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Kommentar: Waldorf ist gut für Wilhelmsburg

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Anja-Katharina Riesterer
@anjaminusk

*1991| Stipendiatin an der MHMK (Studiengang Journalistik) | Kontakt: riesterer@hh-mittendrin.de | www.anja-katharina.de

Wie am Montag bekannt wurde, soll der Unterricht an der Wilhelmsburger Ganztagsschule Fährstraße Elemente der Waldorfpädagogik übernehmen. Kunst und Handwerk werden wichtiger, es soll fächerübergreifend und möglichst ohne Leistungsdruck gelernt werden – eine Bereicherung des Schulalltags, findet unsere Autorin.

Meine Schulzeit war großartig. 13 Jahre ging ich mit den gleichen Leuten in eine Klasse – eine fast familiäre Gemeinschaft, die nun während des Studiums weiter besteht. Als Kind saß ich in angenehm und farbig gestalteten Klassenräumen, konnte spielerisch rechnen und schreiben lernen, weil kein Notendruck dahinterstand. Kunst, Musik und Handwerk waren Teil meines Schulalltags – alle anderen Fächer auch.

Keine Sektenschulen

Die Vorwürfe, das Wilhelmsburger Schulprojekt laufe Gefahr, weltanschaulich gefärbte Unterrichtsinhalte der Waldorfschulen zu übernehmen, sind blanker Unsinn. Denn mit so etwas kommen selbst WaldorfschülerInnen nicht in Berührung. Ob Kritik an Rudolf Steiners Geisteswissenschaft berechtigt ist, steht auf einem anderen Blatt – sie ist nämlich niemals Unterrichtsgegenstand. Normalerweise verlässt man die Waldorfschule ohne auch nur über Grundkenntnisse der Anthroposophie zu verfügen. Die Unterrichtskonzepte als solche – kein Sitzenbleiben, keine Zensuren bis zur 10. Klasse, viele künstlerische Fächer, Begleiten statt Beurteilen – basieren auf Steiners menschenkundlichen Forschungen. Das bedeutet, dass die Erziehung nach menschlichen Entwicklungsgesetzen ausgerichtet ist, statt, wie es an staatlichen Schulen die Tendenz hat, nach wirtschaftlichen Erfordernissen.

Der stark vertretene künstlerische und handwerkliche Unterricht hat noch niemandem geschadet – im Gegenteil! Neben ganz offensichtlichen Vorteilen wie „ich kann mir selbst einen Stuhl zimmern“ oder „ich hab ein gutes, gestalterisches Gefühl für Farben“ müssen die SchülerInnen nach einer Mathestunde immer wieder den Weg in die Hände, die Tätigkeit finden und werden somit nicht nur verkopft ausgebildet und auf das Leben vorbereitet.

Natürlich lehren auch Waldorfschulen Mathe, Deutsch, Chemie, Englisch usw. Die Art des Unterrichts variiert, aber vom viel zitierten „Singen und Klatschen“ kann nicht die Rede sein. Wie könnte ich sonst diesen Text schreiben, gar das Hamburger Zentralabitur bestehen?

Die Sache mit dem Namentanzen

Und dann ist da noch diese Frage nach dem Namentanzen, die immer aufkommt, wenn ich aus meiner Schulzeit berichte. Zugegeben, völlig unberechtigt ist sie nicht. Eurythmie, eines unserer künstlerischen Teilfächer, ist eine Tanzform, die unter anderem mit der Darstellung von Lauten arbeitet und so Choreographien zu Gedichten ermöglicht. Das kann übrigens richtig schön aussehen. Oder lustig. Auf Youtube machte kürzlich eine eurythmische Fußballreportage die Runde. Um in der ersten Klasse das eurythmische Alphabet zu lernen, beginnt jedes Kind, wie auch beim schriftlichen Alphabet, mit den Lauten seines Namens. „Staatliche Schule? Du kannst also deinen Namen schreiben!“ ist daher meine Antwort. Ach ja, schreiben kann ich meinen Namen übrigens auch.

Eurythmie ist eine Bewegungsart, die Raumgefühl, Gruppengefühl, Musikalität, Körperbewusstsein und Rhythmusgefühl gleichzeitig vermittelt. Herz, Hand und Verstand werden gefördert – dieses Namentanzen ist tatsächlich zu etwas gut!

Gerade nach „Alphabet“, einem Film, der deutlich gezeigt hat, dass es im staatlichen Bildungssystem einiges an Nachholbedarf gibt, ist es erfreulich, wenn die Wilhelmsburger Schule einige in der Waldorferziehung fruchtbare Elemente übernimmt.  Zumal ein bisschen mehr „Waldorf“ jeder staatlichen Schule der Welt gut täte.

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