1968, im Gründjungsjahr des „Theaters für Kinder“, gab es in der Bundesrepublik kein weiteres Theater, das ganzjährig für Kinder spielte. In seinen ersten Jahren machte es sich mit Uraufführungen (Lindgren, Preußler, Maar u.v.m.) einen Namen, seit 1979 ist es Vorreiter auch im Bereich der klassischen Oper für Kinder. Gegen den Widerstand vieler Zweifler entwickelte es sich unter Gründer Uwe Deeken zum Startschuss für ein neues Verständnis von Kindermusiktheater, das sich mit den Jahren auch auf die Staatstheater übertrug.
Derzeit steht Mozarts Zauberflöte unter der Regie von Andreas Franz auf dem Spielplan. Das Stück ist und bleibt der „Dauerbrenner“ des Theaters, bei dem die Vorstellungen stets lange im Voraus ausgebucht sind. Normalerweise dauert die Oper drei Stunden, hier geht sie kindgerecht in der Hälfte der Zeit über die Bühne. Auch Texte, Kostüme und Kulissen sind dem jungen Publikum angepasst: einfache Sprache, besonders bunte Kleider und ein schlichtes, aber wirksames Bühnenbild.
Die von Schulklassen besuchten Vormittagsvorstellungen sind stets bis auf den letzten Sitz gefüllt, die Kinder tuscheln vorher ganz aufgeregt, das kleine Orchester (Klavier, Geige, Flöte) stimmt sich ein. Wenn der Vorhang sich öffnet, lauschen die sechs- bis zehnjährigen Kinder gespannt der Geschichte um Tamino, Papageno und die Zauberflöte. Manchmal wird es unruhig im Saal, wenn sie eine Figur erkennen: „Guck mal, da hinten ist Paminaaaaa, die ist ja hübsch“ hört man ein Mädchen flüstern, noch bevor die Königstochter (Andrea Oswald) ihren ersten Satz spricht.
“Die meisten Kinder kommen sehr gut vorbereitet als kompetente Operngänger zu uns“, sagt Claus Gutbier, Dramaturg am Theater. In der Schule lernen sie vorher die Geschichte und oft auch die Musik kennen. Besonders erfreut sind die Darsteller, wenn die Kleinen in die Arie des Papageno einfallen und in vielen Tonvarianten„der Vogelfänger bin ich ja, stets lustig, heissa, hopsassa!“ mitträllern.
Wenn der Vorhang fällt, fordern die Schüler fast immer eine Zugabe und fangen begeistert an, sich über „die coolen Lichteffekte, als die Schlange getötet wurde“, die Kostüme und Papagenos Witze auszutauschen. Besonders unter den Jungen herrscht Einigkeit, dass der Vogelfänger (Grzegorz Rozkwitalski) ihre Lieblingsfigur ist. „Der war so lustig, weil er so viel Mist gebaut hat“ findet der neunjährige Sam. Die Mädels sind beeindruckt von Pamina und ihrer Schönheit sowie der Königin der Nacht (Katerina Fridland), die „ja richtig hoch singen kann!“ Das nutzt ihre Lehrerin gleich, um Gelerntes abzufragen: „Was meinst du denn, welche Stimmlage sie hat?“ -„Hm, Sopran?!“
Den Lehrern und auch den Veranstaltern geht es natürlich um mehr, als die Unterhaltung der Kinder. Claus Gutbier betont die besondere Faszination der Oper, die alle Künste vereint – mit einer Geschichte, die Lebensfragen der Zuschauer behandelt und erlebbar macht. „Kinder sind für Oper sehr offen, weshalb es so wichtig ist, in den frühen Jahren diesen kulturellen Grundstein zu legen.“ Auch die Musikpädagogin der Grundschule Kamminer Straße, mit ihrer Klasse 3b regelmäßig im Theater, legt besonderen Wert darauf, dass die Kinder die Musik und die Stücke hautnah erleben. „Für viele ist das heute nur noch in der Schule möglich. Zuhause haben sie ihre technischen Geräte – aber der Kontakt zu vielfältigen Musikgenres fehlt!“
Das Theater für Kinder bekommt die Hälfte des Etats von der Kulturbehörde – „das könnte allerdings mehr sein“, so Claus Gutbier, denn die Ticketpreise zu erhöhen, kommt nicht infrage. „Eigentlich gehören Oper und Theater zu einer kulturellen Grundbildung, die selbstverständlich sein sollte“, findet er. In anderen Ländern gibt es diese Grundbildung bereits kostenlos – vielleicht zieht Deutschland oder zumindest Hamburg ja eines Tages nach.
Fotos: J. Flügel/Theater für Kinder
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