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Kommentar: Verfassungsänderung? Ja, bitte!

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Mehrheit der Parteien in der Bürgerschaft will per Verfassungsänderung eine Drei-Prozent-Hürde für die Wahlen zur Bezirksversammlung festlegen. Damit umgeht der Gesetzgeber ein Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichtes – ein falsches Signal für die Demokratie in den Bezirken, für das es eine Alternative gibt.

Was nicht passt, wird passend gemacht – ein Motto, das sich auch in der Hamburger Politik großer Beliebtheit zu erfreuen scheint. Noch kein Jahr ist es her, da hat das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden, dass die Drei-Prozent-Hürde für die Wahlen zur Bezirksversammlung nicht konform mit der Landesverfassung ist. Damals nahm, bis auf wenige Ausnahmen, kaum jemand Anstoß an dem Urteil. Selbst die Bezirksgenossen von der SPD, deren Bürgerschaftsfraktion jetzt zusammen mit CDU und Grünen die Hürde vorbei an dem Gerichtsurteil in die Verfassung schreiben will, zeigten sich gelassen. „Wir finden es gut, dass das Bezirksparlament möglicherweise um neue Ideen bereichert wird und freuen uns auf den politischen Wettstreit“, sagte Falko Droßmann, Fraktionsvorsitzender der SPD in Hamburg-Mitte, im Januar.

Demokratie in Gefahr?

Jetzt scheint plötzlich durch die Entscheidung des Gerichtes in den Bezirken die Demokratie selbst gefährdet zu sein: Ohne eine Drei-Prozent-Hürde drohe eine Zersplitterung der Bezirksversammlung, die zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Gremiums und damit der bezirklichen Demokratie selbst führe, schreiben SPD, CDU und Grüne in ihrem Antrag zur Verfassungsänderung.

Man kann darüber streiten, ob ein paar fraktionslose Abgeordnete mehr oder der Einzug einer zusätzlichen Fraktion in die Bezirksversammlung wirklich ausreichen, um eine Zersplitterung auszulösen – mal ganz davon abgesehen, dass durch die Zusammensetzung des Bezirksparlamentes derzeit sowieso zwei Prozent der Stimmen nötig sind, um einen Sitz zu erhalten. Das Verfassungsgericht hat über diese Frage mehrfach gestritten und ist zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen: 1998 stellte das Gericht fest, dass es dem Gesetzgeber zusteht durch Einzugshürden die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlung zu gewährleisten. Auch die Einführung einer Fünf-Prozent-Hürde für die Wahlen zur Bezirksversammlung 2006 und die Absenkung dieser Hürde auf drei Prozent 2009 beanstandete das Gericht nicht.

Verfassung ändern – aber richtig

Die Gründe für den Gesinnungswandel der RichterInnen mögen vielfältig sein. Ebenso die Gründe der etablierten Parteien vehement an der Hürde festzuhalten. Eine klare Antwort auf die Folgen einer Bezirksversammlungswahl ohne Hürde wird man wohl erst bekommen, indem man eine Bezirksversammlungswahl ohne Hürde durchführt. Öffentlich viel zu wenig diskutiert wird das Vorgehen der selbsternannten Retter der Demokratie: Sollte es wirklich die Reaktion demokratischer Parteien sein die Verfassung zu ändern, weil ein Gesetz mit der alten Verfassung nicht konform ist?

Nein, das kann nicht der richtige Weg sein, um die Demokratie in den Bezirken zu stärken. Hier geht es vielmehr darum, den Einfluss der großen Parteien auch auf der kommunalen Ebene zu sichern. Wäre es den Parteien der Bürgerschaft wirklich ernst damit der Bezirksversammlung, die derzeit nur den Status eines Verwaltungsorgans hat, eine größere Bedeutung zukommen zu lassen, wäre eine andere Änderung der Verfassung nötig: Die Bezirksversammlung müsste einen eigenen Haushalt bekommen. Zudem müsste das Recht des Senats, Entscheidungen der Bezirkspolitik einfach per Beschluss aufzuheben, abgeschafft werden. Eine solche Verfassungsänderung würde der Bezirksversammlung den Status eines vollwertigen Parlamentes verleihen und Demokratie auf lokaler Ebene tatsächlich stärken. Eine Zugangshürde wäre dann auch nach der aktuellen Verfassung möglich – sollte das neue Parlament diese dann für nötig erachten.

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