Politik

IBA & igs: Kritik und Protest werden lauter

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Mathias Birsens
@m3irsens

Redakteur | Student der Islamwissenschaft und der Philosophie an der Uni Hamburg | Kontakt: birsens@hh-mittendrin.de

Ein Plakat weist auf die Demonstrationen am Eröffnungswochenende der IBA hin.Kurz vor Beginn der Internationalen Bauaustellung (IBA) am 23. März werden die Proteste an der Veranstaltung immer lauter. Auch die bevorstehende Internationale Gartenschau (igs) steht in der Kritik. Der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) kritisiert das mit den Ausstellungen verbundene Stadtentwicklungsprogramm «Sprung über die Elbe» als reine „Imagekampagne“.

Der Countdown zur Internationalen Bauaustellung (IBA) läuft: In weniger als zehn Tagen soll die Großveranstaltung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit einem Festakt eröffnet werden. Auch die Gegner und Kritiker von IBA und igs bereiten sich auf die bevorstehende Eröffnung vor. Der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) hat am Donnerstagabend im Centro Sociale die Vortragsreihe «Unternehmen Wilhelmsburg» gestartet. Dabei wurden die Ziele und Auswirkungen der beiden Großevents ausführlich unter die Lupe genommen. Die Initiative wirft der Stadt Hamburg vor eine „Imagestrategie“ und keine Stadtentwicklung zu betreiben. Deshalb ruft der AKU gemeinsam mit der Kampagne «IBA?NigsDA!» zu Protesten und Demonstrationen bei der IBA-Eröffnung am 23. März auf.

Diese sollen jedoch außerhalb der Hör- und Sichtweite des Festaktes gehalten werden, befürchtet Thomas Koyar von «IBA?NigsDA!» nach einem ersten Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde am Donnerstag: „Es gibt faktisch ein Demonstrationsverbot rund um das Bürgerhaus in Wilhelmsburg. Wir werden nicht näher als 200 Meter an die Veranstaltung rangelassen und auch das nur wenn unsere Lautsprecher in die andere Richtung zeigen.“ Ihren Protest wollen die Mitglieder der Anti-IBA-Kampagne trotzdem kundtun. „Die Demonstration findet statt!“, so Koyar. Zurzeit berate die Initiative mit ihren Anwälten über das weitere Vorgehen. Aus ihrer Sicht verhindere der Mindestabstand zwischen 50 und 200 Metern und eine Absperrung durch Polizeizäune und eine private Sicherheitsfirma, dass der Protest sichtbar wird.

Gründe gegen die Ausstellungen zu protestieren gibt es genug, wie der AKU in ihrer Veranstaltungsreihe zeigen möchte. Der AKU beschäftigt sich bereits seit 2007 systematisch mit der Stadtentwicklung in Wilhelmsburg und ist Teil des Bündnisses «IBA?NigsDA!». Die Aktivisten werfen der Stadt Hamburg vor, mit den beiden Großveranstaltungen nur ein neues Image für einen problembehafteten Stadtteil zu schaffen und keine nachhaltige Stadtentwicklung zu leisten. Sie kritisieren, dass IBA und igs mehr Schein als Sein wären und in vielen Bereichen keine nennenswerte Verbesserung der Situation auf der Elbinsel geschaffen hätten. „Der sogenannte «Energieberg» ist immer noch eine irreparabel beschädigte, dioxinverseuchte Müllkippe“, sagte ein Mitglied der AKU auf der Veranstaltung. Er sei somit ein Beispiel für das was beim «Sprung über die Elbe» schief laufe: „Da wird viel Arbeit in die Präsentation gesteckt, aber es gibt wenig echte Veränderung.“, beklagt Florian Hohenstatt vom AKU.

Zudem bemängelt die Gruppe, dass die Wilhelmsburger Bürgerinnen und Bürger nicht genügend am Prozess der Stadtentwicklung im Zuge des «Sprungs über die Elbe» beteiligt wurden. „Eine wirkliche Mitbestimmung, die auch sagt, was in diesem Stadtteil gemacht wird, gab es nicht“, kritisiert  der 32-Jährige. Stattdessen seien den Bürgern vorgefertigte Option vorgelegt worden oder die Auswertung der Bürgerbefragungen verloren gegangen. Die Gruppe prangert an, dass die Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger durch die Flächenprivatisierung im Zuge der IBA und der igs auch wichtige öffentliche Flächen, wie etwa den Alfred-Menge-Park verlieren. Was nach den Veranstaltungen 2013 mit dem privatisierten Gelände passiert ist noch unklar. Die Initiative befürchtet eine dauerhafte Privatisierung und Kommerzialisierung der Flächen.

