Stadtgespräch

Krieg auf der Fahrradautobahn

Stadtgespräch
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Ein Blog dokumentiert Hindernisse, die Radfahrern jeden Tag begegnen. Doch wie leicht kommt man eigentlich mit dem Rad vom Stadtrand in die City? Wir haben den Test gemacht und wurden dabei fast überfahren.

Als Radfahrer hat man es in Hamburg nicht leicht. Wie schwer es manchmal ist mit dem Fahrrad durch die Hansestadt zu kommen, dokumentiert der Blog „Things on Bikelanes„. Hier wird mit zahlreichen Bildern dargestellt was Radfahrern in Hamburg so auf Radwegen begegnet. Dabei finden sich neben Baustellen und Mülleimern auch andere Fahrräder und sogar Polizeiwagen. Doch wie sieht die Realität im Radverkehr wirklich aus? Wir haben bereits im März den Test gemacht und sind von Billstedt bis in die City gefahren.

Abenteuerlicher Start

Gestartet sind wir auf dem Billstedter Marktplatz mit Ziel Rathausmarkt. Laut Google eine Strecke von rund 30 Minuten, also auch nicht viel länger als man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln benötigen würde. Das lädt eigentlich dazu ein, das Frühlingswetter zu nutzen, um mit dem Rad zur Arbeit oder zum Klönen in die Stadt zu fahren. Der erste Teil der Tour wird jedoch schnell zur Tortur. Um es einmal zusammenzufassen: Ich bin fünf Mal fast gestürzt, drei Mal fast überfahren worden und habe mich einmal verfahren.

Bereits kurz nach dem Start wird es gefährlich. Zwar ist der Radweg entlang der verengten Billstedter Hauptstraße neu und breit genug für ungehemmten Fahrspaß, doch die Autofahrer scheinen sich noch nicht daran gewöhnt zu haben, dass die Straße seit knapp zwei Jahren nicht mehr zweispurig ist. Ständig ist der Radweg mit parkenden Autos versperrt, was ein gefährliches Ausweichen auf die Fahrbahn notwendig macht. Hinzu kommt, dass die parkenden Autos den übrigen Verkehrsteilnehmern beim Abbiegen die Sicht nehmen. Ich bin noch keine zehn Minuten unterwegs und habe schon zwei Beinaheunfälle hinter mir.

Kurz darauf dann fast der erste Sturz: Ab der Kreuzung Washingtonallee wird die Fahrt abenteuerlich. Entlang der Horner Landstraße ist der Weg übersät mit Unebenheiten, Schlaglöchern und teils zugestellt mit anderen Fahrrädern oder einfach nur Müll. Zudem muss man immer wieder auf den Gehweg ausweichen, da die Strecke zum Teil unbefahrbar ist.

Veloroute 8 – die Fahrradautobahn

Ab der U-Bahn Hammer Kirche dann ein ganz anderes Bild: Man trifft auf breite Radwege, die überwiegend fernab der Straße verlaufen. Der Asphalt ist neu und die Strecke in beide Richtungen gut befahrbar. Hier beginnt die Tour endlich Spaß zu machen – ab der Burgstraße könnte man sogar ein Stadtrad ausleihen und von dort starten. Wir befinden uns auf der sogenannten Veloroute 8, quasi eine Autobahn für Fahrräder, die zukünftig die City mit Bergedorf verbinden soll. Einen Teil der Strecke gibt es bereits, die übrigen Wege sollen im Verlauf des Jahres 2014 noch ausgebaut werden. Die Erfahrung auf dem bereits fertigen Streckenabschnitt macht auf jeden Fall Lust darauf öfter das Rad zu benutzen.

Einziges Problem: Da auch die alten Radwege noch bestehen, ist nicht immer klar ersichtlich wo die Veloroute nun genau verläuft. So finde ich mich einmal auf der alten Buckelpiste wieder, obwohl die Radautobahn nur wenige hundert Meter entfernt verläuft. Auch ist nicht genau markiert, bis wo die Strecke bisher ausgebaut wurde und man wieder auf den alten Weg übergehen soll. Dieser Übergang ist derzeit an der U-Bahn-Station Hammer Kirche nötig. Wer sich schlau machen will, wo die Veloroute in Zukunft genau verlaufen soll, findet auf der Internetseite der Stadt Hamburg eine Übersicht.

Auch andere Velorouten, unter anderem zur Elbinsel, sind in Planung. Einige Routen, unter anderem von der Veddel bis Harburg, sind bereits fertiggestellt. Die Velorouten sind auf jeden Fall ein wichtiger Schritt, um Radfahren in Hamburg wieder attraktiv zu machen. Es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, das Veloroutennetz zügig auszubauen und besser zu beschildern.

