbst arbeitete mit farbig bemaltem Metall, das sich erst durch Berührung als solches zu erkennen gab. Dazu passen auch die Themen ihrer Werke. Ob „Play Boy“, „Dickbone“ oder „Phallust“, sie thematisieren die Sexualität, was oft erst bei näherer Betrachtung deutlich wird. Aus der Ferne sehen die Figuren abstrakt aus, beinahe wie Spielzeuge.
Darstellen möchte die Künstlerin alte Themen in neuer Form, sie modernisiert sie in unsere Zeit hinein. Besonders deutlich wird dies an ihrer neuesten Arbeit „Verliebt Verholzt“ (Foto). Die über zweieinhalb Meter große Skulptur stellt die Geschichte von Apoll und Daphne des römischen Dichters Ovid dar. Apoll, vom rachsüchtigen Eros mit einem Liebespfeil beschossen, begehrt Daphne, die jedoch von einem Pfeil des Hasses getroffen wurde und sich heftig gegen Apolls Zuneigung wehrt. Am Ende bittet sie ihren Vater, sie zu verwandeln, um nicht mehr Objekt des Begehrens zu sein. Sie wird ein Lorbeerbaum, doch Apoll küsst dessen Blätter und macht sich einen Kranz, um seine Geliebte immer bei sich haben zu können.
Maike Gräf hat das Ende der Geschichte erneuert und unzweideutig den Wunsch beider Figuren vollendet: sie sind in Holz gehauen, Fußen in ihren Formen auf einem Baum, sind aber doch körperlich vereint. Ihre alienhaften Gesichter sind wiederkehrende Motive in den Werken der Künstlerin. Sie versteht diese vor allem als Ausdruck unserer Zeit, als Teil der Modernisierung der Themen. Nicht immer ist – wie auch bei Apoll und Daphne – genau auszumachen, ob die Mienen lachen oder von Leid verzerrt sind. Aber auch diese Vieldeutigkeit scheint beabsichtigt: „Ich möchte nicht plakativ sein, sondern den Menschen die Gelegenheit geben, die Werke auf ihren eigenen Deutungsebenen zu betrachten!“ sagt Maike Gräf und fügt hinzu: „Hier und dort habe ich eben auch kleine Fragen versteckt.“ Vielleicht lässt sich so der Titel der Ausstellung erklären: die Werke sind zwar schwarz und weiß, dabei aber keineswegs eindeutig.
Noch bis zum 14. September können Maike Gräfs Werke an der Alster bewundert werden.
Fotos: Imbiss, Dickbone, Verliebt Verholzt + Maike Gräf
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