Politik

Sorge um das Karoviertel

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Mit dem Verkauf von Wohnungen an das städtische Wohnungsunternehmen SAGA GWG will die Stadt Gentrifizierung im Karolinenviertel verhindern. Auf einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch wird jedoch deutlich, dass die AnwohnerInnen weiter in Sorge über die Zukunft ihres Viertels sind – besonders aufgrund des schlechten Images der SAGA.

Im Februar protestierten die BewohnerInnen des Karolinenviertels bereits gegen den Verkauf von 827 Wohnungen und 78 Gewerbeflächen an die SAGA GWG. Damals wie heute sorgten sich die MieterInnen um eine mögliche Verdrängung aus dem Viertel durch steigende Mieten. Mit 550 Unterschriften wurde die Bürgerschaftsfraktion der SPD aufgefordert dem Geschäft nicht zuzustimmen. Stattdessen sollten die Häuser an die eigens zu diesem Zweck gegründete MieterInnengenossenschaft Karolinenviertel verkauft werden. Trotz der Proteste stimmten die Sozialdemokraten für die Übertragung der Gebäude an das städtische Wohnungsunternehmen. „Wir haben eine politische Entscheidung getroffen und dazu bekennen wir uns“, sagt Dirk Kienscherf, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, am Mittwoch auf einer Diskussionsveranstaltung der Karo-Genossenschaft. Die AnwohnerInnen sind skeptisch, ob das Konzept der Sozialdemokraten aufgehen wird.

Die Stadt sieht im Karolinenviertel Handlungsbedarf, da die 1988 begonnene Sanierung des Viertels zum Ende des Jahres abgeschlossen sein wird. Im Rahmen der Sanierung wurden Wohnungen, Geschäfte und Plätze im Karoviertel modernisiert und instandgesetzt. Dies war notwendig, da im Quartier zuvor über Jahre keine Sanierungen durchgeführt worden waren. Die Gebäude waren daher in einem schlechten Zustand, aber günstige Mieten zogen viele AnwohnerInnen an, die zum Teil noch heute dort leben. Während der Sanierungsphase war das niedrige Mietniveau gesetzlich gesichert. Ab 2014 endet diese Mietpreisbindung für einen Teil der Wohnungen. Die Stadt entschloss sich daher, die betroffenen Bestände in das Eigentum der SAGA zu überführen, um „einer ungewollten bzw. übermäßigen Gentrifizierung entgegen zu wirken“, wie es in einer Senatsdrucksache heißt. Die SAGA darf nach dem Kauf die Mieten über einen Zeitraum von zehn Jahren alle drei Jahre um maximal zehn Prozent erhöhen. Dies würde zu einer Miete von rund 8 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2023 führen.

„30 Prozent der Einwohner im Viertel verdienen unter 1.500 Euro im Monat, wie sollen die sich zukünftig hier die Mieten leisten können, wenn die Löhne so langsam steigen, wie bisher?“, sagt Christoph Rauch von der Karo-Genossenschaft. Für die AnwohnerInnen ist die SAGA kein Garant für moderate Mieten und einen guten Umgang mit den MieterInnen. Das Image des Unternehmens hat in der Vergangenheit beträchtlich gelitten. „Die SAGA hat in den letzten Jahren die Mieten prozentual stärker angehoben, als der private Wohnungsmarkt“, sagt Jonas Füllner, Anwohner im Karoviertel und Aktivist im Netzwerk „Recht auf Stadt“. Professor Ingrid Breckner, Stadtsoziologin an der HafenCity-Universität pflichtet ihm bei. „Das Unternehmen geht sehr unterschiedlich mit seinen Beständen um und ist häufig sehr intransparent“, sagt Breckner. Auch in Beständen der SAGA könne ein Bevölkerungsaustausch in einem Viertel stattfinden, wie der starke Zuzug von Studenten auf die Veddel zeige. „Ob es zu einer Gentrifizierung kommt, hängt nur von der SAGA ab“, sagt Breckner.

Bisherige Erfahrungen mit dem städtischen Wohnungsunternehmen schüren die Ängste der Menschen im Karolinenviertel. „Im Rahmen der Mieterberatung begegnen mir immer wieder Beschwerden von MieterInnen der SAGA GWG“, sagt der Jurist Ralf Ritter. Besonders steigende Mieten und Mängel in den Wohnungen seien häufige Gründe für die Beschwerden. Zudem seien die Sachbearbeiter des Unternehmens nur schwer zu erreichen und es gebe häufig keine Rückmeldungen auf Anfragen. Aus diesem Grund wünschen sich die AnwohnerInnen den Kaufvertrag zwischen Stadt und SAGA einsehen zu können, um erkennen zu können, wenn die SAGA gegen die Vorgaben des Dokuments verstoßen sollte. Bisher wurde der Vertrag weder veröffentlicht, noch ein Termin für die Veröffentlichung genannt. „Die Geheimhaltung des Kaufvertrages schadet der Glaubwürdigkeit der Politik und steigert das Misstrauen der AnwohnerInnen“, sagt Ralf Richter. Auch in anderen Stadtteilen hat man mit der SAGA schlechte Erfahrungen gemacht. „Die Skepsis gegen die SAGA ist auch bei uns in St. Georg sehr groß. Das Unternehmen war im Stadtteil immer einer der Mietentreiber“, sagt Michael Joho, Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg.

Die SAGA kann die Befürchtungen der AnwohnerInnen nicht nachvollziehen. „Wir erhöhen nie die Mieten pauschal für ein ganzes Viertel, sondern nur für einzelne Objekte und das sehr moderat“, sagt Dr. Michael Ahrens, Pressesprecher der SAGA. Die Sozialdemokraten hingegen wollen weiter Gespräche führen. „Wir wollen weiter im Dialog mit den Menschen hier bleiben. Eine Entwicklung wie im Schanzenviertel oder auf St. Pauli wird es hier nicht geben“, sagt Dirk Kienscherf. Diesen Dialog wird die SPD allerdings zunächst ohne die SAGA führen müssen. „Momentan ist es zu früh mit den Menschen im Karolinenviertel zu sprechen, da wir erst ab 2014 zuständig sind“, sagt Dr. Michael Ahrens. Die Angst vor Verdrängung und Gentrifizierung bleibt weiterhin bestehen. Besonders, da bereits jetzt private Wohnungen zu Höchstpreisen vermietet werden. „Wir gehören zu St. Pauli, deshalb wird hier bereits gentrifiziert. In einigen Wohnungen kostet die Miete bereits 15 Euro pro Quadratmeter“, sagt eine Anwohnerin.

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