Politik

Netzrückkauf: Auf die Straße!

Politik
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Bis zum 22. September will die Initiative „Unser Hamburg, unser Netz“ für den Rückkauf der Strom- und Fernwärmenetze werben. Die freiwilligen Helfer werden deshalb gründlich auf den Kontakt mit den BürgerInnen vorbereitet. Die SPD Hamburg versucht derweil mit einer Gegenkampagne den Volksentscheid zu beeinflussen.

In geänderter Fassung zuerst veröffentlicht in der taz Hamburg am 5. August 2013. 

Im Herzen des Kampagnenbüros von „Unser Hamburg, unser Netz“ steht eine große Wandkarte der Hansestadt. Fein säuberlich ist hier entlang der Stadtteilgrenzen mit gelbem Textmarker markiert, wo die Initiative bereits ehrenamtliche Unterstützer im Einsatz hat. Nur noch wenige weiße Inseln sind auf der Karte verblieben. Fast überall in Hamburg sind Männer und Frauen unterwegs, um für den Rückkauf der Strom- und Fernwärmenetze durch die Stadt zu kämpfen. Hier in der Zentrale der Initiative haben viele von ihnen ihre Grundausbildung erhalten. Alle zwei Wochen zeigt Wiebke Hansen den freiwilligen HelferInnen, wie sie auf der Straße für den Netzrückkauf werben können. Sechs Seminare hat die 34-jährige Kampagnenleiterin bereits durchgeführt und so rund 120 Ehrenamtliche in Gesprächsführung und Argumentation  geschult. „Die Teilnehmer gehen sehr motiviert aus den Seminaren“, sagt Wiebke Hansen.

Heute sind es sieben Frauen und ein Mann, die sich auf ihren Einsatz vorbereiten wollen. Hansen hat bereits viel Erfahrung gesammelt, die sie weitergeben möchte. Seit drei Jahren ist sie für die Initiative aktiv. Am 22. September wird sich entscheiden, ob sich die Arbeit gelohnt hat. Hansen ist zuversichtlich, dass die BürgerInnen sich für den Netzrückkauf entscheiden werden. „Schließlich hat man uns ja mit dem Volksbegehren den Auftrag für den Volksentscheid erteilt“, sagt Hansen. Dies beansprucht jedoch auch die Gegenseite, in Form der Hamburger SPD, für sich. „Die Bürger haben mit ihrer Wahlentscheidung auch für unsere Netzpolitik gestimmt“, sagt Bürgermeister Olaf Scholz zum Auftakt der SPD-Gegenkampagne.

Die Seminarteilnehmer beschäftigt jedoch der politische Gegner zunächst nicht. Heute sollen sie lernen, wie sie Menschen auf der Straße richtig ansprechen und überzeugen können. „Euer Gegenüber schenkt euch eine Aufmerksamkeitsspanne von 15 bis 30 Sekunden“, erläutert Wiebke Hansen eine typische Situation an einem Infostand. Der ideale Gesprächsverlauf ist schnell erklärt. Was jedoch zunächst einfach klingt, ist in der Praxis oft gar nicht so leicht. „Was mache ich, wenn ich eine Frage nicht beantworten kann?“, fragt eine Teilnehmerin. „Das ist überhaupt nicht schlimm“, entgegnet Hansen. „Ihr könnt nicht alles über Netzpolitik wissen“. Am besten sei es dann auf die Initiative zu verweisen und weiter zu erklären,was die eigene Motivation ist. „Ich bin zum Beispiel dabei, weil ich selbst mitgestalten und mitentscheiden möchte“, sagt Hansen.