Was den engagierten Hamburger Bürgerinnen und Bürgern jedoch besondere Sorge bereitet, ist die Aufwertung ihres Viertels durch die erfolgreiche Imagekampagne der Stadt Hamburg. Durch die Aufwertung ziehen immer mehr Menschen ins „Szeneviertel“ Wilhelmsburg. Der vorhandene Wohnraum wird noch weiter verdichtet, als er es sowieso schon ist. „Wilhelmsburg ist einfach generell unterdurchschnittlich mit Wohnraum versorgt“, erklärt Moritz Rinn vom AKU. Zusätzlich seien zwischen 2006 und 2012 rund 1500 neue Bewohner auf die Elbinsel gezogen. Im gleichen Zeitraum seien jedoch nur wenig neue Wohnungen gebaut worden. Dies würde die Mieten in die Höhe treiben und viele alteingesessene Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger dazu zwingen ihr Quartier zu verlassen. Die von der IBA angepriesene Vielfalt des Viertels drohe auf diese Weise verloren zu gehen, warnt der Arbeitskreis. Aus diesem Grund wollen die Aktivisten zur IBA und zur igs kein Vorzeige-Stadtviertel präsentieren, sondern den Protest sichtbar machen auch für die Touristen, die da im nächsten halben Jahr auf die Elbinseln kommen werden. Das will die Gruppe nicht nur durch die Demonstrationen zur Eröffnung, sondern auch durch «IBA?NigsDA!»-Wimpel ausdrücken, die sie verkauft. Diese sollen im Alltag zum Ausdruck bringen, dass ihr Träger nicht länger bereit ist den Rummel um IBA und igs mitzumachen, erklärt Florian Hohenstatt.

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3 Kommentare

  1. Claudia Roszak

    16. März 2013 at 18:43

    Hallo, Matthias!
    Ich wohne seit 1991 in Wilhelmsburg und engagiere mich seit Mitte der Neunziger in der Bürgerbewegung. Als „Alteingessene“ möchte ich gerne meine Sichtweise darstellen:
    Ich fühle mich von IBA/IGS nicht be-/verdrängt und bin nicht neidisch auf die Leute, die sich die Neubauten leisten können. Ich finde, dass die Neubürger (egal ob reich oder nicht) den Stadtteil beleben und noch interessanter machen. Mich muss niemand retten und mir zeigen, dass ich IBA/IGS doof zu finden habe. Ich kann mir meine eigene Meinung bilden. Dazu brauche nicht den AKU ausdrücklich nicht, die ja selbst mehrheitlich neuzugezogen und damit nach ihrer eigenen Definition selbst Genetrifizierer sind.
    Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, dass der Sprung über die Elbe keine IBA Erfindung ist, sondern im Rahmen der Zukunftskonferenz von den BürgerInnen entwickelt wurde. Die Stadt hat dann später diese Idee aufgenommen mit ausdrücklichen Bezug auf die ZuKo und dass unser Idee war. Ende der Neunziger und 2000er Jahre war das Lebensgefühl auf den Elbinseln verzweifelt und hoffnunglos. Frau/Man brauchte viel zum Hierbleiben und Weitermachen. Die derzeitige Entwicklung des Stadteils kann ich aufgrund der Erfahrungen dieser Zeit nicht komplett scheiße finden. Im Gegenteil für meinen Geschmack hat sich hier einiges positiv verändert. Fakt ist natürlich trotzdem, dass die IBA die grundsätzlichen Probleme nicht lösen konnte aufgrund des Widerstandes der Wirtschaft und Hamburg Port Authority (z.B. Uferzugänge zum Reiherstieg und gemischte Nutzung am Westufer des Veringkanals)und aufgrund des mangelnden sozialen Gewissens des damaligen und heutigen Senates. Auch wird das Goldene Kalb Hafen immer noch von der Stadt angebetet und blockiert eine sinnvolle Entwicklung, die alle BewohnerInnen der Inseln mitnimmt und leben lässt, wie sie wollen. Der AKU kann natürlich seine Meinung öffentlich kundtun und demonstrieren. Das ständige Gebetsmühlenhafte Herbeten von Anti-Genetrifizierungs-Parolen wird jedoch meiner nach dem komplexen Thema nicht gerecht. Ich will hier keine agressiven Aktionen, das hat Wilhelmsburg und seine BewohnerInnen nicht verdient. Gruß Claudia

