Am Sonnabend präsentierten die BarKeepers bei einer Vernissage in der Molotow Bar auf St. Pauli ihren detailgetreuen Nachbau des vom Abriss bedrohten Kultclubs. Mit ihren Modellen wollen die Künstlerinnen auf das Schicksal der im Zuge der Gentrifizierung sterbenden Bars, Kneipen und Clubs auf St. Pauli aufmerksam machen.
Sonnabend, kurz vor 18 Uhr. Die Tür der Molotow Bar ist noch verschlossen. Viele neugierige Passanten werfen einen Blick durch die Schaufensterscheibe. Im Inneren versucht ein Kameramann jedes Detail eines kleinen Kunstwerks einzufangen. Eine große Herausforderung, denn das Kunstwerk ist die Molotow Bar selbst – im Maßstab 1:32. Nachgebaut wurde die Molotow Bar von den beiden Künstlerinnen Dani Freitag und Alexandra Grieß, den „BarKeepers“. Die beiden haben es sich zu Aufgabe gemacht gefährdeten Kneipen und Klubs auf St. Pauli ein Denkmal zu setzen und sie so für die Nachwelt zu erhalten.
Am Nachbau des Molotow Clubs arbeiten die BarKeepers seit Sommer 2012. Die 1990 gegründete Kult-Bar liegt am Spielbudenplatz auf St. Pauli, in den sogenannten Esso-Häusern. Seit der Gebäudekomplex 2009 von der Bayerischen Hausbau gekauft wurde, plant der Investor den gesamten Block abzureißen. Davon wären nicht nur 107 Wohnungen, sondern auch die Esso-Tankstelle, der Planet Pauli Club, das Autohotel und eben auch die Molotow Bar betroffen. Mit dem Nachbau der Molotow Bar wollen die BarKeepers ein Zeichen gegen die Abrisspläne des Investors setzen. „Zum einen bauen wir die Kneipen nach, weil wir uns selbst auf einer persönlichen Ebene mit ihnen verbunden sehen“, sagt Dani Freitag, „zum anderen wollen wir aber darauf aufmerksam machen, dass auch der Erhalt der alten Kneipen und Bars für die Anwohnerinnen und Anwohner einem Recht auf Stadt gleichkommt.“
An feinen Nylonfäden hängen im Molotow die Vergleichsbilder zwischen der Original und der Miniatur Bar. Die Fotos machen die BarKeepers mit einer kleinen Kamera durch eine schmale Öffnung an der Seite des Modells. Die Bilder zeigen, wie detailgetreu die beiden Künstlerinnen arbeiten. Einfach alles stimmt. Von den kleinen Barhockern und der Beleuchtung, bis hin zum „Kein Abriss“ Schild über dem Eingang der Bar. „Sogar die Sticker und Tags sind gleich. Über sowas freue ich mich besonders“, sagt Dani. Gerade diesen Ist-Zustand festzuhalten, ist jedoch eine besondere Herausforderung. Schnell finden sich wieder neue Sticker und Tags an den Wänden der Bar. „Deshalb kommen wir eine Woche vorher noch mal in die Bar und schauen, was sich seit unserem letzten Besuch verändert hat“, sagt Dani. Den beiden ist wichtig, dass alles stimmt. Deshalb bitten wir die Betreiber auch darum, in der letzten Woche vor der Ausstellung des Modells auch keine neuen Plakate mehr aufzuhängen. Die Molotow Bar im Miniaturformat bekommt einen Ehrenplatz im Schaufenster des Molotows selbst. Eigens dafür wurde ein Holzrahmen im Schaufenster gebaut. Sogar diesen haben die BarKeepers noch schnell ihr Modell eingefügt.
