Kultur

45 Jahre Theater für Kinder in Hamburg

Kultur
Anja-Katharina Riesterer
@anjaminusk

*1991| Stipendiatin an der MHMK (Studiengang Journalistik) | Kontakt: riesterer@hh-mittendrin.de | www.anja-katharina.de

1968, im Gründjungsjahr des „Theaters für Kinder“, gab es in der Bundesrepublik kein weiteres Theater, das ganzjährig für Kinder spielte. In seinen ersten Jahren machte es sich mit Uraufführungen (Lindgren, Preußler, Maar u.v.m.) einen Namen, seit 1979 ist es Vorreiter auch im Bereich der klassischen Oper für Kinder. Gegen den Widerstand vieler Zweifler entwickelte es sich unter Gründer Uwe Deeken zum Startschuss für ein neues Verständnis von Kindermusiktheater, das sich mit den Jahren auch auf die Staatstheater übertrug.

Derzeit steht Mozarts Zauberflöte unter der Regie von Andreas Franz auf dem Spielplan. Das Stück ist und bleibt der „Dauerbrenner“ des Theaters, bei dem die Vorstellungen stets lange im Voraus ausgebucht sind. Normalerweise dauert die Oper drei Stunden, hier geht sie kindgerecht in der Hälfte der Zeit über die Bühne. Auch Texte, Kostüme und Kulissen sind dem jungen Publikum angepasst: einfache Sprache, besonders bunte Kleider und ein schlichtes, aber wirksames Bühnenbild.
Die von Schulklassen besuchten Vormittagsvorstellungen sind stets bis auf den letzten Sitz gefüllt, die Kinder tuscheln vorher ganz aufgeregt, das kleine Orchester (Klavier, Geige, Flöte) stimmt sich ein. Wenn der Vorhang sich öffnet, lauschen die sechs- bis zehnjährigen Kinder gespannt der Geschichte um Tamino, Papageno und die Zauberflöte. Manchmal wird es unruhig im Saal, wenn sie eine Figur erkennen: „Guck mal, da hinten ist Paminaaaaa, die ist ja hübsch“ hört man ein Mädchen flüstern, noch bevor die Königstochter (Andrea Oswald) ihren ersten Satz spricht.

“Die meisten Kinder kommen sehr gut vorbereitet als kompetente Operngänger zu uns“, sagt Claus Gutbier, Dramaturg am Theater. In der Schule lernen sie vorher die Geschichte und oft auch die Musik kennen. Besonders erfreut sind die Darsteller, wenn die Kleinen in die Arie des Papageno einfallen und in vielen Tonvarianten„der Vogelfänger bin ich ja, stets lustig, heissa, hopsassa!“ mitträllern.

Wenn der Vorhang fällt, fordern die Schüler fast immer eine Zugabe und fangen begeistert an, sich über „die coolen Lichteffekte, als die Schlange getötet wurde“, die Kostüme und Papagenos Witze auszutauschen. Besonders unter den Jungen herrscht Einigkeit, dass der Vogelfänger (Grzegorz Rozkwitalski) ihre Lieblingsfigur ist. „Der war so lustig, weil er so viel Mist gebaut hat“ findet der neunjährige Sam. Die Mädels sind beeindruckt von Pamina und ihrer Schönheit sowie der Königin der Nacht (Katerina Fridland), die „ja richtig hoch singen kann!“ Das nutzt ihre Lehrerin gleich, um Gelerntes abzufragen: „Was meinst du denn, welche Stimmlage sie hat?“ -„Hm, Sopran?!“