  2. Anja Wilderat

    27. April 2013 at 20:05

    Ich bin 1956 auf der Elbinsel geboren und erinnere mich noch heute gern an die „Kastanienallee“, die am Rathaus entlang führte. Von diesen Bäumen durfte einer oder zwei stehen bleiben, die anderen fielen dem Wahn der IGS bzw. IBA zum Opfer.Ich bin entsetzt, was uns die IBA für „Bauten“ auf jeden freien Centimeter des Baugrundstücks gezimmert hat. Ich möchte dort nicht wohnen und kann mir auch eigentlich nicht vorstellen, dass dort Mieter wohnen mögen, die sich so hohe Mieten leisten können. Auf der anderen Straßenseite hat die Behörde einen furchteinflößenden Kasten gesetzt. Wer für die Marktfläche verantwortlich ist, ist mir nicht bekannt. Mir fällt schon seit Jahren auf, dass es für ältere Menschen keine Sitzgelegenheiten mehr gibt. Immer mehr Bänke verschwinden von der Bildfläche. Jetzt sind lediglich mehrkwürdige Wellenanlagen ohne Rückenlehne gebaut worden, die das Sitzen für ältere Menschen nicht möglich macht. Da hätten lieber die vorigen Bäume mit der umrandeten Mauer bleiben sollen. Hätte wieder einiges an Geld eingespart.
    Ich frage mich auch, wer sich durch dieses VERSCHANDELN einer ehemals sehr grünen und schönen Insel mehr Tourismus verspricht. Das Einkaufen ist, hier besonders in Kirchdorf Süd, eine Zumutung. Ausser Penny haben wir keine Einkaufsmöglichkeit. Ein zusätzlicher Markt wurde zwar geplant, der Plan aber wieder verworfen, damit seltene Insekten nicht vertrieben werden. Das sich hier aber seit Jahrzehnten eine Altenwohnanlage befindet und für die Senioren die Fahrt mit dem Bus zum Marktkaufcenter beschwerlich ist, da wurde natürlich kein Gedanke verschwendet. Lange Rede kurzer Sinn. Mein Wilhelmsburg gibt es nicht mehr. Es ist alles kalt und ungemütlich geworden. Wie die häßlichen neuen Bauten. Da helfen auch keine 100000 Blumenzwiebeln, Rosenbüsche und Stauden mehr. An den späteren „Nachlaß“, was wiederum unser „Erbe“ sein wird, mag ich gar nicht denken.
    Persönlich finde ich es gut, dass der AKU seine Meinung kundtut. Es wäre aber nett, wenn nicht jede Zeile voll von Fremdwörtern wäre. Denn nicht jeder Bürger hat Interesse, auch wenn der Inhalt interessant ist, mit einem Fremdwörterlexikon ewig nachschlagen zu müssen :-)
    LG Anja

  3. Nachttischbuch-Verlag, Berlin

    2. Mai 2013 at 12:32

    Nun hat die „internationale gartenschau“ (igs) in Hamburg-Wilhelmsburg ausgerechnet am Jahrestag der Tschernobyl-Verseuchung Europas begonnen. Und trotz der vielen – im doppelten Sinne – offenen Baustellen läuft die „Internationale Bauausstellung“ (IBA) unter dem Motto „Stadt neu bauen“. Aber „Stadt“ wird hier eben nicht gebaut, schon gar nicht „neu“.
    Leider ist solche Mottowahl nur allzu konsequent, nachdem SPD- und CDU-Regierungen jahrzehntelang den Stadtteil „saniert“ haben. Ein Höhepunkt der Schau ist denn auch der „Energieberg“. Bis dahin war er eine der größten und gefährlichsten Gifthalden Europas. Vor Jahren wurden dort noch „Supergifte“ wie TCDD gefunden. Heute sollen Touristen sich an der Aussicht ergötzen, wo nebenan Rottungsgas aus der Halde voller krebserregender Rückstände abgefackelt wird. „In achtzig Gärten um die Welt“ ist das Motto einer zynischen Show: Es ist, als würde man Seveso zum lauschigen Ausflugsziel deklarieren.
    Das wissen Menschen außerhalb Wilhelmsburgs kaum. Daher ist es begrüßenswert, dass Ihre Webseite informiert!
    Wer abseits der Plakate und der enthemmten Propaganda die jahrzehntelangen Vorgeschichten (beispielsweise des Giftberges Georgswerder) nachlesen möchte, kann das – mit unseren bescheidenen Mitteln – auch hier tun: http://www.nachttischbuch.de/hamburg.pthml. Eine Leseprobe zum „Energieberg“ finden Sie hier, linke Spalte unten: http://www.nachttischbuch.de/jogschies_leseproben.phtml.
    Es würde uns freuen, wenn Sie diese Form der pragmatischen, Archive nutzenden Medienkritik beachteten und vielleicht sogar empfehlen mögen. Mit Gruß vom Ort der tollsten Flugplatzbauer aller Zeiten

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