Rollenspielband „Kapeiken“: Fantastisches Crowdfunding

Foto: Kapeiken
Kultur
Vanessa Rehermann
@varehsa

Redakteurin | M.A. Journalistik/Kommunikationswissenschaft | E-Mail: rehermann@hh-mittendrin.de

In Mozartperücken und Schnallenschuhen verarbeiten sie finstere Gestalten zu Hack oder lallen der lieblichen Marlen hinterher: Als Nischenband kreuzen die Kapeiken Fantasytexte mit Rockmusik. Ihr erstes Album haben sie nun erfolgreich per Crowdfunding finanziert.

Es hört sich etwas rau an, als Florian Schepelmann die ersten Zeilen von „Hack“ anstimmt. Bei hohen Tönen lässt die Heiserkeit ihn klingen wie einen Kettenraucher, doch für diesen Auftritt am letzten Abend holt er das Letzte aus seiner Stimme heraus. Seit vier Tagen musizieren er, sein Bandkollege Marcel Hoyer und der Trommler Julian Soethe fast ununterbrochen auf Deutschlands größtem LARP (Live Action Role Playing), dem Conquest of Mythodea in der Nähe von Hannover. Einmal im Jahr wachsen hier auf weiten Wiesen riesige Zeltstädte mit mehreren tausend Mitspielern aus dem Boden und begründen das Fantasiereich Mitraspera.

Was ist LARP?
Die Abkürzung LARP steht für Live Action Role Playing, im deutschsprachigen Raum auch Liverollenspiel genannt. Dabei handelt es sich um eine Rollenspielform, bei der die Mitspielenden ihre Rollen nicht nur virtuell darstellen, sondern diese mit entsprechender Kleidung, Make Up und Verhalten auf LARP-Conventions im realen Leben verkörpern. Diese Veranstaltungen werden meist ehrenamtlich organisiert und geben den Spielern die Möglichkeit, eine Handlung („Plot“) durchzuspielen und mit anderen Spielern zu interagieren. Die deutsche LARP-Szene ist vielfältig, jedes Wochenende finden im ganzen Land mehrere Veranstaltungen statt, die von Fantasy über Western bis hin zu postapokalyptischen Welten viele Genres bedienen.

Das 21. Jahrhundert ist weit entfernt: Statt auf das Smartphone zu schauen, beugt sich ein Manager in der Rolle eines Magiers über geheime Schriften. Heiler wickeln einige Verbände zurecht. Ein Ritter geht strammen Schrittes vorbei, stets begleitet vom rhythmischen Klack-Klack seiner Metallrüstung. Er hält inne und ruft seinen Knappen, als er hinter dem nahegelegenen Wäldchen plötzlich Kampfesgetöse vernimmt. Ein Trupp abgerissener Söldner wittert ein gutes Geschäft, schultert seine echt aussehenden, aber ungefährlichen Schaumstoff-Hellebarden setzt sich in Bewegung. Sie bestehen viele Herausforderungen, doch wenn die Schlacht geschlagen ist, wollen auch die Helden feiern – und die Hamburger Band „Die Kapeiken“ liefert ihnen den Soundtrack dazu.

Sie spielen in Tavernen, Badehäusern, und in auch in den großen Lagern. Wie ihre Zuschauer schlüpfen sie dabei in einen selbst ausgedachten Charakter, nennen sich „Fistus Famos“ und „Knick Knack“ und nehmen in ihren Liedern die Klischees des Hobbys aufs Korn. „Die Leute in der Rollenspielszene können gut über sich selber lachen“, sagt Schepelmann.

„Rollenspieler haben Bock drauf“

Der Sänger, Songwriter und Gitarrist in Personalunion stand nicht immer in Rokoko-Kleidung – dem Markenzeichen der Band – auf der Bühne. Seit mehr als zehn Jahren musiziert er bereits mit Hoyer zusammen und gründete nach einer Reihe anderer Projekte 2012 gemeinsam mit dem Trommler Timo Köhler die Kapeiken. Ihre Charaktere kommen dabei aus dem Lande Valariot, das von einer Harburger Rollenspielgruppe bespielt wird.

Im echten Leben reaktivierte Schepelmann seine ehemaligen Bandkollegen aus einem früheren Projekt, nachdem er als Teil des Duos Spectaculus Geschmack an der LARP-Musik gefunden hatte. „Die Kapeiken sind quasi dieselben Leute wie in unserer alten Funkrock-Band, „Stabak und die Kosmonauten“. Mit der sind wir viel in Hamburg aufgetreten und haben wir uns auch einmal im Oxmox-Bandbattle durchgesetzt, aber kamen einfach nicht über die Grenzen der Stadt hinaus“, erzählt Schepelmann. Beim Liverollenspiel kämen die Leute indes von überall her. „Und die wollen unbedingt ihre eigene Musik und haben da voll Bock drauf.“

„Da steht auch Rock drin“

Geschichten über Helden, die keine sein wollen

In der Tat scheinen die Kapeiken in der Szene anzukommen: Obwohl LARP in Deutschland als Nischenhobby gilt, gelang es der Band, mehr als 7000 Euro für ihr Debütalbum per Crowdfunding zu sammeln. Damit sprengen sie alle Erwartungen: 4500 haben sie für die Grundversion angepeilt und in weniger als zwei Wochen gesammelt, mit 6000 Euro sollten zusätzliche Songs aufgenommen werden. Mit dem endgültigem Betrag wird das Doppelalbum wohl noch ein bisschen umfangreicher. Akustikgitarre, Kontrabass und Cajon liefern den Rhythmus für die Geschichten, von denen Schepelmann singt – über Helden, die keine Lust mehr haben, heroisch zu sein oder verzweifelt versuchen, ein Mädchen abzuschleppen. Mit E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug packen die Kapeiken ihre Lieder auf einer zweiten CD zudem in ein modernes Gewand. „Wir kommen aus dem Rock und das wollen wir ganz klar zeigen“, sagt der Sänger.

Er könne sich gut vorstellen, auch abseits von LARPs auf Festivals und Konzerten ohne Rollenspielkontext zu spielen. Möglichkeiten in Hamburg gibt es einige: Im Billstedter Kulturpalast, wo in der „Taverna Cerritus“ regelmäßig Mittelalter- und Rollenspielbands auftreten, waren sie bereits dabei. Auch westlich der Alster hat die Szene im „Tanzenden Einhorn“ nahe des Dammtors einen beliebten Treffpunkt und einmal im Jahr treffen sich Rollenspiel- und Fantasyinteressierte jedes Genres auf der Nordcon in Horn.

Wer sich die ersten Demoaufnahmen anhört, dem fällt auf, dass die Band wenig von musikalischen Konventionen hält. Egal ob Polka, Rock, Punk oder Folk – elektronisch wie auch unplugged wirft sie bunt durcheinander, was ihr zwischen die Finger kommt. Die Gegensätze gehören zum Konzept der Kapeiken, genau wie der eigentlich als Schimpfwort geltende Name, den die schicke Rokoko-Kleidung konterkarikiert. „Die Klamotte stand vor dem Namen, weil wir irgendwas wollten, das dieses Sammelsurium aus vielen Musikrichtungen zeigt. Und Rokoko war ja auch eine Zeit, die sich aus anderen Epochen bedient und in eine eigene gepackt hat.“ Außerdem“, grinst Schepelmann, „steckt dort auch das Wort ‚Rock‘ drin.“

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