Medienkolumne: Freitags Montag

Medienkolumne
Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Mediendschungel der Woche gekämpft und öffentliche Verschwörungspropaganda und heillose Selbstüberschätzung gefunden.

 

Frühjahr, Karneval, die fünfte Jahreszeit: Wie immer weicht das Dunkel langsam dem Licht. Und kaum dass ein Dutzend Alphabet-Prominenter von gestern den Dschungel von heute verlassen hat, ziehen auch schon ihre Nachfolger von morgen in Heidi Klums Urwald vormoderner Geschlechterzurichtung. Auch wenn die „Sesamstraße“ nach 47 öffentlich-rechtlichen Jahren vom Pay-TV-Kanal HBO gekauft wurde und fortan noch stärker von vielschichtig auf oberflächlich poliert werden dürfte, funktioniert das alte Fernsehen also offenbar weiterhin fast wie zu Zeiten, da es noch von Kerls wie Helmut Oeller verwaltet wurde: berechenbar, wertkonservativ, selbstherrlich, machtbewusst.

Für Nachgeborene: Bis 1987 war dieser Helmut Oeller Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks, der bei dessen Amtsantritt 16 Jahre zuvor noch knietief im braunen Blut- und Bodensumpf stand. Unter Oellers Ägide klinkte sich der BR daher gern mal aus ARD-Sendungen von „Panorama“ bis „Scheibenwischer“ aus, falls sie der reaktionären Staatsräson im Erbkönigreiche von Franz-Josef Strauß widersprachen. Als die US-Serie „Holocaust“ 1978 am Mythos von Hitlers erstem Opfer Deutschland kratzte, kämpfte der Inhaltsverantwortliche aus München daher so verbissen gegen deren Ausstrahlung im Ersten, dass sie ins Dritte verbannt wurde.

Extreme Rechte auf dem Talksofa

Was soll man da also sagen, wenn dieser Helmut Oeller nun mit 93 Jahren gestorben ist – mein Beileid? Sprechen wir lieber darüber, was seine Brüder im Geiste heute wieder für Plattformen zur Verbreitung kriegen. Bei „Maischberger“ etwa durfte das stramm deutsche Mädel Frauke Petry am Mittwoch schon wieder öffentlich ihre Verschwörungspropaganda absondern und wurde dabei sogar noch vom publizistischen Sturmbannführer Roger Köppel unterstützt, was der extremen Rechten – abzüglich des Manchesterliberalen Olaf Henkel – im Ringen mit der Vernunft personellen Gleichstand bescherte.

Man wünscht sich dieser Tage wirklich, von all dem Irrsinn nichts mehr mitzukriegen. Etwa durch Auswanderung, mehrjährigen Schlaf oder auch retrograde Amnesie, wie sie die wunderbare Ursula Strauss am Mittwoch im ARD-Beziehungsdrama „Meine fremde Frau“ erleidet. Nach einem Autounfall im Anschluss ans Date mit Lover wacht ihre Krankenpflegerin Maria ohne Erinnerung ans alte Leben inklusive der Existenz von Ehemann Bruno (Harald Krassnitzer) samt Kindern im Wiener Krankenhaus auf.

Spürhund abseitiger Themen mit Strahlkraft

Nun sind Gedächtnisverluste wie Zauberkräfte oft wohlfeil, um Handlungen Schwung zu verpassen. Hier aber entspinnt sich eine intensive Jagd nach dem Urzustand aller Beteiligten, die nur am Rande mit Unfallflucht zu tun hat; es geht ums Vergessen, das schon vor der Amnesie begann: von Hingabe, Ehrlichkeit, Moral. Verantwortlich dafür ist Lars Becker, der am Montag zuvor im ZDF erneut zeigt, dass seine „Nachtschicht“ auch im 13. Einsatz zum Besten im Krimiland gehört. Das Highlight der Woche ist aber ein Dokumentarfilm von Eric Friedler. Der Spürhund abseitiger Themen mit Strahlkraft widmet sich Mittwoch (22.45 Uhr, ARD) zwar dem Weltstar Jerry Lewis, widmet ihm zum 90. allerdings kein schlichtes Porträt, sondern skizziert ihn anhand eines KZ-Dramas, mit dem der Komiker 1972 seine ernste Seite zeigen wollte – und krachend scheiterte: Der Film kam nie ins Kino. Warum, das klärt „Der Clown“ so spannend und unterhaltsam, dass es volle zwei Stunden lang zum Niederknien ist.

Auf andere, weniger pathetische, aber sehr erfolgreiche Weise hinreißend ist der Talk-Host Jimmy Fallon. Als Nachfolger der legendären Johnny Carson und Jay Leno in „The Tonight Show“ ist er seit 2014 eine amerikanische Fernsehinstitution; nun kann man sie auch bei uns am Bildschirm sehen: Montag bis Freitag ab 23 Uhr (Eins Festival). Endlich ein bisschen Konkurrenz für Jan Böhmermann… Glamour anderer Art zeigt 3sat am Donnerstag ab acht vier Stunden lang. Wobei Anbahnung und Übertragung des Wiener Opernballs gar nicht wegen des Festes an sich glitzern; ansehnlicher ist die heillose Selbstüberschätzung, mit der sich die Beteiligten seit 60 Jahren als Nabel der Welt wähnen.

Erschütterndes Schweigen

Älter ist naturgemäß die schwarzweiße „Wiederholung der Woche“: „Fanny“, ein französisches Drama um Liebesbeziehungen im Konventionsknast des Jahres 1932 (Dienstag, 0.55 Uhr, Arte). Dorthin hätte auch ein Pedant wie Fabrikdirektor Stimpson gepasst, doch in „Clockwise“ (morgen, 20.15 Uhr, Servus) ließ ihn John Cleese erst 1986 am eigenen Ordnungswahn scheitern, was auch 30 Jahre später urkomisch ist. Weniger komisch als erschütternd sind die Ursprünge des Siegeszugs von BMW, dem die ARD am Montag (23.30 Uhr) eine Doku zum 100. Geburtstag widmet. Der Titel „Glanz und Elend eines Weltkonzerns“ deutet daraufhin, dass es auch ums unsägliche Schweigen der Quandts zum Nationalsozialismus geht, der die Familie zu einer der reichsten Deutschlands gemacht hat.

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