Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei florierende Ballermannmedien gefunden.

Wer den Schaden hat, braucht für Spott nicht zu sorgen. Kaum hatten die rechten Biedermänner von Pegida vorigen Montag ihren Hass auf jede Art unbotmäßigen Journalismus ad absurdum geführt, indem sie ihre Montagsdemo der angeblichen „Lügenpresse“ verkündeten, hat „Spiegel Online“ die Veranstaltung „Lügenpressekonferenz“ getauft. Eine Art „Ununwort des Jahres“ also. Mit großem Dank für diesen Sprachwitz zurück zum Alltag, wo die Presse – mit oder ohne Lügen davor – nach der jüngsten Welle der Solidarität wieder auf dem Boden der Tatsachen landet.

Überleben in der Umsonstgesellschaft

Millionen aufrichtig bis scheinheilig Betroffene haben sich auch hierzulande die Notausgabe des „Charlie Hebdo“ aufs Klo gelegt – nun darf die Branche schön weiter den Bach runtergehen, wenn sie durch chronische Nichtbeachtung der Umsonstgesellschaft in den Ruin getrieben wird. Die Verkaufszahlen deutscher Magazine jedenfalls zeichnen abermals ein düsteres Bild. Besonders jene, die willens und in der Lage sind, über Terror plus Folgen seriös zu berichten, verlieren massiv an Auflage, während Ballermannmedien gerade im Netz florieren.

Kein Wunder, dass das Dschungelcamp – so sehr selbst anspruchsvolle Kritiker heute ihre verkürzende Pauschalkritik am Madenfressen relativieren – einen Zuspruch erfährt, von dem bedeutsamere Formate auf bedeutsameren Sendern nur träumen können. Wobei dramaturgische Ohrfeigen wie das grenzdebile Sedativum „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ zeigt, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen ohne störenden Ballast von Sinn, Verstand und Handwerk Topquoten erzielen können.

Das drückt vernunftbegabten Zuschauern ähnlich aufs Gemüt wie der nasstrübe Winter, der allerdings eine Hoffnung nährt: Dass die zwei dauergiggelnden, äh, Moderatoren Matthias Opdenhövel und Dieter Thoma beim infantilen Abfeiern von allem, was im Skispringen irgendwie germanisch ist, bald vom Berg schmelzen. Gegen diese Art Teenagerpatriotismus gerät der bemühte Reporter Tom Bartels zur „Displaced Person“ des Wintersports.

Dschungelcamp statt Erinnerung ans Menschenheitsverbrechen

Zum Glück steht diese Woche für ein paar besinnliche Momente im Zeichen eines ernsthaften Themas: Der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, die sich am Dienstag zum 70. Mal jährt. Gut, die Privatsender interessieren sich wie üblich einen feuchten Kehricht für derlei Realismus, weshalb selbst ihre, hüstel, Nachrichtenkanäle N24 und n-tv sogar am 27. Januar lieber Fallschirmjäger oder Relikt-Jäger porträtieren als irgendwie ans Menschheitsverbrechen zu erinnern. Aber wenigstens die gebührenfinanzierte Konkurrenz gibt sich einige Mühe, dem Datum gerecht zu werden.

Einigermaßen.

Denn während die umfassende Berichterstattung bei Phoenix, 3sat, Arte oder im WDR stattfindet, der am 27. Januar ab 23.15 Uhr seine „Lange Nacht der Erinnerung“ begeht, lässt die ARD tags zuvor erstmal Bärenbabys schmusen, bevor um 22.45 Uhr endlich „Ich fahre nach Auschwitz“ beginnt, eine aufwühlende Reise unbedarfter Schüler und Hamburger Polizei-Azubis ins Herz der Finsternis. Und das ZDF? Zeigt Dienstag – nach dem putzigen Produkttest „Wie gut ist unser Bier?“, versteht sich – um 22.15 Uhr die sehenswerte Doku „Mit dem Mut der Verzweiflung“, durch die allen Ernstes der Spaßvogel Hugo Egon Balder führt der zudem übers Schicksal seiner jüdischen Familie spricht. Ansonsten delegiert das Zweite sein Gedenken aber doch lieber ins Netz.

Irgendwas mit Mord

Apropos Netz: 3sat bebildert am Dienstag nicht nur die Probleme der Vergangenheit, sondern ab 20.15 Uhr auch solche der Zukunft, wenn der Thementag „Leere Meere, volle Teller“ das Abfischen globaler Gewässer problematisiert. So was könnte theoretisch auch „Dritter Stock links“ zur Sprache bringen, mit dem die ARD ab Donnerstag an den seligen „Scheibenwischer“ anknüpfen möchte. Um 22.45 Uhr ziehen Sebastian Pufpaff, Maike Kühl und Hannes Ringlstetter in die „Kabarett-WG“, um frischen Wind ins verwaiste Fach politischer Unterhaltung zu blasen. Ein Wind, den sich das Erste auch von der neuen Vorabendserie „Unter Gauner“ erhofft, die fortan dienstags um 18.50 Uhr eine Familie Kleinkrimineller zu Helden macht, was allerdings eher peinlich als lustig ist. Und am Donnerstag dann versucht der Tatort-Sender dann was ganz Sensationelles: er schickt eine Ermittlerin aus der Großstadt zur „Kripo Bozen“, damit endlich auch zur besten Sendezeit mal irgendwas mit Mord läuft.

Oje.

Also doch lieber „Tipps der Woche“ schauen. In schwarzweiß diesmal „Hafen im Nebel“ von 1938 mit dem blutjungen Jean Gabin als Deserteur auf der Flucht vorm Militär (Sonntag, 20.15 Uhr, Arte). Und Dienstag um 22.45 Uhr in Farbe auf (Achtung!) SuperRTL: „Der Vorname“, eine französische Bühnenstückadaption über zwei Paare, die sich so klug über den Kindsnamen Adolphe streiten, dass „Der Gott des Gemetzels“ zur Kuschelrunde gerät.

 

Hier geht es zum Medienblog von Jan Freitag.

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