Standing Ovations im Kino sind eine seltene Angelegenheit, die der Abschlussfilm der Schwul Lesbischen Filmtage mehr als verdient hat. „Der Kreis“ macht deutlich, warum es das queere Filmfest weiter geben muss.
Fünf Tage lang hat das Publikum bei den 25. Lesbisch Schwulen Filmtagen gelacht, geweint und gelitten. Der Abschlussfilm „Der Kreis“ lässt die Zuschauer diese Gefühlspalette in nur 100 Minuten erleben. Der Dokumentarspielfilm erzählt die wahre Geschichte von Röbi und Ernst, die sich 1956 in Zürich ineinander verlieben – eine Zeit in der Homosexualität in der Schweiz zwar nicht mehr strafbar ist (ganz im Gegensatz zu Deutschland), aber von großen Teilen der Gesellschaft als pervers und abnormal betrachtet wird. Im Wechsel zwischen Spielfilmszenen und Zeitzeugeninterviews nimmt Regisseur Stefan Haupt die Zuschauer mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Hier kämpft die Organisation „Der Kreis“ um das gleiche Recht, dass auch heute noch vielen Menschen auf der Welt verwehrt wird: Das Recht zu lieben.
Ein langer Weg
Haupt zeigt den Zuschauern kurz nach dem Beginn des Films bereits das Happy End: Ernst und Röbi sind nach mehr als 50 Jahren immer noch zusammen und wurden 2003 zum ersten gleichgeschlechtlichen Ehepaar in der Schweiz. Dass der Ausgang der Geschichte früh bekannt ist, nimmt dem Film keine Sekunde die Spannung. Ganz im Gegenteil: Das Publikum stürzt von Tränen zu Gelächter und wieder zurück, leidet mit den Protagonisten und freut sich über jeden noch so kleinen Erfolg bis die Liebe am Ende doch triumphiert.
Bis es soweit ist, liegt aber ein langer Weg vor Röbi, Ernst und den anderen Männern, die im „Kreis“ organisiert sind, der seine gleichnamige Zeitschrift bis in die USA liefert. Haupt greift mit seinem Film ein Kapitel der Schwulengeschichte auf, die den meisten unbekannt ist. Lange vor den Ereignissen in der berühmten Christopher Street schuf der „Kreis“ die Grundlage für die zunehmende Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen. Dabei bleiben jedoch auch historische Kontexte unerklärt, was manchem Zuschauer das Verständnis des Films an manchen Stellen erschwert.
Der Kampf geht weiter – auch mit Filmen
Dennoch gelingt es dem Film zu zeigen wie sehr die Betroffenen unter der gesellschaftlichen Repression zu leiden haben. Den Höhepunkt bilden dabei eine Reihe von Polizeiaktionen, die nach mehreren Morden im Stricher-Millieu auch Mitglieder des Kreis in demütigender Art und Weise unter Druck setzen. Dem Regisseur gelingt es immer wieder den Spagat zwischen großer Nähe zu den Charakteren und der Beobachterperspektive zu meistern, sodass der Zuschauer von den Ereignissen mitgerissen wird, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.
Wer „Der Kreis“ gesehen hat erkennt, welche großen Fortschritte bereits bei der Gleichberechtigung von Homosexuellen erreicht wurden, aber auch, dass noch viel zu tun ist. Der Umgang mit Lesben und Schwulen in den 1950ern ist erschreckend, besonders vor dem Hintergrund, dass in vielen Ländern Repressionen gegen Homosexuelle noch immer normal sind – auch in Deutschland ist die vollständige Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht. Gleichzeitig kann es keinen besseren Grund geben weiter für diese Gleichberechtigung zu kämpfen, als Ernst und Röbi glücklich zusammen zu sehen.
Ein Teil dieses Kampfes werden auch die Lesbisch Schwulen Filmtage bleiben, die sich bereits seit 25 Jahren mit dem Medium des Films für die Rechte von Homosexuellen einsetzen. Auch in diesem Jahr haben die Filmtage wieder viele Themen aufgegriffen, auf Missstände hingewiesen, aber auch das Publikum unterhalten. Dabei ist besonders eines erneut deutlich geworden: Homosexualität ist normal, im Film, in der Gesellschaft und ganz besonders in der Liebe.
„Der Kreis“ läuft ab 23. Oktober im Kino.
Diese Filme haben wir während der Filmtage noch für euch gesehen:
Facebook
Twitter
Flattr
Google+
YouTube
Soundcloud
Paypal
Anmelden