Den Lehrern und auch den Veranstaltern geht es natürlich um mehr, als die Unterhaltung der Kinder. Claus Gutbier betont die besondere Faszination der Oper, die alle Künste vereint – mit einer Geschichte, die Lebensfragen der Zuschauer behandelt und erlebbar macht. „Kinder sind für Oper sehr offen, weshalb es so wichtig ist, in den frühen Jahren diesen kulturellen Grundstein zu legen.“ Auch die Musikpädagogin der Grundschule Kamminer Straße, mit ihrer Klasse 3b regelmäßig im Theater, legt besonderen Wert darauf, dass die Kinder die Musik und die Stücke hautnah erleben. „Für viele ist das heute nur noch in der Schule möglich. Zuhause haben sie ihre technischen Geräte – aber der Kontakt zu vielfältigen Musikgenres fehlt!“

Das Theater für Kinder bekommt die Hälfte des Etats von der Kulturbehörde – „das könnte allerdings mehr sein“, so Claus Gutbier, denn die Ticketpreise zu erhöhen, kommt nicht infrage. „Eigentlich gehören Oper und Theater zu einer kulturellen Grundbildung, die selbstverständlich sein sollte“, findet er. In anderen Ländern gibt es diese Grundbildung bereits kostenlos – vielleicht zieht Deutschland oder zumindest Hamburg ja eines Tages nach.

Fotos: J. Flügel/Theater für Kinder

Mehr in Kultur

Bothmer-Nosferatu+

Kulturtipp: Nosferatu zu Gast in der Laeiszhalle

Judith Behnk3. März 2016
Ausstellungsansicht "Geniale Dilletanten - Subkultur der 1980er Jahre in Deutschland"

„Geniale Dilletanten“: Experimente zwischen Lärm und Klang

Judith Behnk5. Februar 2016
moritz_neumeier_by_mathias_becker_02

Im Kern verrückt, die Hülle immer wieder neu – der Hamburger Comedy Pokal 2016

Felix Rasmus Willeke3. Februar 2016
Valerie Bayol

Künstlerporträt: Valérie Bayol – Von Hexen, Zauberern und Drachen in St. Georg

Judith Behnk28. Januar 2016
Gefahrengebiete und andere Hamburgensien

Tipp der Woche: „Gefahrengebiete und andere Hamburgensien“

Isabella David15. Dezember 2015
Asyland Hamburg

Tipp der Woche: Mit „Asyland“ die Perspektive wechseln

Isabella David8. Dezember 2015
Kraftwerk Bille - Hallen

Producers Artfair: „Ein Labor des Austausches“

Judith Behnk9. September 2015
Peotry Slam, Patrick Salmen, Foto: Jelena Malkowski

Weltrekord: Größenwahnsinniger Poetry Slam

Jelena Malkowski28. August 2015
"Kampf der Künste"-Moderator Michel Abdollahi im vollbesetzten Schauspielhaus (Foto: Jan Brandes).

Weltrekordversuch im Dichterwettstreit

Jelena Malkowski26. August 2015

Rund um Billstedt, Billbrook und Horn atmet die grüne Lunge der Stadt. In Hamm, Rothenburgsort, Borgfelde, Hammerbrook, St.Georg, der Alt- und Neustadt, und auf St. Pauli riecht und schmeckt man Hamburg an jeder Straßenecke. Die Hafencity glänzt und glitzert im Schatten der dicken Pötte und Kräne.

Die andere Seite der Elbe auf der Veddel, in Wilhelmsburg, auf dem Kleinen Grasbrook, in Steinwerder, Waltershof, Finkenwerder und auf der Insel Neuwerk lässt hanseatische Tradition spürbar werden.

Das ist Hamburg-Mitte, unser Bezirk inmitten einer lebhaften Stadt. So vielfältig wie seine Bewohner sind die Geschichten, die wir erzählen.

Mittendrin ist Name und Programm – täglich sind wir unterwegs und bringen euch spannende Reportagen, aktuelle Lokalnachrichten und ausdrucksstarke Bilder und Videos aus Hamburgs bunter Mitte.

Hamburger Geschichten

© 2012 - 2015 Mittendrin | Alle Rechte vorbehalten. Impressum - Umsetzung Politikwerft Designbüro.