„To know is nothing at all … to imagine is everything“- heißt es auf Akram Khans Homepage. Auf seine Tanzproduktion DESH, die zwei Abende zu Gast bei den Thalia Lessingtagen war, trifft dieser Spruch sehr gut zu.
„Das war ja fantastisch“, sagt eine Frau nach der Vorstellung zu ihrem Freund. „ Aber manches habe ich irgendwie nicht verstanden.“ In DESH geht es nicht um das „alles verstehen müssen“. Die eigene Vorstellungskraft genügt, um sich eineinhalb Stunden in eine Geschichte hineinzuversetzen, welche viel Raum für Interpretation lässt.
In Bangladesh existieren keine Fußgängerüberwege
Die laute Musik von Jocelyn Pook, in welcher überfüllte und chaotische Straßen zum Ausdruck kommen, versetzt den Zuschauer zu Beginn in Akram Khans Heimat: Bangladesch. Er tanzt durch die Straßen, fällt, wird fast angefahren, rappelt sich auf und läuft weiter. Fußgängerwege existieren nicht, mit Lichteffekten werden vereinzelte sich bewegende Stücke der Fußgängerstreifen auf den Bühnenboden projiziert.
Durch Lichteffekte reist der Zuschauer in eine Märchenwelt
Khan erzählt die Geschichte seiner Heimat, den Generationen- und Immigrationsprozess seiner Familie. Er selbst lebt nun in London, während sein Vater in Bangladesh in einem kleinen Dorf als Koch lebt. Akram Khan spielt und tanzt das ganze Stück hindurch alleine voller Energie und Ausdrucksstärke. Mal tanzt er leicht wie Wellen, mal energisch wie ein Demonstrant. Der Vater entsteht durch ein aufgemaltes Gesicht auf Khans Kopf, die eigene Tochter ist nur durch die Lautsprecherstimme zu hören. Diese wächst in England auf, spricht die Sprache und hört Lady Gaga. Weil sie das bekannte bengalische Bienenmärchen nicht kennt, erzählt Akram es ihr. Mit Lichteffekten auf dem durchsichtigen Vorhang reist der Zuschauer in eine Märchenwelt mit einem Dschungel, einem Elefanten und Schmetterlings- und Bienenschwärmen.
Ambivalenz zwischen den Heimatorten
Obwohl Akram sich in England zu Hause fühlt, hadert er mit dem Angebot seines Vaters, der ihn zurück nach Bangladesch holen möchte. Ein innerer Konflikt entsteht zwischen der wahren Heimat und der Heimat, in der er eigentlich leben möchte. In einer Heimat, in dem keine jungen Mädchen wie seine Tochter arbeiten müssen.
Durch das schlichte, jedoch sehr aufwendige Bühnenbild von Tim Yip, die wechselnde Musik und die malerischen Lichteffekte von Michael Hulls wurde der Abend außergewöhnlich, einprägsam und irgendwie anders. Zum Dank überschüttete das Hamburger Publikum den Künstler minutenlang mit Applaus.
Foto: Richard Haughton
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