Politik

Karnevalsdemo: Noch viele Konflikte in Wilhelmsburg

Politik
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Sonnabend zogen zwei bunte Karnevalszüge durch Wilhelmsburg. Mit der Aktion wollen verschiedene Initiativen, Vereine und Verbände auf die bestehenden Konflikte auf der Elbinsel aufmerksam machen.

Es scheint, als sei in Hamburg derzeit tatsächlich eine fünfte Jahreszeit angebrochen. Irgendwo zwischen Frühling und Sommer gelegen, kann sich das Wetter einfach nicht eindeutig entscheiden. Da passt es ins Bild, dass sich entgegen aller karnevalistischen Traditionen am Sonnabend zwei bunte Züge auf ihren Weg über die Elbinseln gemacht haben. Ausgestattet mit Ballons, Trommeln und Tröten zogen rund 500 WilhelmsburgerInnen, teils verkleidet oder bunt bemalt durch den Stadtteil. „Karneval im Juni muss deshalb sein, weil er hochpolitisch ist und einem trotzdem die gute Laune nicht vergehen darf“, sagt eine der Veranstalterinnen. Von Kirchdorf-Süd und vom Stübenplatz liefen zwei Karnevalszüge aufeinander zu, um sich vor dem Gelände der Internationalen Gartenschau (igs) und der Internationalen Bauaustellung (IBA) im Schatten der neuen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt zu treffen. Mit lauten Pfiffen zogen viele der DemonstrantInnen am Gelände der beiden Großveranstaltungen vorbei. „IBA und igs können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Wilhelmsburg noch viele offenen Posten gibt“, sagt eine Teilnehmerin.

Mit dem Umzug wollen die Demonstrantinnen unter dem Motto „Wir sind die Elbinseln“ auf die Themen aufmerksam machen, die dem Stadtteil derzeit unter den Nägeln brennen. Gleichzeitig soll der Karnevalszug zeigen, wie vielfältig das Leben im Hamburger Süden ist. Die meisten DemonstrantInnen halten Plakate und Transparente mit den Themen, die aktuell in Wilhelmsburg besonders umstritten sind. Am prominentesten Vertreten ist das Anliegen der ehemaligen Zinnwerke am Veringhof, die für den Neubau des Opernfundus weichen sollen. Zahlreiche DemonstrantInnen haben sich zusätzlich Aufkleber mit der Aufschrift „Zinn macht Sinn“ auf die Kleidung oder die Plakate geklebt. Auch der Verein Zukunft Elbinsel ist vertreten und protestiert gegen die Verkehrsprojekte Hafenquerspange und Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Auf vielen Plakaten sind Sprüche zu lesen wie „Gute Bildung braucht Zeit. 3,5 Minuten pro Kind und Stunde sind zu wenig“ oder „Mehr Lehrkräfte für Wilhelmsburg“. Die Schulbehörde steht derzeit in der Kritik, da die Schulen im Hamburger Süden sich aufgrund schlechter Ausstattung und Finanzierung nicht mehr in der Lage sehen, die Kinder ausreichend auszubilden. „Wir schlagen Alarm. Die Elbinselschulen sind in einer Notlage“, sagt ein Lehrer aus Kirchdorf-Süd.

 

Auch Integration und Inklusion sind große Themen auf der Karnevalsdemo. Mit Schildern wie „Hinterhöfe sind out, Muslime müssen sichtbar sein“ und „Wilhelmsburg braucht seine Moschee“ wird der Bau eines islamischen Gotteshauses im Stadtteil gefordert. „Eine Gesellschaft für alle“ und „Elbinseln ohne Hindernisse“ fordern Vertreter des treffpunkt.elbinsel, um auf die mangelnde Barrierefreiheit aufmerksam zu machen. Darüber hinaus sind die aufgrund mangelhafter Sanierung von Schimmel befallenen Wohnungen im Korallusviertel und die rund 5000 Bäume, die für die igs gefällt wurden Thema in Wilhelmsburg.

Vor dem Bürgerhaus versammeln sich die Teilnehmer gegen 15 Uhr zur Abschlusskundgebung. Mit rhythmischen Trommeln wird die Wartezeit auf die Redebeiträge verkürzt. Trotz des aufkommenden Regens sind die meisten TeilnehmerInnen bei bester Laune. Kritik an der Politik üben sie dennoch. „Man tut immer so, als seien wir vor IBA und igs auf allen Vieren gekrochen. Das stimmt nicht, wir konnten schon immer aufrecht gehen“, sagt eine Demonstrantin. Eben dies haben die WilhelmsburgerInnen am Sonnabend bewiesen. Ebenso zeigen sie, dass trotz des vom Senat beworbenen „Sprung über die Elbe“ in Wilhelmsburg noch viele Konflikte ungelöst und neue entstanden sind.

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Claudia Roszak

    2. Juni 2013 at 13:35

    Hí, Dominik!
    Deinen Artikel finde ich sehr gut.
    Du hast die gestrige Stimmung auf der Demo gut wiedergegeben.

    Viele Grüße, Claudia Roszak

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