Wer heute in angesagten Vierteln in Hamburg leben möchte, muss viel Geld für wenige Quadratmeter zahlen. Mit Wohnprojekten soll günstiger Wohnraum erhalten werden. Ein Dachverband soll hierzu jetzt die nötige Organisation und Lobbyarbeit leisten.
Wer kennt das Problem nicht: man möchte nach Hamburg ziehen und sucht eine Wohnung. Aber man findet keine, denn es ist extrem schwierig, bezahlbaren Wohnraum in angemessener Lage zu finden. Vor allen Dingen in den Szenevierteln wie Schanze und St. Pauli schießen Mietpreise in die Höhe: 550 Euro Minimum zahlt man in der Schanze an Kaltmiete für eine 50- Quadratmeter-Wohnung. Und das ist schon günstig. Hinzu kommt meist noch die Staffelmiete, durch die sich pro Jahr die Kaltmiete um zwei Prozent erhöht. Nebenkosten dürfen auch nicht vergessen werden. Schnell zahlt man für die angegebene Größe um die 770 Euro im Monat – für viele Menschen unbezahlbar.
Mit „Mietshäuser Syndikat“ gegen den Hausverkauf
Was kann man also tun, um dennoch bezahlbaren Wohnraum zu finden? Die Antwort beschränkt sich auf zwei Maßnahmen: entweder man zieht in einen Außenbezirk der Stadt oder man ergreift selbst Initiative und nimmt das Haus vom Immobilienmarkt, indem man es selbst kauft. Das passiert inzwischen immer häufiger: Die Mitbewohner eines Hauses gründen einen Hausverein und tun sich mit dem „Mietshäuser Syndikat“ zusammen, um eine Hausbesitz-GmbH zu gründen. Das „Mietshäuser Syndikat“ ist das Bindeglied zwischen Hausprojekten und Projektinitiativen deutschlandweit. „Es ist sozusagen das Dach, das als Wächter da ist, damit das Haus nicht verkauft wird“, so Rolf Weilert, der selbst seit 25 Jahren in Wohnprojekten lebt und als Berater der norddeutschen Koordination des „Mietshäuser Syndikats“ (Niedersachsen, Schleswig- Holstein, Bremen und Hamburg) aktiv ist.
Hausbesetzung – letzte Maßnahme gegen den Verkauf
Dass das Zusammenschließen von Mietern innerhalb eines Vereines mit Hilfe von Know- how und einer anfänglichen Finanzspritze des „Mietshäuser Syndikat“ erfolgreich ist, zeigt das Beispiel Vereinssstrasse e.V. Nachdem das Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Haus in der Schanze von der SAGA GWG hätte renoviert werden sollen, überlegten die damaligen Mieter das Haus durch Erbbaurecht zu kaufen und daraus ein Wohnprojekt zu machen, genauer gesagt ein Mehrgenerationenwohnprojekt. „Wir müssen uns immer rechtfertigen, warum wir das Haus gekauft haben. Wir wollen das aber nicht besitzen sondern an weitere Generationen weitergeben“, sagt Bettina Niebuhr, Vorstandsmitglied der Vereinsstrasse e.V. Da das Gebäude 1997 von der SAGA GWG gekauft wurde, hieß es erst einmal miteinander zu verhandeln.
Die städtische Lawaetz- Stiftung galt hier als Vermittler zwischen SAGA GWG und dem neu gegründeten Verein der Hausnummer 28: „V28 e.V.“ Das stellte sich jedoch als gar nicht so einfach heraus. Im Herbst 1998 veröffentlichte die SAGA GWG trotz Verhandlungen den Verkauf der zusammengehörenden Häuser Nummer 26 und 28. Diese Entscheidung führte bei den Mietern zu Unverständnis. Als letzte Maßnahme galt die Hausbesetzung: Plakate wurden aus den Fenstern gehängt und die Presse gerufen. Durch diese Aktion geriet der Verein V 28 e.V. in den Blick der Politik. Das Ergebnis war der Verkauf des SAGA-Gebäudes an die Steg (Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft), die sich für eine Kooperation mit dem Verein bereit erklärte. Es folgte ein Pachtvertrag mit der Steg, der nach langem Verhandeln beider Seiten 2003 unterschrieben wurde.
Kaufen oder verkauft werden
„Jetzt hieß es nach all den Verhandlungen erst einmal durchatmen und selbstständig das von der SAGA heruntergewirtschaftete Haus zu renovieren“, so Gründung- und Vorstandsmitglied Magdalena Verberne. Doch 2008 kam dann ein Kaufangebot der Steg: 1,63 Millionen Euro müsste der seit 2005 aus den Häusern 26 und 28 bestehende Verein Vereinsstrasse e.V. zahlen. „So viel Geld konnten wir ja gar nicht aufbringen. Wir haben natürlich abgelehnt“, sagt Verberne. 2012 stand Vereinsstrasse e.V. dann vor der Wahl: Entweder das Haus wird gekauft oder es gehe auf den öffentlichen Wohnungsmarkt. Hier kam das „Mietshäuser Syndikat“ ins Spiel. „Mit dem Syndikat hatten wir wieder Mut. Ohne sie hätten wir nie die Chance auf einen Kredit bei einer Bank gehabt, um das Haus tatsächlich zu kaufen“, sagt Verberne.
