Die Hilfsangebote für Geflüchtete am Hauptbahnhof sind ins Bieberhaus umgezogen – unter der Schirmherrschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Ohne Freiwillige wäre die Tagesstätte nicht möglich.
„Flüchtlingshilfe“ steht auf einem DIN A4 Zettel am Treppenaufgang im Bieberhaus. Ein dicker Pfeil zeigt nach oben. Vor einer Woche hat im ersten Stock, zwischen Ohnsorg Theater und Finanzamt Oberalster, eine Tagesstätte für Geflüchtete eröffnet. Die Hilfsangebote, die bisher in provisorischen Zelten auf dem Hachmannplatz untergebracht waren, haben hier nun Räumlichkeiten – beheizt und trocken.
„In den Zelten konnte nicht weitergearbeitet werden, innen hat es schon geschimmelt und es war einfach viel zu kalt“, sagt Sidonie Fernau vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg. Die 900 Quadratmeter große Tagesstätte soll Geflüchtete und Helfer vor Kälte und Regen, aber auch vor neugierigen Blicken schützen.
Mietfrei bis Ende August 2016
Seit Mitte Oktober unterstützt der Paritätische Wohlfahrtsverband die freiwilligen Helfer am Hauptbahnhof. Zunächst hatte der Verband Zelte mit Fußböden und Heizungen organisiert. „Dann sind wir da einfach so reingerutscht“, sagt Fernau. „Wir haben versucht Hilfsangebote in Bereichen zu ergänzen, in denen wir viele Mitgliedsorganisationen und Erfahrungen haben.“ Dazu gehört eine mobile Kindertagestätte und medizinische Versorgung durch Ärzte und Fachpersonal, die nun mit ins Bieberhaus umgezogen sind.
Die Räume im Bieberhaus stellt die Alstria Office REIT AG mietfrei zur Verfügung – bis Ende August 2016. Den Nutzungsvertrag mit Alstria hat der Paritätische Wohlfahrtsverband unterschrieben, der gemeinsam mit Al-Nour-Moschee, Bahnhofsmission, Caritas, Hoffnungsorte Hamburg, dem Kirchenkreis Hamburg-Ost, dem Zentralen Koordinierungsstab Flüchtlinge der Stadt und den freiwilligen Helfern ein Konzept für die Tagesstätte erarbeitet hat.
Ohne Freiwillige geht es nicht
Fernau koordiniert für den Paritätischen Wohlfahrtsverband die Organisation der Tagesstätte am Hauptbahnhof. Dabei geht es oft um ganz alltägliche Probleme: Ein Klo ist verstopft, neue Müllcontainer werden benötigt, mit der Deutschen Bahn muss geklärt werden, wo ein Container für den Info-Tresen der Helfer aufgestellt werden kann. „Vieles ist improvisiert und nicht großartig geplant“, sagt Fernau.
Die unterschiedlichen Hilfsangebote im Bieberhaus sind weiterhin eigenständig und ehrenamtlich organisiert: Eine Kleiderkammer für Erwachsene und eine für Kinder, Essensausgabe, medizinische Versorgung und die mobile Kita. Im Bieberhaus werden auch zwei Büros sowie ein Mitarbeiterraum für die selbst organisierte Helfergruppe eingerichtet. WLAN gibt es bisher nicht, das soll sich aber bald ändern.
Geleitet wird die Tagesstätte von Mariam, Sebastian und Bahar. Die drei haben sich bereits vor dem Umzug ins Bieberhaus im Organisationsteam der Freiwilligen am Hauptbahnhof engagiert. Nun arbeiten sie als Hauptamtliche für den Paritätischen Wohlfahrtsverband in drei Schichten im Bieberhaus. „Uns war wichtig, dass die Organisation von Menschen übernommen wird, die die Abläufe und Strukturen der Flüchtlingshilfe am Hauptbahnhof kennen“, erklärt Fernau.
