Helga Siebert überzeugt in der Rolle der allzeitlichen Frau in ihrem fast gleichnamigen Programm „Fraureif“ im Polittbüro. Dabei nimmt sie sich selbst auf den Arm, lässt aber auch kritische Töne über die deutsche Politik anklingen. Es ist ein gelungener Auftritt der Hamburgerin mit Zweitwohnsitz in Oberfranken.
Ob frühreif, überreif oder schlicht reif, Helga Siebert präsentiert für ihr Programm komödiantisch Frauenrollen in unserer Gesellschaft. Sie nimmt sich das heraus, denn zwei Drittel ihres Lebens, die seien auch schon mindestens vorbei, sagt sie pessimistisch. Und das, nach über 20 Jahren auf der Bühne. Also sagt sie jetzt, ganz nach dem König aller Revivals Howard Carpendale „Hello Again“. Da gelingt es ihr spielerisch leicht, ihre Zuschauer im Polittbüro, auch monologisch, zu unterhalten. Ihr Programm, so sagt Siebert selbst, führe von der „Begattung bis zur Bestattung“ und verspricht damit nicht zu wenig. Angefangen beim motzenden Mädchen mit leichtem Hang zur Göre, die ihre Eltern ausnimmt, geht Siebert mit der Zeit und spielt sie alle, auch die weniger netten Typen. Von der Hamburger Geschäftsfrau, die sich das perfekte Kind wünscht und zusammenstellt, oder der sportlichen Politikerin. Von der schweigsamen Bischöfin, bis hin zur Bewohnerin im Altersheim, im hohen, weisen Alter angekommen. Sie ist dabei stets selbstkritisch und spielt mit biographischen Zügen, wie sie zu Beginn offenbart, sodass man auch an die eigenen Verwandten in diesen Einrichtungen denken muss.
Männer in Käfigen
Die Bühne bleibt dabei schlicht. Ein Tisch mit einem Glas Rotwein, an dem sie jedes Mal nur leicht nippt und ein Apfel genügen ihr. Um ihre Rollen etwas zu untermalen wird noch ein Kleiderständer mit Requisiten auf der Bühne platziert. Ansonsten steht Siebert ganz alleine im Mittelpunkt ihres Kabarettabends. Und das ist auch gut so. Ihre Gäste, wer hätte es anders gedacht, zu über neunzig Prozent aus Frauen bestehend, amüsieren sich, weil Siebert es oft auf den Punkt trifft. Sie ist gerade dann stark, wenn es ihr gelingt, perfekte Übergänge in ihre improvisierten Erzählungen einzubauen. Dann leitet sie weiter zu selbst geschriebenen Gedichten, Liedern oder auch Ideen. Dabei spielt sie mit der Sprache. Siebert trägt enthusiastisch und unterhaltend die Namen des Hamburger Telefonbuchs als alliteratives Wortspiel vor (von Bernie Breitspucker bis zu Benjamin Bravo) oder singt eine Ode für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eine Ode an die Öde. Denn einerseits mag sie Merkels Gelassenheit, andererseits hat sie Spott für ihre Kleiderwahl übrig: „Wir lieben deine Jacken, auch wenn sie vorne spacken“. Und nicht zuletzt kritisiert sie ihre Ignoranz gegenüber der Politik. Ihr schlichtes Nichtsagen zu Konflikten, ihr Aussitzen von Problemen. Zur Papstwahl zwitschert sie „Redman walking“. Wegen der vielen Männern in roter Robe, sie wissen schon. Das Thema Politik klingt immer wieder bei ihr an, auch wenn dies an diesem Abend nicht im Vordergrund steht. Es geht schließlich um die Frau. Um einen Rückblick der Zeit. Von der Unterdrückung, der Ausbeutung der Frau, bis zu einem möglichen Matriarchat, welches sie zeichnet. Indem Männer in Käfigen eingesperrt oder doch aus Freilandhaltung stammen. Denn Männer, die brauchen Frauen doch eigentlich nur als Samenspender für die Fortpflanzung.
Hochadel des deutschen Kabaretts
Amüsant ist in diesem Zusammenhang auch ihre Verknüpfung von Männern mit Aktien. Aktien, die man abschieben könnte wie die Männer eben. Oder auch auf einem Markt handeln. Wobei klar sei, dass natürlich nur die jungen Aktien einen höheren Wert haben.
Doch kommen wir nochmal zum Anfang des Abends: Da meinte Siebert, sie gehöre sicher nicht zum Hochadel des deutschen Kabaretts. Ich meine: Womöglich unterschätzt sie sich da selbst.
Wer Helga Siebert in Zukunft sehen möchte, muss nicht weit fahren. Zum Ende jeden Monats tritt Siebert mit einem Monatsrückblick im Kulturpalast im Wasserwerk in Billstedt oder auf dem Hamburger Feuerschiff am Baumwall auf. Ein vollständiges Tourprogramm ist hier einzusehen.
Foto: Frederic Zauels
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