Ganz ohne Faktenwissen sollen die neuen HelferInnen jedoch nicht an die HamburgerInnen herantreten. Deshalb gibt es zum Abschluss der Veranstaltung einen Crashkurs in Sachen Netzpolitik. Es geht darum einfache Botschaften zu vermitteln, die von den BürgerInnen verstanden werden. Nach dem gleichen Schema verfährt auch die SPD. „Nicht mit meinem Geld“, heißt es auf den Plakaten der Sozialdemokraten, die auf den Kaufpreis von 2 Milliarden Euro anspielen und davor warnen sollen, dass Verluste eines städtischen Netzbetreibers aus dem Haushalt bezahlt werden müssten. Diese Argumentation ist aus Sicht der Initiative falsch. Die Kaufsumme sei eine viel zu hoch kalkulierte Angstzahl. „Ganz wichtig ist, dass der Besitz der Netze ordentlich Geld einbringt. Darüber redet niemand, das müsst ihr weitergeben“, schärft Hansen den TeilnehmerInnen ein. „Mit dem Gewinn kann dann der Kredit für den Kauf abbezahlt werden. Der Haushalt wird dabei nicht belastet, da die Energieunternehmen seit Jahren hohe Profite erwirtschaften“. Nach 25 Jahren sollen die Einnahmen dann vollständig in die Kassen der Stadt fließen und nicht die privaten Unternehmen Vattenfall und E.ON bereichern. „Wenn ein Mietshaus verkauft wird, für welchen Käufer würdet ihr euch entscheiden? Den Miethai oder die Mietergemeinschaft?“, fragt Wiebke Hansen. Dieses Prinzip gelte dann auch für Strom- und Fernwärmenetze. „Viele Menschen sind von der Fernwärme so abhängig, wie vom Wasserzugang. So etwas darf nicht in privater Hand sein“, sagt Hansen. Auch hier halten die Sozialdemokraten dagegen. Die Stromnetze seien in Deutschland durch die Bundesnetzagentur reguliert, so dass ein Kauf durch die Stadt weder einen Einfluss auf die Weiterleitung von Strom und Wärme habe, noch der Anteil von Atom- oder Ökostrom beeinflusst werden könne. Auch die Strom- und Heizkosten würden durch einen Rückkauf der Netze nicht beeinflusst. „Die Pläne der Initiative sind eine Milchmädchenrechnung und bedeuten ein hohes finanzielles Risiko für die Stadt“, sagt Olaf Scholz.

Diese Argumentation wollen die freiwilligen HelferInnen zukünftig mit dem Gelernten an den Infoständen widerlegen.  Am Ende des Abends kann Wiebke Hansen sogar einen weiteren Stadtteil auf der Karte mit neongelber Farbe markieren. Bald werden die Seminarteilnehmer auf die BürgerInnen zugehen, die dann entscheiden müssen, welchen Argumenten sie mehr Glauben schenken wollen. „Wer sich ehrenamtlich für etwas engagiert ist meistens sehr glaubwürdig“, sagt Wiebke Hansen und verabschiedet ihre neuen MitstreiterInnen.

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Mark vom Hamburger Sommer

    5. August 2013 at 11:29

    Na ja, es ist ja weniger eines Frage des „Glaubens“, sondern vielmehr eine des Vertrauens … und der Kenntnislage.

    Letzte Woche gab es dazu auf HAMBURG1 eine sehr erhellende „Diskussionsrunde – Rückkauf der Netze“. Am Ende blieb aus meiner Sicht nicht ein Argument FÜR den Rückkauf der Netze übrig.

    Es ist von Seiten der Befürworter eine ideologischer Streit mit einer entsprechenden Argumentation.

    Man kann nur hoffen, dass sich ALLE Hamburger, die sich an der Abstimmung beteiligen, vorher ausführlich über die Lage informieren. Die aktuelle Lösung von 25,1% Beteiligung der Stadt an den Netzen, wie es vom Senat umgesetzt wurde, reicht vollkommen aus!

  2. Fran Kee (Pirat)

    5. August 2013 at 14:29

    Naja, wo lief die „Diskussionsrunde“ nochmal?
    Und wem gehört Hamburg1 zu 27%?
    Zumindest bis vor einigen Tagen (und über Nacht wechseln da nicht die Akteure)….

    Und wer pumpt seid Monaten in massiven Advertising Kampagnen Geld in Print- und Online-Medien…

    Tipp: https://twitpic.com/d5cqb0

  3. Pingback: Liveticker zur Bundestagswahl 2013 | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

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