Nicht alle Beiräte der an die Rindermarkthalle angrenzenden Quartiere werden sich an der Vergabekommssion für die stadtteilbezogenen Flächen beteiligen. Die Kommission soll bereits Ende Februar erstmals tagen und die zukünftigen Nutzer für die Räumlichkeiten im 1. Obergeschoss auswählen. In den Beiräten gab es heftige Kritik an dem als unzureichend angesehenen Beteiligungskonzept der Stadt und des Projektentwicklungsunternehmens Maßmann & Co.
Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung des Areals der Rindermarkthalle war bei Vermietung an die EDEKA-Nord-Gruppe zunächst nicht vorgesehen. Im September 2011 wurde der Mietvertrag zwischen der Stadt Hamburg und dem Einzelhandelsunternehmen abgeschlossen. Im Juni 2012 begannen die Umbauarbeiten an der Rindermarkthalle. Am 24. September 2012 luden die Stadt und EDEKA dann erstmals zu einer Informationsveranstaltung ein (Mittendrin berichtete). Der Vertreter von EDEKA-Nord, Peter Saur, musste damals eingestehen, dass man die Bedeutung des Projektes im Stadtteil unterschätzt habe. Der Projektentwickler Peter Maßmann sollte im Namen des Unternehmens den Bau- und Planungsprozess betreuen. Maßmann versprach, dass der Prozess ergebnissoffen verlaufen würde. Alle seien zur Mitgestaltung eingeladen. Von dieser Absicht ist scheinbar wenig geblieben.
Durch Planungsworkshops und Baustellenbesichtigungen sollten die Bürgerinnen und Bürger informiert und beteiligt werden. Die Ergebnisse des einzigen bisherigen Workshops wurden bisher, von einer Veröffentlichung auf der Projekthomepage abgesehen, nicht in den Planungsprozess einbezogen. Dennoch wird es am 09. Februar einen zweiten Workshop geben. „Wir nutzen die in den Workshops geäußerten Vorschläge derzeit intern, um unser Konzept weiterentwickeln zu können“, sagt Torsten Hönisch, Projektentwickler bei Maßmann & Co.. Die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger wird unterdessen auf die Vergabe der stadtteilbezogenen Flächen, die seit kurzem von den Projektentwicklern als soziokulturelle Flächen bezeichnet werden, beschränkt. Im Rahmen einer Vergabekommission sollen die Nutzer der Flächen im 1. Obergeschoss des rund 30.000 Quadratmeter großen Areals ausgewählt werden. Diese 850 Quadratmeter wurden von EDEKA für die sogenannte soziokulturelle Nutzung bereitgestellt. Die Vergabekommission soll aus Vertretern der Bezirkspolitik, Initiativen aus dem Stadtteil und Vertretern der Beiräte bestehen. Bis Ende März sollen dann aus den Bewerbern die zukünftigen Nutzer bestimmt werden.
Noch in der vergangenen Woche brachte die SPD einen Antrag in den Ausschuss für Wohnen und Stadtteilentwicklung ein, der die Bürgerinnen und Bürger dazu aufforderte an dem Vergabeverfahren teilzunehmen. Der Antrag wurde mit den Stimmen der SPD, FDP und CDU beschlossen. Die Grünen enthielten sich. „Der Ton des Antrages ist zu belehrend und nicht angemessen. Wir rufen jedoch auch zu einer Teilnahme an dem Verfahren auf“, sagt Michael Osterburg, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Die Linke und die Piraten stimmten gegen den Antrag. „Die Durchführung einer Bürgerbeteiligung in einem einseitig von EDEKA vorgegebenen Rahmen durch eine Projektentwicklungsfirma ohne jedgliche Erfahrung zeigt, dass die Politik hier ihrer Verantwortung nicht nachgekommen ist“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender der Piraten. „Dabei ist es sicher nur ein Zufall, dass diese Projektentwicklungsfirma von einem Mitglied des SPD-Landesvorstandes geführt wird“, so Gerhold weiter.
Der Quartiersbeirat Karolinenviertel ist der Aufforderung des Ausschusses nicht gefolgt. Die Mitglieder sind sich einig, den Prozess nicht zu unterstützen, da dieser keine Bürgerbeteiligung sei. „Hört endlich auf das Bürgerbeteiligung zu nennen. Das Verfahren hat nichts mit Beteiligung zu tun“, sagt Harald Lemke von der Initiative „Keimzelle“. Die Beiratsmitglieder befürchten, dass eine Teilnahme an der Vergabekommission durch die Projektentwickler um Peter Maßmann als Beleg für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger genutzt würde. „Das ist eine reine Alibi-Veranstaltung an der man sich nicht beteiligen darf“, sagt das Beiratsmitglied Christoph Rauch. Nicht allein das Vergabeverfahren, sondern auch der Umfang der soziokulturellen Flächen sind Teil der Kritik. „Wenn die Stadt zehn Millionen Euro zu diesem Projekt beiträgt, dann muss insgesamt mehr für gemeinnützige Initiativen drin sein, als das hier angebotene“, sagt Bela Rogalla, Beiratsmitglied und Landessprecher der Partei die Linke.
Auch in der Sternschanze entschieden die Vertreterinnen und Vertreter nicht an dem Vergabeverfahren teilnehmen zu wollen. Im Sanierungsbeirat Wohlwillstraße wurde am Dienstag heftig um das Thema Rindermarkthalle gestritten. Die anwesenden Vertreter der Bezirkspolitik riefen erneut dazu auf Vertreter in die Vergabekommission zu entsenden. „Man muss anerkennen, dass ein privater Investor diese Flächen im Rahmen einer Bürgerbeteiligung zur Verfügung stellt“, sagt Erkan Sahin, Bezirksabgeordneter der SPD. Auch die Piraten unterstützen eine Beteiligung von Seiten des Beirates. „Trotz unserer Kritik sollten wir uns beteiligen. Sollte sich herausstellen, dass es sich wirklich um eine Alibi-Veranstaltung handelt, können wir immernoch gehen und damit ein Zeichen setzen“, sagt Andreas Gerhold. Die Abstimmung über die Beiratsempfehlung, die eine Teilnahme ablehnt, verlief chaotisch. Sieben Mitglieder stimmten für die Empfehlung, sieben dagegen, sieben enthielten sich. Da keine eindeutige Mehrheit zustande kam, gilt die Beiratsempfehlung als nicht angenommen. Der Sanierungsbeirat Wohlwillstraße wird drei Vertreterinnen und Vertreter in die Vergabekommission entsenden. In der anschließenden Diskussion fanden sich nur mit Mühe drei Beiratsmitglieder, die bereit sind die Plätze im Vergabeverfahren zu besetzen.
Zwei von drei Beiräten haben sich entschieden eine Beteiligung an der Vergabe der soziokulturellen Flächen abzulehnen. „Am Ende müssen wir uns an den Ergebnissen messen lassen und sind dazu auch bereit“, sagt Torsten Hönisch. Die Vergabekommission wird Ende Februar zusammentreten und die Nutzer der soziokulturellen Flächen festlegen. Das Beteiligungsverfahren wird damit sein Ende finden – auch wenn es in den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger keines gewesen ist.
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