Nur noch bis Februar läuf „Mission“ im Deutschen Schauspielhaus: Das nach Interviews mit belgischen Missionaren im Kongo entstandene Stück des belgischen Autors David van Reybrouck, erzählt von Schlaglöchern, Moskitos, Siri und von Fragen nach Glaube, Moral und dem Handeln des Einzelnen.
Das Bühnenbild im Malersaal ist schlicht gehalten. Außer dem weiß angemalten Schrank und dem Fahrrad steht nichts auf der mit Betonwänden umrahmten Bühne. Der Priester Andrée (Alioscha Stadelmann) sitzt mit schwarzer Adidas- Sporthose und Turnschuhen auf dem Fahrrad, das einem Heimtrainer gleicht. Im Moment ist er drei Monate in Belgien auf Heimaturlaub. Ansonsten ist er seit 48 Jahren Priester im Kongo. Während er in die Pedale tritt, erzählt er – der Beginn einer Geschichte, die den Zuschauer manchmal dichter an die reale Situation heranführt, als ihm lieb ist. Schauspieler Stadelmann vermittelt die Erlebnisse der Priester so deutlich und ausdrucksstark, als habe er selbst Jahrzehnte im Kongo verbracht.
Die Geschichte der fiktiven Figur Andrée beginnt schon in jungen Jahren: Seine Eltern wollten, dass er Ingenieur wird. Mit 17 Jahren musste er plötzlich und ohne Grund in einer Kapelle weinen und entschied sich am Abschlussball gegen den Willen seiner Eltern, Missionar in Afrika zu werden. Das Priestertum sprach ihn an und so wurde er 1956 zum Priester geweiht. Natürlich gab es nicht nur positive Entwicklungen- besonders das Alleinsein machte ihm zu schaffen. In Belgien hatte er eine Freundin und ließ sie dort zurück. Sie wartete noch Jahre auf seine Rückkehr, doch Andrée wollte in Afrika bleiben.
Die Software „Siri“ – ein Geschenk Gottes
In Afrika unterrichtete er 24 Jahre Hebräisch, Griechisch und Philosophie. Dann wurde er in einen anderen Teil der Republik Kongo versetzt und lebte im Dschungel, wo es nichts als Natur und Insekten gab. Dort stellt sich ein Glas Palmwein und die Software Siri als ein „Geschenk Gottes“ dar, da sie auf das gesprochene Wort mit „menschlicher“ Stimme antwortet. Von den Insekten hätte Gott seiner Meinung nach jedoch weniger erschaffen können. Ansonsten war er zufrieden. Nach weiteren sechs Jahren musste er den Dschungel verlassen und erlebte 1994 den Völkermord zwischen der Völkergruppe der Hutu und Tutsi. 2002 wurde auch er von dem Vulkanausbruch des Nyiragongo überwältigt und bekam das Friedensabkommen zwischen Ruanda und dem Kongo mit, das jedoch nur auf dem Papier existierte.
Der Glaube ist vernünftig
„Es gibt immer noch moralisch Verwirrte“ im Kongo und deshalb gehen um die 700 Menschen sonntags zur Beichte. Andrée verurteilt jedoch niemanden, wie er sagt. Er hört sich die Probleme der Menschen an. Das sind andere Probleme, als sie die Europäer haben. „Das Zölibat ist nicht für Afrika gemacht“. Außerdem sei Goma weit weg von Rom und deshalb verteile er dort Kondome. Er hilft den Menschen im Kongo, sagt Andrée. Wenn sie fragen, warum er denn helfe, dann erzählt er ihnen von seinem Gott, dem Evangelium Christi. Nein, der Glaube ist nicht rational, er ist vernünftig.
Während er sich auf den Tisch hinter dem Schrank stellt und auf der Betonwand der Schatten eines Kirchenfensters erscheint, predigt er mit der Kreuzkette als Haarband und dem Klopapier als Stola. Das wichtigste als Missionar in Afrika sei es, sehr viel Zeit und Geduld mitzubringen.
„Man muss das Christentum afrikanisieren“
Die Behandlung der afrikanischen Frau ist ungerecht, sagt er, während sich harte, diagonale Schatten auf Beton kreuzen. Im Kongo ist sie nur ein Objekt. Deshalb muss man der afrikanischen Kirche noch 500-1000 Jahre Zeit geben und das Christentum afrikanisieren. Aber man hat Zeit im Kongo. Schließlich lebt man nicht nur ein Leben.
Gott soll doch eine Träne vergießen
Zum Schluss erzählt Andrée ausführlich von dem schrecklichen Bürgerkrieg 1994, dem Angriff der Hutu in Ruanda auf die Tutsi- „Wir haben es gesehen“. Andrée setzt sich in die Reihen des Publikums und ruft zu Gott, dass er doch etwas sagen und endlich eine Träne vergießen soll. Immer leiser werdend fragt er „welches Wort hörst du noch? Gott. Gott.“
Applaus rollt langsam dem Ein- Personen Stück entgegen und überschüttet den Schauspieler minutenlang.. Durch die Kraft und Ausdrucksstärke Alioscha Stadelmanns wurde die Bühne zu dem verwandelt, was darstellen soll: Kongo im 20. Jahrhundert, voller Erlebnisse und dem Wanken und Fragen des Einzelnen Europäers nach Glaube und Moral.
Informationen zu Tickets und Vorführungen gibt es hier.
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