Auch darüber hinaus helfen viele Menschen ehrenamtlich, gerade jetzt im Winter und in der Weihnachtszeit werden es jedoch weniger. Neue Freiwillige sind im Bieberhaus auch weiterhin willkommen. Viele der Helfer sind selbst Flüchtlinge und wohnen in einer Erstaufnahme, in der Dratelnstraße in Wilhelmsburg zum Beispiel. Hier packen sie selbst mit an.
Übernachtet werden darf hier nicht
Die Tagestätte und die Hilfsangebote richten sich vor allem an Geflüchtete auf der Durchreise – meist nach Skandinavien. Von 8 bis 22 Uhr können sich die Menschen im Bieberhaus aufwärmen und die Hilfsangebote nutzen. In den Abendstunden steht die DB Security am Einlass zur Tagesstätte für Geflüchtete. „Leider ist das notwendig, weil auch viele andere Menschen in Hamburg in den Abendstunden Schutz vor der Kälte suchen. Wir helfen auch diesen so gut es geht, aber um 22 Uhr muss die Etage leer sein“, sagt Fernau.
Denn: Übernachtet werden darf hier nicht. In Aufenthaltsräumen legen sich die Menschen am Tag oft trotzdem hin. „Viele Geflüchtete sind einfach sehr erschöpft. Hier ein paar Stunden zu schlafen ist auf jeden Fall besser als mitten in der Wandelhalle“, so Fernau.
Geflüchtete, die nicht direkt weiterreisen, brauchen einen Übernachtungsplatz. Da die Menschen sich nicht in Hamburg registrieren und in Deutschland Asyl beantragen wollen, stellt die Stadt keine Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Stattdessen springen viele Freiwillige, die ein leeres Zimmer oder eine freie Couch haben ein. Vor allem die Al Nour Moschee in St. Georg und Ar-Rahman Moschee in Hamm nehmen Nacht für Nacht viele Geflüchtete auf.
Weiterreise nach Skandinavien: Finanziert aus Spenden
Unter der Treppe in der Wandelhalle haben die Flüchtlingshelfer weiterhin einen Info-Tresen. Unschwer zu erkennen sind die Helfer an ihren bunten Westen, in orange und gelb zum Beispiel. „Farsi“ oder „Arabisch“ steht auf Kreppband an den Westen der Übersetzer. Bisher werden hier ankommende Geflüchtete begrüßt, Weiterfahrten organisiert und Übernachtungen vermittelt. Fahrtickets finanziert das Team auch weiterhin aus Spenden.
Am Freitag soll der Tresen in einen Container am Rande des Hachmannplatzes umziehen. Direkt neben einem Pissoir. Andreas, der sich als Helfer am Tresen engagiert, ist noch skeptisch: Der Container liegt nicht so zentral wie der Tresen bisher. „Es wird schwierig das Vertrauen der Geflüchteten zu gewinnen, uns hierher zu begleiten.“ Eine weitere Befürchtung neben der möglichen Geruchsbelästigung: Es gibt keinen beheizten Wartebereich für die Geflüchteten, die Helfer sitzen hingegen im Container-Büro. „Da müssen wir uns noch etwas überlegen“, sagt der Ehrenamtliche.
Wie geht es 2016 weiter?
Überlegen müssen sich die freiwilligen Helfer auch, wohin die Hilfsangebote im September 2016 umziehen können. „Wie viele Menschen dann hier ankommen, können wir nicht vorhersagen“, sagt Andreas. Eigentlich ändere sich das ständig.
Das könnte es auch schon an diesem Wochenende: Am Freitag stimmt das Parlament in Dänemark über ein Gesetz ab das den gesamten Zug- und Busverkehr zwischen Deutschland und Dänemark infrage stellt. Viele Geflüchtete, die nach Skandinavien weiter wollen könnten dann am Hauptbahnhof stranden. Auch dann müssen die Helfer wieder kreativ werden – in der Tagesstätte im Bieberhaus dürfen sich höchstens 199 Personen aufhalten.
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