Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und dabei feministische Töne im Horrorgenre und eine neue Runde Schattenboxen gegen die Rundfunkgebühr gefunden.
Zur Demokratie gehört die Kritik daran zwingend dazu. Man darf Parlamentswahlen demnach gern für manipulativ halten, elitengesteuert, sogar überflüssig – mangelndes Entertainment ist ihm nur noch selten vorzuwerfen. Der deutsche Supersunday etwa bot vor einer Woche zumindest öffentlich-rechtlich feinste Unterhaltung mit kompetenter Berichterstattung vor allem im Ersten, gefolgt von einer hinreißend klugen Anne Will im Anschluss, der das ZDF – nach gewohnt debiler Primetime-Verseifung – die gehaltvolle Maybrit Illner entgegenstellte. Gewiss, die Stimmverteilung attestiert bis zu einem Viertel der Wähler in drei Ländern zwar eher das Niveau von Inga Lindström als der Talkshowgastgeberinnen, aber sei’s drum: die freiheitlich demokratische Grundordnung muss (und kann) auch geistige Schlichtheit schlucken.
Sie puffert ja auch seit Jahrzehnten das Schattenboxen wider die Rundfunkgebühr ab, das gerade in die gefühlt 2763. Runde ging und auch im laufenden Prozess nicht mit dem Aus dessen enden wird, was Kritiker als Zwangsabgabe missverstehen, letztlich aber eine Art kollektiver Investition in die letzten Reste eines unabhängigen Fernsehjournalismus ist. Gut, dass damit auch patriotisch enthemmtes Jubelpersertum wie im lückenlos gezeigten Wintersport finanziert wird, hat mit Journalismus wenig zu tun, aber damit ist es ja seit Sonntag endlich so vorbei wie mit dem Rosenverkäufer namens „Bachelor“, der RTL im Finale Minusquoten bescherte.
Sky-Aus für den Fußballpatriarchen
Vorbei ist es auch mit Franz Beckenbauer als Sky-Experte, was weniger schade ist als die Frage aufwirft, wie sich der ebenso selbstgerechte wie undurchsichtige Fußballpatriarch so lang am Mikro eines ernstzunehmenden Senders halten konnte. Weit bedauerlicher ist dagegen, dass Carlo Rola keines mehr zur Hand nehmen wird: Herztod mit 57, heißt es über den Regisseur, der eine Art platonischer Symbiose mit Iris Berben gebildet und praktisch jeden ihrer 2763 Filme verfasst, gedreht, produziert hat.
Seine Familiendramen („Die Krupps“) und Reihenkrimis („Rosa Roth“) bilden dabei eine Art zeitgenössisches Vermächtnis des alten Leitmediums – und somit den Gegenentwurf zu dem, was das ZDF auf seinem Ableger Neo versucht: Internet und Fernsehen zu vereinen. Am Dienstag (22.30 Uhr) geht „Blockbustaz“ mit dem Rapper Eko Fresh als stinkfauler, aber herzenswarmer Kiffer im Kölner Plattenbau in Serie, was sich berechenbar der Netzgemeinde anbiedert – dafür steht auch der HipHop-Star Ferris MC als Sols Kumpel, mehr aber noch Joyce Ilg als fürsorglich-prollige Freundin, deren Facebook-Kanal gut eine Million Abonnenten hat; dennoch hat sich der Sieger des TVLab 2014 im Kreise illustrer Gaststars von Frederick Lau bis Moritz Bleibtreu spürbar vom Schülervideo-Niveau des Pilotfilms emanzipiert.
16-stündiger Nerd-Tag bei ZDFinfo
Die Zielgruppe jedoch dürfte sich höchstens zur Mediathek verirren. Im Regelprogramm wird sie ja selbst den Abriss ihrer eigenen Digitalexistenz am Dienstag beim Partnerkanal wohl ignorieren. Zu blöd eigentlich – ab 8.15 Uhr feiert ZDFinfo einen 16-stündigen Nerd-Tag mit Dokus von „Teenager in sozialen Netzwerken“ (16 Uhr) über „Das größte Geheimnis der Spiele-Industrie“ (20.15 Uhr) bis hin zum CCC-Porträt „Hacker, Freaks und Funktionäre – Der Chaos Computer Club“. Während sich die Spartenkanäle also ums Publikum von morgen abmühen, bedienen die großen Sender parallel dazu jenes von (vor)gestern. Das RTL-Biopic „Duell der Brüder“ um die Spaltung der Familie Dassler in Adidas und Puma vor 70 Jahren (mit anschließender Doku) bietet mit Ken Duken und Torben Liebrecht zwar zwei furiose Streithammel auf, verläuft sich ansonsten aber in der branchenüblichen Opulenz überdekorierter Zeitgeschichte, während „Das Geheimnis der Hebamme“ zeitgleich im Ersten zwar von sich behauptet, das populäre Sujet anspruchsvoller als zuletzt Sat1 zu verarbeiten, am Ende aber doch nur die wichtige Klientel der Mittelalterfans mit Schauwert versorgt.
Beeindruckend und vergleichsweise realistisch
Dann doch lieber echtes Eye-Candy wie „Tut“, Donnerstag und Freitag, jeweils 22.15 Uhr, bei Vox – die auf zwei Filme verdichtete US-Miniserie übers Leben des legendären Pharaos Tutanchamun, das dank Ben Kingsley abzüglich der brachialen Musik echt beeindruckend und vergleichsweise realistisch sein soll. Zumindest letzteres gilt gewiss nicht für „A Girl Walks Home Alone At Night“, ein dystopischer Vampirfilm aus den USA (Montag, 23.15 Uhr, NDR) der nicht nur von einer Frau gedreht wurde, was im Horrorgenre extrem selten ist, sondern auch ungewohnt feministische Töne anschlägt. Auf seine Art immerhin emanzipatorisch war die farbige „Wiederholung der Woche“ (Freitag, 0.00 Uhr, Kabel1) „Rocky Horror Picture Show“ von 1975, wohingegen der schwarzweiße Tipp immerhin Freiheitsliebe im Bann maximaler Unfreiheit zum Gegenstand hat: „Das Narrenschiff“ skizzierte 1965 mit Vivien Leigh in ihrer letzten Rolle die Weltgesellschaft am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung bei einer Fahrt von Südamerika nach Bremerhaven. In diese Zeit passt auch die Doku der Woche: „Das Ende des erhabenen Staates“ (Dienstag, 20.15 Uhr, Arte) über den Zerfall des Osmanischen Reiches und wie es das 20. Jahrhundert geprägt hat.
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