Politik

Lange Reihe: Der Mix macht´s

Politik

9. August 2013

Dominik Brück

@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Grundeigentümer der Langen Reihe wollen den bestehenden Gewerbemix erhalten. In einem Letter of Intent erklären die Vermieter von Gewerbeobjekten, dass sie zukünftig nur noch in Ausnahmefällen an Filialen großer Handelsketten vermieten wollen. Ob die Selbstverpflichtung ausreicht, um den Charakter der Langen Reihe zu erhalten, muss sich allerdings erst zeigen.

In geänderter Fassung zuerst erschienen in der taz vom 09.08.2013

Insgesamt 11 Grundeigentümer aus St. Georg haben am Montag einen „Letter of Intent“ veröffentlicht. In diesem wird angekündigt, die Verdrängung von inhabergeführten Ladengeschäften durch Filialen von Handelsketten und explodierende Gewerbemieten an der Langen Reihe verhindern zu wollen. „Mit unserer freiwilligen Selbstverpflichtung möchten wir unserer Verantwortung im Stadtteil gerecht werden“, heißt es in dem Schreiben. Die Gewerbevielfalt an der Langen Reihe solle erhalten bleiben.

Im vergangenen Jahr hatte die drohende Schließung der Traditionsbuchhandlung Wohlers aufgrund einer Verdreifachung der Miete in St. Georg für Proteste gesorgt. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hatte Bezirksamtsleiter Andy Grote daraufhin gebeten zu einem Runden Tisch einzuladen. Der „Letter of Intent“ ist jetzt ein Ergebnis dieser Gespräche.

Die Selbstverpflichtung wird nicht von jedem im Stadtteil als Lösung des Problems gesehen. „Es geht aus meiner Sicht nicht um die Alternative eigentümergeführtes Unternehmen kontra Filialisten“, sagt Michael Schwarz, Mitglied des Stadteilbeirats St. Georg. Derzeit entstehe an der Langen Reihe ein Gewerbemix, der nicht den Interessen der AnwohnerInnen diene, sondern einzig und allein Touristen nach Hamburg locken solle. Auch viele inhabergeführte Geschäfte seien hiervon nicht ausgenommen. „Es ist die Vielzahl an Restaurants und Kneipen, welche das Mietniveau explodieren lassen“, so Schwarz weiter. Aus Sicht des St. Georgers, der seit 1951 an der Langen Reihe wohnt, muss der bestehende Bebauungsplan geändert werden, um zusätzliche Gastronomie zu verhindern. „Der Letter of Intent wird ein niedriges Mietniveau nicht wiederherstellen und somit auch die Abwanderung von langjährigen GewerbemieterInnen nicht verhindern können“, sagt Schwarz. Die Erklärung der Grundeigentümer sei eine reine Marketingaktion.

Ob die Selbstverpflichtung den gewünschten Effekt haben wird, ist auch in der Bezirkspolitik umstritten. Das Schreiben der Grundeigentümer weist darauf hin, dass der Markt eigenen Regeln folgt. Jeder Unterzeichner soll daher weiterhin seine unternehmerischen Interessen nach eigenem Ermessen verfolgen – auch wenn dies im Ausnahmefall die Vermietung an große Filialketten bedeutet. „Wir werden abwarten müssen, um zu erfahren, ob dieser Letter of Intent mehr ist, als eine gute PR-Maßnahme“, sagt Bernhard Stietz-Leipnitz, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung. Wenn die freiwillige Selbstverpflichtung die Verdrängung der bestehenden Gewerbestruktur auf der Langen Reihe nicht verhindern kann, sind erneut Bezirkspolitik und Bezirksamt gefragt. „Dass die Grundeigentümer das Quartier erhalten wollen, ist ein wichtiger Schritt, aber ich würde mir auch deutlichere Maßnahmen von SPD und Verwaltung zu diesem Thema wünschen“, fordert Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Der Stadtteilbeirat St. Georg hat bereits angeregt, die für Mietwohnungen bestehende Soziale Erhaltensverordnung auch auf Kleingewerbe auszuweiten. Hierzu ist allerdings eine Gesetzesänderung auf Bundesebene notwendig. „Die Möglichkeit zwingender Beschlüsse sehen wir derzeit nicht“, sagt Susanne Kilgast, Bezirksabgeordnete der SPD. Die Selbstverpflichtung sei daher ein Schritt in die richtige Richtung. „Der Charakter der Langen Reihe kann nur erhalten werden, wenn der ganze Stadtteil zusammenhält“, erläutert Kilgast. Der Schutz der Gewerbevielfalt in St. Georg wird die Bezirksversammlung somit auch in Zukunft beschäftigen. „Wir dürfen jetzt nicht die Hände in den Schoß legen“, sagt Bernd Ohde, Fraktionsvorsitzender der FDP.