Verkehr ist Krieg

Auf dem letzten Stück unserer Strecke stelle ich dann noch ein Problem fest, dass sich wohl so schnell nicht in den Griff kriegen lässt. Andere Radfahrer und Fußgänger gefährden andere uns sich selbst. Da wird auf der falschen Straßenseite gefahren, geschnitten und wild über den Gehweg überholt. Einige Fußgänger scheinen es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, auf dem Radweg spazieren zu gehen, um dann bei einem freundlichen klingeln laut pöbelnd stehen zu bleiben. Egal ob mit dem Auto oder mit dem Rad: Auch gut ausgebaute und freie Radwege können den Menschen nicht ändern. Verkehr ist Krieg. Entspannter als öffentliche Verkehrsmittel oder das Auto ist Radfahren also auch nicht immer – zumindest schadet man nicht der Umwelt, wenn man mit dem Rad unterwegs ist.

Foto: Tobias Johanning

Kommentare anzeigen (5)

5 Kommentare

  1. Sascha

    12. März 2014 at 16:05

    Eine „Fahrradautobahn“ ist für Hamburger Verhältnisse noch immer ein ungeahnter Luxus. Das Konzept der Velorouten kommt aber immerhin langsam in Fahrt.
    Mir ging es bei der ersten Tour auf der Borgfelder Strecke ähnlich. Höhe U-Bahn Burgstraße fuhr ich plötzlich unbeabsichtigt wieder fernab der Route zwischen Wohnhäusern und musste eine unfreiwillige „Ehrenrunde“ einlegen. So etwas passiert mir allerdings auch mit dem PKW hin und wieder.

    Es macht aber auch Spaß, die neuen Strecken zu erkunden. Toll ist z.B. die Route zwischen Wilhelmsburg und den Landungsbrücken. Mit der Klütjenfelder Brücke und den Wegen am Spreehafen zeigt Hamburg, dass pfiffige Fahrradwege auch in der Hansestadt machbar sind. -> http://blog.cupofcoffee.de/?p=4292

    Wünschenswert wäre in der Tat eine bessere Markierung der Radwege durch große Fahrradsymbole, Richtungspfeile und farbige (rote) Spuren an Kreuzungen und bei Strecken auf der Straße.
    Das bewahrt einen Ortsfremden dann nicht nur vor unfreiwilligen Irrfahrten, sondern signalisiert auch dem Autoverkehr, dass hier besondere Aufmerksamkeit verlangt ist. Auch der Verwechselung von Radspur und Parkstreifen kann so entgegen gewirkt werden.
    Bleibt zu hoffen, dass die wenigen derzeit gut ausgebauten Teilstrecken in den kommenden Jahren zu einem wirklich brauchbaren Netz zusammen wachsen.

    Und was den „Krieg“ auf der Straße angeht: Es hilft schon, wenn man für jede Fahrt 10 Minuten Zeitpuffer einplant. Das entspannt die Situation sowohl bei Rad-, als auch bei Autofahrten oft ganz ungemein…

  2. Stefan

    13. März 2014 at 11:41

    Die Hamburger Velorouten sind in meinen Augen keine gelungenen Beispiele für fortschrittliche Radverkehrsplanung. Sie bestehen vielerorts aus rot gepflasterten Streifen auf Fußgängerwegen, ständig unterbrochen von Bettelampeln, mancherorts aus Kopfsteinpflasterstraßen. Sogar Schiebepassagen gibt es. Und vor allem führen sie immer wieder abseits der Verkehrsachsen im Zickzack durch Wohngebiete. So wird das Fahrrad als zügiges, bequemes Verkehrsmittel im Alltag systematisch ausgebremst.

  3. Maximilian

    14. März 2014 at 13:20

    Kleiner, begrifflicher Hinweis: Eine „Fahrradautobahn“ wird es natürlich nie geben können, da der Sinn und Zweck von Radschnellwegen ja gerade der Verzicht auf das Auto ist. 😉

  4. Hinz

    14. März 2014 at 19:22

    Fahrräder müssen auf die Straße!!! Natürlich ist es wichtig, dass es auch attraktive Fahrradrouten gibt, aber trotzdem gehört das Fahrrad auf die Straße um überhaupt beachtet zu werden. Alle anderen Städte in Deutschland schaffen es den Autofahrern eine Spur zu nehmen nur in Hamburg gibt es sechsspurige Fahrbahnen mitten in der Stadt und dann einen 1,00 meter breiten Radweg…

  5. Emilia

    6. August 2014 at 23:43

    Fast jeden Tag denke ich, dass ich gerade mein Leben riskiere- auf dem Weg zur Arbeit in die Innenstadt auf dem Fahrrad… ich fühle mich als Radfahrerin wie eine Verkehrsteilnehmerin zweiter Klasse. #HamburgerZumutung

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Rund um Billstedt, Billbrook und Horn atmet die grüne Lunge der Stadt. In Hamm, Rothenburgsort, Borgfelde, Hammerbrook, St.Georg, der Alt- und Neustadt, und auf St. Pauli riecht und schmeckt man Hamburg an jeder Straßenecke. Die Hafencity glänzt und glitzert im Schatten der dicken Pötte und Kräne.

Die andere Seite der Elbe auf der Veddel, in Wilhelmsburg, auf dem Kleinen Grasbrook, in Steinwerder, Waltershof, Finkenwerder und auf der Insel Neuwerk lässt hanseatische Tradition spürbar werden.

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