Seit Wochen wird in Billstedt eine hitzige Diskussion über die geplante Unterbringung von 60 Flüchtlingen und Wohnungslosen in einer alten Schule am Osteinbeker Weg geführt. Die bisher einzige Unterbringung in Billstedt am Mattkamp dient Gegnern der geplanten Unterkunft regelmäßig als Negativbeispiel.
In geänderter Fassung zuerst veröffentlicht in der taz. Hamburg vom 15.03.2013
Das Pavillondorf am Mattkamp besteht seit fast 20 Jahren. Auf dem Gelände für das in den vergangenen Jahren keine andere Nutzung geplant wurde leben insgesamt 360 Menschen aus über 30 Nationen in 16 Leichtbauhäusern. Die Einrichtung ist bis auf den letzten Platz belegt. Je zwei Personen sind in einem der 15 Quadratmeter großen Zimmer untergebracht. Familien teilen sich mehrere Zimmer. Auf einem Flur befinden sich sechs Zimmer, Waschräume und eine Gemeinschaftsküche. Obwohl der Mattkamp ursprünglich als Provisorium eingerichtet wurde, ist alles sehr gepflegt. Die Häuser wurden erst vor einem Jahr renoviert.
„Natürlich wünschen wir uns oft, Einzelzimmer für besonders belastete Menschen zu haben. Doch das ist leider nur selten möglich“, sagt Regina Barthel, die für die Entwicklung und Planung der Sozialen Arbeit bei fördern&wohnen zuständig ist. Das Unternehmen betreibt im Auftrag der Stadt rund 70 öffentlich geförderte Unterbringungen. Trotz der beengten Verhältnisse gilt der Mattkamp im Vergleich zu anderen Unterkünften als positives Beispiel. „Ich spreche mich generell dafür aus, dass Menschen nur einen sehr begrenzten Zeitraum in öffentlichen Unterkünften leben sollen“, sagt Renate Hercher-Reis, Abgeordnete der Linken in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Für eine kurze Zeit sei eine Unterbringung wie am Mattkamp akzeptabel, wenn sicher gestellt sei, dass die Menschen schnell in eigene Wohnungen ziehen können.
Der Weg aus der öffentlichen Unterbringung in normale Wohnverhältnisse ist jedoch schwierig. 50 Menschen verlassen jedes Jahr den Mattkamp und beziehen eine eigene Wohnung. „Es fehlen bezahlbare Wohnungen“, sagt Regina Barthel. Das sechsköpfige Team, das die Einrichtung betreut, engagiert sich sehr für die hier untergebrachten Menschen. Täglich sind die Mitarbeiter ansprechbar und stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern bei Behördenangelegenheiten und Problemen des Alltags mit Rat und Tat zur Seite. Auch die Vermittlung von Sprachkursen übernimmt das Team. Gemeinsam mit dem Projekt Crossroads werden seit 2009 regelmäßig kulturelle Veranstaltungen organisiert. Auf dem letzten Stadteilfest in Billstedt konnten die Bewohnerinnen und Bewohner des Mattkamp frische Pizza aus einem selbst konstruierten Ofen verkaufen. „Es ist wichtig, dass die Menschen aus der Einrichtung rauskommen und sich integrieren können“, sagt Beate Boch, die Leiterin des Mattkamp. „Die meisten kommen mit großen Erwartungen her und sind dann enttäuscht, dass sie nicht arbeiten dürfen“, sagt Boch weiter.
Beschwerden von Nachbarn über die Bewohnerinnen und Bewohner hört Beate Boch selten. Es gebe alltägliche Konflikte, aber besondere Zwischenfälle habe es lange nicht gegeben. „Aus meiner Sicht stört der Mattkamp niemanden“, sagt Renate Hercher-Reis. Für den Osteinbeker Weg wünscht sich das Team des Mattkamp mehr Verständnis von den Anwohnerinnen und Anwohnern. „Sobald dort gebaut wird, werden wir die Unterkunft schließen. Es ist doch auch in unserem Interesse und dem der Bewohnerinnen und Bewohner, dass mehr Wohnungen entstehen“, sagt Beate Boch.
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