Seit 2009 machen die „Schiller Killer“ Hamburgs Impro-Theaterszene unsicher. Mit neuen Formaten wollen sie zeigen – Impro-Theater ist mehr als nur Comedy.
Keiner kann seinen Text vergessen, denn hier gibt es kein Drehbuch, nichts verläuft nach Plan. Ein Stichwort aus dem Publikum, eine neue Rolle, eine neue Szene. Die Zuschauer steuern wohin sich das Stück entwickeln soll, die DarstellerInnen reagieren auf die Vorgaben aus dem Publikum. Impro-Theater verlangt von den SchauspielerInnen Schlagfertigkeit und Konzentration – und vor allem Leidenschaft für die Kunstform der Improvisation. Seit fünf Jahren sind die „Schiller Killer“ in der Impro-Szene unterwegs. Selbst charakterisieren sich die SchauspielerInnen als „Hamburgs charmantestes und tödlichstes Improtheater“. Auf die Bühne bringt die Gruppe laut Selbstverständnis das, was Schiller nie eingefallen wäre.
Zurück zum Anfang
Im Kulturhaus 73 im Schanzenviertel erinnern sich vier „Schiller Killer“ der ersten Stunde daran, wie 2009 alles begann. „Alles hat mit einer legendäre Probe im WiWi-Bunker an der Uni vor fünf Jahren angefangen“, erzählt Kristin. Zu diesem Treffen waren alle gekommen, die sich auf den Aushang von Trainer Nico Becherer gemeldet hatten. Danach wurde trainiert: Einmal in der Woche wurde im WiWi-Bunker auf dem Uni-Campus geübt auf der Bühne zu improvisieren. „Der erste richtige Auftritt fand dann nach etwa einem halben Jahr auf der Studiobühne der Pädagogen statt“, erinnert sich Cornelia.
Für diesen ersten Auftritt musste auch ein Name für die Gruppe gefunden werden. Auf einer langen Liste wurden alle Vorschläge gesammelt und schließlich zur Abstimmung gestellt. „Impro-Meyer-Landrut“ und „Action Connection“ waren nur einige der Alternativen zum heutigen Namen der Impro-Gruppe. Basisdemokratisch werden auch heute noch alle Entscheidungen der Gruppe getroffen. „Der Legende nach hat in Wahrheit niemand für „Schiller Killer“ seine Stimme abgegeben“, sagt Cornelia.
Fünf Jahre, 60 Auftritte
Heute bestehen die „Schiller Killer“ aus 14 Mitgliedern. „Darunter SchauspielerInnen, Techniker und natürlich unser Trainer Nico“, zählt Jan auf. Fast sechzig Mal ist die Impro-Gruppe bereits gemeinsam aufgetreten und organisiert die legendäre „Fightnight“ des Improvisationstheaters.
Einmal in der Woche proben die „Schiller Killer“ drei Stunden am Stück. Für die Kunst der Improvisation müsse man nach Arbeit und Alltag jedoch zuerst den Kopf frei bekommen, erklärt Kristin. „Streng genommen proben wir nicht, wir trainieren“, bringt Christopher es auf den Punkt. Unvorhersehbares kann schließlich nicht geprobt werden. Vielmehr trainieren die SchauspielerInnen sich auf die Stichworte einzulassen und schnell umzuschalten. „Das ist die Kunst des Improvisationstheaters“, meint Cornelia.
Seit drei Jahren ist das Kulturhaus 73 auf dem Schulterblatt die Stammbühne der „Schiller Killer“. Die meisten SchauspielerInnen der Impro-Gruppe haben ihr Studium mittlerweile abgeschlossen, sind der Gruppe jedoch treu geblieben. Ein Blick auf fünf Jahre „Schiller Killer“ führt auch zu einer anderen Erkenntnis über die Szene: „Wir sind die letzte Impro-Gruppe in der Schanze“, stellen die Vier fest.
Impro-Theater abseits von Klischees
Dabei wollen die „Schiller Killer“ das klassische Bild vom Impro-Theater ins Wanken bringen. Schon jetzt experimentiert die Gruppe immer wieder mit Formaten, die man eher weniger mit der Impro-Kunst in Verbindung bringt. „Es gibt unterschiedliche Richtungen des Impro-Theaters. Es reizt uns längere Impro- Geschichten zu erzählen. Das ist eine Kunstform, die wir spannend finden“, sagt Kristin. Abendfüllende Stücke entstehen dabei – vollständig improvisiert und nah dran an den ZuschauerInnen. Auch für die SchauspielerInnen ist die Longform eine besondere Herausforderung. „Man muss erkennen, welche Rolle man gerade einnimmt. Ob man eine Haupt- oder Nebenrolle spielt“, erklärt Christopher. Auch ohne Drehbuch muss eine Dramaturgie aufrecht erhalten werden.
Nicht nur besondere Formate machen die „Schiller Killer“ aus, sondern auch die Auswahl der Überthemen. Einen besonderen Faible hat die Gruppe für das Horror-Genre. „Wir töten viel und gern“, sagt Kristin. Sogar eine eigene Rezeptur von Kunstblut haben die „Schiller Killer“ – vegan und auswaschbar.
„Impro-Theater wird gerade dann besonders spannend, wenn es nicht lustig, sondern ernsthaft ist“, erklärt Christopher. Die Leute zum Lachen bringen könne man relativ einfach, aber die grosse Kunst sei es, das Publikum anzurühren. Dafür müsse man immer wieder auch die Erwartungen brechen. Es ist der Gruppe besonders wichtig, keine Klischees zu bedienen und keine Witze auf Kosten anderer zu reißen, nur um einen schnellen Lacher zu erzeugen. Das Ziel: „Impro-Theater salonfähiger machen. Wir wollen zeigen, dass es nicht nur Comedy- und Fast-Food-Improtheater gibt“, sagt Kristin. Dafür arbeiten die „Schiller Killer“ aktuell an einem neuen Format. „Aber das ist noch streng geheim“, sagt Cornelia. Eines ist jedoch sicher: Es wird ein paar Regeln des Improvisationstheaters brechen.
Hier könnt ihr die „Schiller Killer“ live erleben: Donnerstag, 20. November, 18. Dezember, jeweils ab 20 Uhr im Kulturhaus 73. Die nächste „Fightnight“ findet am 31. Januar 2015 im Gruenspan statt.
Fotos: Schiller Killer
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