Drängeln, schubsen und drücken. Hier gilt das Recht des Stärkeren. Eine Menschentraube hat sich gebildet. Mittendrin zahlreiche Fahrräder und Kinderwagen. Ein angeleinter Hund sucht sich zwischen dem Wald aus Beinen seinen Weg an Deck. Ausgelassen stoßen einige Fahrgäste mit einem Bier an, vergnügen sich in der Traube von Menschen. Ihr Ziel ist einer der begehrten runden Tische an Deck. Anderen sieht man den Stress dieser Situation an. Nach einem langen Arbeitstag wollen sie nach Hause. Doch heute reichen ihre Ellenbogen nicht aus. Die Fähre legt ab, frühestens in 20 Minuten geht es hier weiter. Vor allem für Pendler, die auf das Verkehrsmittel zum Übersetzen auf die andere Elbseite angewiesen sind, stellt sich so die alltägliche Horrorfahrt auf der Linie 62 der HADAG Fähren zwischen Finkenwerder und den Landungsbrücken dar. Insbesondere im Sommer und bei Großveranstaltungen in Hamburg kommt es zu solchen Szenen.
Nach der öffentlichen Kritik am Fährbetreiber HADAG in den letzten Wochen, stellten sich Gabriele Müller-Remer aus dem Vorstand der HADAG Seetouristik und Fährdienst AG und Joachim Wiucha vom Hamburger Verkehrsbund im Dienstagabend den Fragen der Abgeordneten, sowie Bürgerinnen und Bürger im Regionalsauschuss Finkenwerder. Zuletzt waren die HADAG-Fähren im September aufgrund der risikoreichen Überladung einer Fähre in die Kritik geraten. Nach diesem Vorfall kamen viele grundlegende Problemlagen der Bürgerinnen und Bürger von Finkenwerder, für die Fähren ein wichtiges Element der Anbindung an die Innenstadt darstellen, zur Sprache.
Unter dem Tagesordnungspunkt „Immer mehr Probleme mit dem Dampfer?“ stellte Gabriele Müller-Remer die Eckpunkte der in Zukunft angestrebten Maßnahmen der HADAG zur Bewältigung der hohen Fahrgastzahlen vor. Das Konzept besteht erstens aus der erhofften Entlastung durch eine neue Linie, die von den Landungsbrücken zur Elbphilharmonie fährt. „Darüber hinaus werden zwei neue ‚Bügeleisen‘ gerade gebaut“, sagt Müller-Remer. Ein ‚Bügeleisen‘, so wird umgangssprachlich der Dampfer Typ 2000 genannt, der vornehmlich durch die HADAG im Fährbetrieb auf der Elbe eingesetzt wird. An Bord passen 250 Passagiere. Zusätzlich zu den zwei neuen Fähren soll der Ein- und Ausstieg der Fahrgäste optimiert werden. Angedacht ist dabei beispielsweise der Einsatz einer zweiten Person an Bord, die den Ein- und Ausstieg überblickt und helfend eingreift. Auch im Fahrplan der Linie 62 soll sich etwas ändern. Bis 22:15 Uhr soll die Fähre im 15 Minutentakt fahren, dies gilt allerdings nur für die Monate März bis September. Ab dem 9. Dezember soll überdies eine „Rundfahrt“ nicht mehr möglich sein. „Die Linie 62 endet dann an den Landungsbrücken an der Brücke 1. Die nächste Fähre in die andere Richtung fährt dann aber von Brücke 3“, so Müller-Remer weiter. Besonders betonte die Vertreterin der HADAG die Zuverlässigkeit der Fähren. So seien von 13.200 Fahrten im vergangenen Halbjahr nur 28 ausgefallen.
„Die HADAG-Fähren sind eines der zuverlässigsten und angenehmsten Verkehrsmittel in Hamburg“, sagt Ralf Neubauer von der SPD, „dennoch gibt es auch hier Verbesserungsbedarf“. Abgeordnete, aber vor allem auch Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an der regen Diskussion. Viele Pendler machten angestautem Ärger Luft, aber auch viele konstruktive Verbesserungsvorschläge. Besonders der Ein- und Ausstieg an den Landungsbrücken und die damit verbundenen Stresssituationen wurden zu einem zentralen Thema des Abends. „Ich kann mir den Ablauf des Ausstieges an einer Endhaltestelle Landungsbrücken bisher nicht vorstellen“, sagt Neubauer. Zur Vereinfachung seien auch eindeutige Markierungen an der Anlegestelle bei den Landungsbrücken geplant, erklärt Müller-Remer. Auch betonten viele Anwesende, dass eine Rundfahrt tatsächlich weiter möglich sei. „Am beliebtesten ist schließlich die Strecke von den Landungsbrücken bis nach Finkenwerder und wieder zurück“, sagte eine Bürgerin.
Des Weiteren kommen zahlreiche andere Problemlagen zur Sprache: beschmutzte Sitze, stinkende Toiletten, Streit um die Fahrradstellplätze, Alkoholkonsum und Rauchen an Deck. Während das Alkoholverbot im HVV nicht für die Fähren gilt und durch den Kioskbetreiber an Bord sogar Bier verkauft wird, ist das Rauchen seit September auch an Deck der Fähren verboten. Für die Gestaltung der neuen Fähren wurden zahlreiche Vorschläge gemacht. Mehr gekennzeichnete Fläche für Fahrräder und Kinderwagen, sowie Sitzplatzreihen statt der runden Tische an Deck, schlugen die Anwesenden vor.
Als zentrales Streitthema kristallisierten sich die Fahrpläne heraus. Besonders für die hochfrequentierte Zeit zwischen 16 und 18 wurde eine Verbindung im 10 Minutentakt gefordert. Auch fahre das letzte Schiff am Wochenende um 23:45 Uhr viel zu früh.
Besonderes Ärgernis für viele Bürgerinnen und Bürger Finkenwerders ist die schlechte Informationsweitergabe über Verspätungen und Ausfälle von Fähren. Am Anleger in Finkenwerder hängen zwar Lautsprecher, Ansagen werden jedoch nicht durchgegeben. „Dafür fehlt derzeit noch der notwendige Verstärker“, sagt Müller-Remer. Die Alternative, eine elektronische Anzeige, sei teuer und nicht ohne weiteres umsetzbar, da es sich bei den Anlegern um öffentlichen Boden handle.
„Der Kundendialog und das subjektive Kundenempfinden liegt uns sehr am Herzen“, sagt Müller-Remer. In Finkenwerder ist man froh, dass die HADAG sich nach langer Zeit und vielen Anfragen zu einem derartigen Gespräch bereit erklärt hat. Offen bleibt, wie die Vorschläge umgesetzt und wie mit der Kritik von Seiten der HADAG umgegangen werden wird.
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden