Retro liegt im Trend – auch im Heavy Metal. Ein oldschooliges Dreigestirn aus Schweden machte sich auf, das Rock Café zu bekrachen. Justus Ledig war bei Enforcer & Co. dabei.
Halten wir mal fest: Die Masse an Fans und Bands, die irgendwie im falschen Jahrzehnt geboren scheinen, ist gewaltig. An diesem Mittwochabend versammelt sich vor dem Rock Café eine große Zahl Kuttenträger, von denen viele nicht älter aussehen als 25 Jahre. Kein Wunder, sind doch die heutigen Headliner von ähnlichem Kaliber.
Schweden – oder doch Australien?
Den Auftakt machen Dynamite, während die Location zunächst noch sehr leer ist. Das soll sich im Laufe des Auftritts zügig ändern, der Saal füllt sich respektabel. Indes darf man schnell feststellen, dass die Herren aus Växjö nicht gerade das Highlight des Abends darstellen. Sagen wir’s mal so: Es klingt, als spielten Dynamite ein Best-of der B-Seiten von AC/DC. Kaum jemand dürfte ernsthaft bemerken, wenn sich ein weniger bekannter Song der australischen Vorbilder in die Tracklist schummeln würde. Doch Dynamite haben Spaß, machen ihr Ding technisch solide und wärmen das Rock Café für die weiteren Bands gut vor, denn es gelingt ihnen, das Publikum zu den ersten Mitmach-Aktionen zu bewegen. So gesehen: Aufgabe erfüllt.
Es wird wilder
Nicht lange dauert es, da sind Wolf an der Reihe. Deutlich kreativer und flexibler gehen die Herren aus Örebro zu Werke, die auch mal spürbar das Tempo anziehen. Die kleine Halle platzt zwar noch nicht aus allen Nähten, doch viel Raum vor der Bühne ist nicht mehr. Wolf zocken sich durch ihr Set und beherrschen die Regeln der Kunst: Flinke Nummern für die Headbanger reihen sich an wuchtigen Midtempo-Songs und Sänger/Gitarrist Niklas heizt bei seinen Ansagen ordentlich ein. Bei “Voodoo” beschwört er das Publikum zu einem Sing-a-long-Spiel, was trotz der insgesamt überschaubaren Menschenmenge gut funktioniert.
Manchem mag der bemerkenswert durchtrainierte Frontmann der liebste Hingucker sein; andere erfreuen sich an Bassist Anders, der sichtlich seinen Spaß hat: Ein so sympathisches Dauergrinsen kann einfach nur mitreißen! Und nicht zuletzt verdient sich der Mann hinter dem Schlagzeug Respekt, da er treffsicher seine Passagen mitsingt. Daumen hoch für Wolf!
Das Gaspedal am Bodenblech
Doch was nun in Form von Enforcer folgt, stellt die beiden bisherigen Bands locker in den Schatten. Nach abermals kurzer Umbaupause hat der Headliner von der ersten Note an das Rock Café im Griff. Heiliges Kanonenrohr, eine solche Energie versprühen wirklich nicht viele Bands, nicht einmal im Heavy Metal.
Ohne jetzt Genre-Schubladen zu weit öffnen zu wollen, darf eine Sache als kurzer Exkurs bemerkt werden: In den 1980er Jahren teilte sich das kurzlebige Genre des Speed Metal im wesentlichen in den heftigen Thrash Metal und den melodischen Power Metal auf. Enforcer aber gehen zurück in eine Zeit, wo die Weichen noch nicht gestellt waren. Entsprechend klingt der Sound der Wahl-Stockholmer – fix, filigran, roh und doch mit einer kräftigen Note Melodie. Noch dazu sehen die Jungs aus, als hätten sie 30 Jahre Zeitreise hinter sich.
Das Hamburger Publikum darf sich im düsteren Licht über eine schöne Auswahl Hits freuen – exemplarisch seien nur “Destroyer”, “From Beyond” oder “Katana” (Ansage: “Do you want to hear a song about Japanese warriors?”) genannt. Und im Gegenzug haben Enforcer mit den Hanseaten leichtes Spiel, was angesichts zweier weiterer hochkarätiger Konzerte an jenem Abend (Europe und Annihilator) in der Stadt keine Selbstverständlichkeit ist.
Ungefähr um 23 Uhr beschließen die Schweden den Abend, tatsächlich mal ganz ohne Zugabe. Ein gutes Dutzend Songs hat’s gegeben. Das ist war nicht ewig viel, doch das schmerzt wenig, denn die hohe Geschwindigkeit des Enforcer’schen Materials verlangt irgendwann auch mal wieder nach einer Atempause. Mucke der Marke voll auf die Mütze, Ansagen nicht länger als ein Tweet – das war mal so richtig essenziell!
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