Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und dabei erfolgreiche Desinformation und eine Persiflage auf den Berliner Politikalltag gefunden.
Dass Reklame zum Fernsehen gehört wie RTL, Heidi Klum oder „Der klügere kippt nach“, ist eine Tatsache, die man nicht mögen muss, aber akzeptieren. Dennoch – oder deshalb – macht es Konsumenten schlicht wahnsinnig, wenn darin so gelogen und betrogen wird, wie im Nahrungsmittelsektor üblich. Ein großer Discounter – nennen wir ihn Lödl – etwa, bekannt für ausbeutenden, naturzertörenden, strukturvernichtenden Preiskampf bis aufs Messer, zeigt derzeit, was es heißt, die Kundschaft hinters Licht, also an die Kasse zu führen. In Manufactum-Ästhetik stilisieren aufwändige Spots schäbig fabriziertes Folterfleisch aus Massentierhaltung zur nachhaltigen Gourmet-Ware, als sei McDonalds eine Tochter von Greenpeace. Man kann gar nicht so viel Lödl-Dreck fressen, um derart kotzen zu müssen, wie man möchte.
Womit wir beim zweitliebsten Hassobjekt aufgeklärter Mediennutzer nach dem Privatfernsehen wären: der „Bild-Zeitung“. Die ist weiter das zweitmeistzitierte Infoprodukt nach dem „Spiegel“ und belegt damit, wie man erfolgreich desinformiert. Die Mehrheit der Zitate basiert ja auf Falschmeldungen, Skandalbasteleien und sonstigem Schmierenjournalismus, den das notorische Drecksblatt bar ethischen Anspruchs ins Gehirn seiner Nutzer bläst.
Ein bisschen viel der virtuellen Gewalt
Zyniker würden dem Verlag dahinter glatt eine Cyber-Attacke wünschen wie jene, die am Donnerstag den französischen Kanal TV5Monde lahmgelegt hat. Da das aber ein bisschen viel der virtuellen Gewalt wäre, wünschen wir uns lieber, David Lynch würde eine Serie über die Machenschaften des Springer-Konzerns drehen, die ihn als mysteriösen Machtorganismus inszeniert. Dummerweise macht das Regiegenie knapp 25 Jahre später nun aber nicht mal die heiß ersehnte Fortsetzung von „Twin Peaks“ für den US-Sender Showtime. Der habe einfach nicht genug Geld für sein Anspruchsdenken geboten, erklärte der Regisseur seinen Rückzug, weshalb das Sequel womöglich ohne ihn hergestellt wird. Ein Jammer, eigentlich.
Wie der Umstand, dass Donnerstag erneut ein Stück der seltenen Brillanz jenseits von Krimi und Schnulze ins öffentlich-rechtliche Asyl abseitiger Nachtsendeplätze (ZDFneo, 22.45 Uhr) geschoben wird. Es heißt „Eichwald, MdB“ und porträtiert einen fiktiven Bundesabgeordneten, der in seiner desillusionierten Selbstgerechtigkeit so wahrhaftig wirkt, dass es wehtut. Ein guter Grund, dass es auch noch fabelhaft unterhält, ist Stefan Stuckmann, der sonst die „heute show“ mit Pointen versorgt und nun grandios den Berliner Politalltag persifliert. Ein besserer Grund ist Bernhard Schütz. In seiner ersten echten Hauptrolle gibt der geübte Nebendarsteller dem Wahnsinn eines Politikfossils, das sich in 30 Jahren Parlamentsarbeit zerreiben ließ, ein famoses Gesicht.
Ganz nett, aber zu glatt
Gesichterwechsel dagegen beim misanthropischen ARD-Ermittler „Zorn“. In seinem neuen Fall am gleichen Tag zur besseren Sendezeit, ersetzt der Lover zahlloser Kommerzromanzen Stephan Luca den Charakterdarsteller Mišel Matičević, was wirklich schlimmer hätte kommen können. Gleiches gilt für Anja Kling als Kommissarin, der das ZDF die Filmtochter zur Kollegin im nächsten weiblich besetzten Samstagsmorddezernat macht. Blöder als bei „Die Wallensteins“ kann die Ausgangskonstellation eines Krimis kaum sein. Die fabelhafte Hauptdarstellerin aber macht dann doch den Unterschied.
Kein Unterschied ist demgegenüber zwischen Christoph Maria Herbst und Christoph Maria Herbst in der betulichen Zwillingskomödie „Besser als du“ zu erkennen, die Stärke und Schwäche am ARD-Freitag vereint: ganz nett, aber so glatt, dass man sich sofort einen Schuss Realität auf den Bildschirm wünscht. Wie die schwarzweiße Lowbudget-Sensation „Oh Boy“ (Mittwoch, 20.15 Uhr, Arte) mit Tom Schilling als Berliner Antiheld Nico, der stinknormalen Kaffee will und ansonsten seine Ruhe. Oder doch gleich die harte ARD-Doku „Countdown zu einem Tabubruch“ (Montag, 22.45 Uhr) übers bedrückende Ringen um die Neuauflage von „Mein Kampf“, dessen Urheberrechte 2016 auslaufen. Bisschen sanfter, aber ebenfalls gehaltvoll, die Wiederholungen der Woche“, in schwarzweiß diesmal „Haben und Nichthaben“, legendäres Résistance-Drama mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall in ihrer ersten Rolle als femme fatale von 1944 (Sonntag, 20.15, Arte). Und in Farbe der ebenso legendäre „Tatort: Reifezeugnis“, (Montag, 23 Uhr, RBB) mit Klaus Kinskis Tochter Nastassja als halbnackte Lolita, die 1977 ein mittelschweren TV-Skandal erzeugt hat.
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