„Und plötzlich war es Kunst!“
Angefangen hat alles mit der Egal-Bar im Karolinenviertel. „Die Egal-Bar war meine Lieblingskneipe, mir blutete das Herz als sie schließen musste“, sagt Dani Freitag. „Ich wollte sie unbedingt für mich nachbauen.“ An den Wochenenden fing Dani Freitag damit an, eine Kopie der Egal-Bar im Miniaturformat zu basteln. „Mit der Zeit ging ich immer mehr ins Detail“, sagt Dani, „und plötzlich war es Kunst!“ Schließlich fing sie an die Bar gemeinsam mit Alexandra Grieß auch von innen zu fotografieren und die Egal-Bar im Schuhkarton durch Detailgetreue wieder zum Leben zu erwecken. „Wir haben uns dazu entschieden, dass wir die Bar anderen Menschen zeigen müssen“, sagt Dani. Die kreative Protestform gegen den Abriss der Kult-Kneipen traf auf so starken Zuspruch, dass die Künstlerinnen sich im Anschluss der Astra-Stube widmeten, deren Mietvertrag in der Max-Brauer-Allee 2014 endet.
Für den Nachbau der Astra-Stube widmeten sich die beiden Künstlerinnen im vergangenen Jahr acht Wochen Vollzeit dem Projekt. In dieser Zeit wurde aus den ersten Abmessungen und Fotos der Kneipe schließlich die Miniatur Astra-Stube. Beim Nachbau der Bars legen Dani Freitag und Alexandra Grieß viel Wert auf die Details. „Wir sind detailverliebt, jedes alte Poster, jeder Schimmelbefall, jedes Tag und jede Ritze im Gemäuer wird von uns detailgetreu nachgestellt und am Ende mit dem Original fotografisch ins Verhältnis gesetzt“, sagt Dani. Gerade diese filigranen Objekte sind oftmals aber nicht so einfach nachzubauen. „Manchmal benötigt man sehr viel Geduld“, sagt Dani, „beim Nachbau der kleinen Flaschen sind wir jedoch schon schneller geworden.“ Für viele kleine Details ist eine Menge Fingerspitzengefühl notwendig. Beispielsweise für die Nadel eines Miniatur-Plattenspielers. Auch bei der Auswahl der Materialien ist oft viel Kreativität gefragt. Karton, Styropor, Alufolie, aus Weihnachtslichterketten werden Lampen, aus einem Paar Ohrringen eine Discokugel.
Der Charakter der Kneipen: „Alter Schweiß und Nikotin“
„Alte Bars verschwinden und damit eine jahrzehntelang gewachsene Begegnungs-, Besäufnis- und Subkultur“, heißt es auf der Homepage der BarKeepers. Statt neuen, charakterlosen Glastürmen und seelenlosen Häuserzeilen, wollen die BarKeepers den Charme der Charakterkneipen und Kiezhäuserzeilen erhalten. Für die Künstlerinnen sind es gerade das Gemisch „aus altem Schweiß und Nikotin an den alten Wänden“, die Barhocker, auf denen schon unzählige Gäste Platz genommen und ihr Bier auf dem Tresen abgestellt haben und auch die Bühnen „auf denen semi-professionelle Kollektive ihr Herzblut vergossen haben“, die das Herz des Stadtteils ausmachen. Die BarKeepers wollen auch nach der Egal-Bar, der Astra-Stube und der Molotow Bar weiter machen. „Wir planen nun etwas weiter weg von bekannteren Szeneclubs zu gehen. Als nächstes wollen wir eher kleine Uralt-Kiezkneipen nachbauen“, sagt Dani. Oft ist jedoch schwierig überhaupt mitzubekommen, ob eine dieser Kneipen schließen muss. „Für viele dieser Kneipen gibt es kein großen Abrissschild oder eine Facebook-Gruppe“, sagt Dani. Deshalb bitten die BarKeepers auf ihrer Homepage auch um Unterstützung: „Falls euer Bar-Wohnzimmer bedroht ist, informiert uns bitte!“
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St.Paulianer
13. März 2015 at 04:32
Molotow? Braucht kein Mensch!