12.400 Euro bringt das „Mietshäuser Syndikat“ und 12.600 der jeweilige Hausverein auf, um gemeinsam auf die 25.000 Euro Stammkapital einer GmbH zu kommen. Dieses wir für den Hauskauf verwendet. Neben der Finanzierung durch eigene Mittel und Bankdarlehen der Wohnungsbaukreditanstalt nutzt Vereinsstrasse e.V. beim Kauf der Gebäude auch die Möglichkeit, das Menschen Ersparnisse direkt und ohne Umweg über Banken bei der Hausbesitz-GmbH anlegen können. Ist der Hauskauf gesichert und vollbracht, beginnen die Mieter im Monat 10 Cent pro Quadratmeter Nutzfläche zusätzlich zu zahlen. Das Geld kommt als Anschubhilfe neuen Projekte zugute. Dieser Solidarfonds wird von dem „Mietshäuser Syndikat“ verwaltet.
Zusammen ist man stärker
Selbstbestimmst, selbstverwaltet und solidarisch sind die existierenden Hausprojekte, dich sich nun unter einem Dachverband, dem Dachverband autonomer Wohnprojekte in Hamburg (DaW HH) zusammengetan haben. Einige Hausprojekte sind und sollen weiterhin, ähnlich dem Karolinenviertel, von der Stadt verkauft werden und die Altmieter durch steigende Mieten somit herausgetrieben. Als Dachverband sei man politisch viel stärker und könne Druck auf die Politik ausüben, nicht an Investoren zu verkaufen, heißt es von den Mitgliedern. Ziel des DaW ist es, sowohl die alten als auch die neuen Projekte zusammenzubringen und „die Kommunikation und Lobbyarbeit zu stärken“, so Rolf Weilert. Aktive haben sich auch schon gefunden: 14 Hausprojekte, darunter auch Vereinsstrasse e.V., sind in dem Dachverband bereits organisiert und es sollen immer mehr werden. Besonders viel Wert wird auf gemeinsame soziale Projekte gelegt. So gibt es unter anderem jede Woche eine Volksküche (VoKü), initiiert von verschiedenen Vereinen. Essen kann dort jeder, der möchte. „Es ist wichtig, in einem guten Umgang mit Menschen zu leben“, sagt Magdalena Verberne. Statt nur nach sich selbst zu schauen solle man sich doch auch um andere Menschen kümmern.
„Recht auf günstigen Mietraum“
„Ich bin gegen den Abriss von alten Häusern, die ein Stück Geschichte an weitere Generationen überliefern und für soziales Zusammenleben unter einem Dach“, sagt Magdalena Verberne, dich schon seit 25 Jahren in der Vereinsstrasse wohnt und seit 20 Jahren an dem Projekt mitwirkt. „Ich habe wirklich viel investiert: zwei Jobs und eine abgebrochene Umschulung. Die Priorität lag aber immer bei unserem gemeinsamen „kleinen Baby“.“ In der Vereinsstrasse zahlen die Mieter um die 5,72 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. „Wir wollen nicht umsonst wohnen, sondern günstigen Mietraum erhalten, auf den jeder Mensch ein Recht hat und auch günstigen Mietraum in attraktiven Gegenden schaffen“, sagt Rolf Weilert. Auch für ihn spielt das Soziale eine wichtige Rolle. Das gegenseitige Helfen und Pflegen im Haus sei auch für die Politik interessant: „Wohnprojekte entlasten die Sozialkassen“, sagt Weilert.
Heute findet die Gründungsparty des DaW HH statt. Es werden Bands wie „Duke and Dukies“ und „Der Unfug und sein Kind“ spielen und DJs auflegen, außerdem werden Filme zum Thema Wohnprojekte gezeigt. Es wird veganes und vegetarisches Essen sowie Longdrinks geben. Jeder kann kommen, der Eintritt ist frei. Um eine Spende wird wie immer gebeten.
Was? Party zur Gründung des DaW HH
Wann? Samstag, 26.04. 2014 15:09 Uhr
Eine komische Uhrzeit? Diese sei an das Ende der Roten Flora Demonstration vom 21.12.2013 angelegt. Die Demonstration begann um 15:00 Uhr.
Wo? Gängeviertel im Valentinskamp 28a, Hamburg
Fotos: Camilla Lindner
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