Am Donnerstag wurde die Ausstellung „gute aussichten- junge deutsche fotografie“ eröffnet. Bereits zum zehnten Mal findet das Ausstellungsprojekt, welches sich zu einer wichtigen Auszeichnung für Fotografieabsolventen entwickelt hat, statt.
Am Donnerstag wurde die Ausstellung offiziell eröffnet. Außer den Preisträgern waren auch die Gründerin von „gute aussichten“ Josephine Raab und der Kurator des Hauses der Photographie Ingo Taubhorn anwesend. Die Arbeit im Team sei voll von Engagement und auf einer sehr persönlicher Ebene verlaufen, berichtet Raab. Genauso engagiert und lebendig sind die Bilder der neun Fotografieabsolventen, die nun in den Deichtorhallen ausstellen. Die Fotos spiegeln Leben, Erleben und gesammelte Erfahrungen wider. Die teils dokumentarisch geprägten, erzählenden Fotos sind nicht auf der Suche nach dem schnellen Bild entstanden, sondern über einen langen Zeitraum mühselig erarbeitet worden.
Arbeiten der Trostlosigkeit, Langsamkeit und Hoffnungslosigkeit
So zeigt die Arbeit von Birte Kaufmann „The Travellers“ der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin das alltägliche und durch Langeweile geprägte Leben einer Minderheitengruppe in Irland. Zu dieser stark diskriminierten Gruppe verschaffte Birte Kaufmann sich Zugang und musste dafür die Sprache der dort Lebenden Familien lernen, welche nur in gesprochener Form existiert. Während sie sich die Fotos über einen Zeitraum mehrerer Monate in beobachtender Form erarbeitete, setzt Stephanie Steinkopf eher auf inszenierenden Fotografie. Sie begleitet Menschen der einst begehrten Plattenbauten in Berlin Brandenburg, in dem heute nur noch wenige Familien wohnen. „Manhattan- Straße der Jugend“ nennt sie ihre Arbeit. Nach zwei Jahren mühsamer Arbeit änderte Stephanie Steinkopf nochmals ihr Konzept. Statt weiterhin schwarz- weiss zu fotografieren, wechselte sie zur Farbfotografie mit Blitz, da es sehr düster in den Bauten ist. Steinkopfs Bilder spiegeln wie die von Kaufmann Trostlosigkeit, Langsamkeit und Hoffnungslosigkeit wider.
Gärten auf Brachflächen in Lissabon
Lioba Keuck von der Fachhochschule Dortmund fotografierte in den Armutsvierteln der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Dort begleitete sie Menschen, die Gärten aus wirtschaftlicher Notwendigkeit auf Brachflächen anlegen. Sie bauen dort Gemüse an und es entstehen provisorische Hütten und Zäune, welche die Grenzen markieren. Keuck erzählt in „Couve e Coragem“ (Mut und Kohl) die Geschichte einzelner Protagonisten, indem sie diese portraitiert und auch in der Ausstellung mit Abstand voneinander aufhängen lässt. Ihre Fotos bestehen somit aus Portraits, aus dunklen Zaunbildern und Geschichten der dort lebenden Menschen.
Indien abseits jeden farbigen Klischees
Christina Werners fotografierte jenseits jeden Klischees in West Indien im Bundesstaat Gujarat. Ihre Arbeit „Pipal“ besteht aus vier Teilen: Fotos von einfarbigen, hell angestrichenen Holztafeln, auf die später bunte Werbeplakate montiert wurden; zwölf „snapshots“- Bilder von Momenten ihrer Reise, welche in Textform festgehalten wurden und einer gefrästen Platte, welche die „Promenade“, an der sie entlanglief, zeigt. Mit Blättern der Pappelfeige bildet ihre Arbeit ein Raumensemble. Werner versteht sich daher eher als Bildende Künstlerin.
Eine künstlerische Revolution
Marian Luft stellte rund 10.000 Bilder per Photoshop in einer Collage zusammen und ließ diese auf Plexiglas drucken. Dahinter installierte er ein LED- Panel. „Back2Politics“ heißt seine Arbeit, welche bunt, voll, schrill, wirr, geordnet und malerisch schön zugleich ist. In Deutschland herrsche im Moment keine Revolution- der Absolvent der Hochschule Leipzig für Grafik und Buchkunst will, so scheint es, als Künstler eine anzetteln.
Scheich auf Schwarz- saubere Arbeit
Daniel Stubenvoll hingegen mag es geordnet und „sauber“, wie seine Arbeit „Saubere Arbeit“ zeigt.Der Absolvent der Kunsthochschule Kassel setzte elf Teile verschiedener Werke seiner Kommilitonen zum Thema „Grundstein“ mit seinen eigenen Bildern zu Collagen zusammen. Der eigentliche Grundstein steht im Keller seiner Hochschule und ähnlt einer Waschmaschine. In verschiedenen Schritten dokumentiert er den Prozess des Scheiterns, bis am Ende die vollendete, saubere Arbeit herauskommt. Das Ende der Arbeit bildet zugleich den Neuanfang seiner nächsten Arbeit. Sein letztes Bild: Scheich auf Schwarz. Das versteht man nicht?- Der Betrachter am Anfang ebenfalls nicht. Dadurch entstehen diverse eigene Interpretationsansätze.
Hysterische Werkzeuge
Nadja Bournonville von der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig setzt sich mit dem Krankheitsbild der Hysterie, eine der ältesten beobachteten Krankheitsbilder, auseinander. In der Antike dachte man, dass Hysterie durch den nicht regelmäßigen Kontakt von Sperma in der Gebärmutter produziert werde und somit eine „Frauenkrankheit“ war. „A Conversation Act“ zeigt aus Werkzeug und Küchengeräten neu zusammengebaute Geräte, die gegen die Krankheit der Hysterie angewendet wurden. Diese martialischen Geräte hält Bourdiese fotografisch fest.
Geistige und physische Auflösung
Die Absolventin der Fachhochschule Bielefeld, Anna Dominik zeigt mit ihrer Arbeit „Calm II“ eine Vision der Entgrenzung von Körper und Geist: In verschiedenen auf den Grund reduzierten Landschaftsbildern offenbart sich dem Betrachter ein weiter Himmelsblick. Die minimalistischen Landschaftsbilder werden mit Bildern des menschlichen Rückens gepaart und lösen sich gegenseitig auf.
Die Kaffeemaschine ertrinkt im eigenen Saft
Alwin Lay von der Kunsthochschule für Medien in Köln überrascht mit dem Nicht- Erfüllen von Erwartungen seiner Arbeit „mod. CLASSICS“. Das im Raum installierte Wasserglas, das auf einem aus Wunderkerzen gebauten Tisch steht, wird nach dem Abbrennen der Kerzen nicht zu Boden fallen und das erwarte Feuer entfachen. Die Kaffeemaschine in dem Glaskasten produziert durchgängig Kaffee, bis sie in diesem „ertrinkt“.
Die Fotografien, Skulpturen und Installationen überraschen mit Kreativität, mit dem Außergewöhnlichen und dem sensibel Dokumentarischen.Dem Betrachter erschließt sich vieles nicht auf den ersten oder gar zweiten Blick. Die Ausstellung „gute aussichten- junge deutsche fotografie “ zeigt Nachwuchskünstler, bei denen es sich lohnt, sich beim Betrachten der Bilder Zeit zu nehmen, sich zu wundern und zu hinterfragen.
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